1 Allgemeines
Rz. 1
Als Ausfluss der allgemeinen Fürsorgepflicht ist der Dienstberechtigte verpflichtet, den Dienstverpflichteten nach Ausspruch der Kündigung eines dauernden Dienstverhältnisses für eine angemessene Zeit von seiner Dienstleistungspflicht zum Zweck der Stellensuche freizustellen. Dies soll dem Dienstverpflichteten ermöglichen, unmittelbar im Anschluss an das beendete Dienstverhältnis ohne größere finanzielle Einbußen ein neues zu begründen. Aus diesem Grund ist § 629 BGB nicht abdingbar.
2 Voraussetzungen
2.1 Dauerndes Dienstverhältnis
Rz. 2
Die Vorschrift findet auf alle Dienst- und Arbeitsverhältnisse Anwendung. Notwendig ist ein dauerndes Dienstverhältnis, wobei der Begriff der "Dauer" wie in §§ 617, 627, 630 BGB zu verstehen ist. Entscheidend ist somit, ob das Dienstverhältnis rechtlich oder faktisch auf eine längere Zeit angelegt ist, von unbestimmter Dauer sein sollte oder faktisch bereits längere Zeit bestanden hat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass erst eine intendierte oder faktisch erhebliche Dauer des Dienstverhältnisses ein Näheverhältnis begründet, aus dem sich eine gesteigerte Rücksichtnahmepflicht ergibt. Da bei einer Kündigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses während der Probezeit das Vertragsverhältnis auf Dauer angelegt war, ist der Anwendungsbereich des § 629 BGB grds. eröffnet. § 629 BGB gilt dagegen nicht für Aushilfsarbeitsverhältnisse, wohl aber für Ausbildungsverhältnisse i. S. v. § 10 Abs. 2 BBiG. Teilzeitbeschäftigten kommt die Vorschrift wegen § 4 TzBfG grds. zugute. Allerdings muss die Stellensuche in der freien Zeit unmöglich oder erschwert sein.
2.2 Kündigung
Rz. 3
Als Kündigung sind ordentliche und außerordentliche sowie Änderungskündigungen zu verstehen. Darüber hinaus findet § 629 BGB entsprechende Anwendung auf Dienstverhältnisse, die aufgrund Fristablaufs, auflösender Bedingung, Zweckerreichung oder eines Aufhebungsvertrags enden.
2.3 Urlaubsverlangen
Rz. 4
Der Dienstverpflichtete muss die Freistellung von der Arbeit ausdrücklich und rechtzeitig verlangen, da der Dienstberechtigte nicht von sich aus zur Gewährung verpflichtet ist. Unzulässig ist insofern die eigenmächtige Inanspruchnahme von Freizeit durch den Dienstverpflichteten zwecks Stellensuche. Andererseits darf der Dienstberechtigte ihn nicht auf noch offene Urlaubstage verweisen. Erhält ein Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Erholungsurlaub, muss er gleichwohl den Anspruch auf Stellensuche geltend machen. Eine nachträgliche Umwandlung des Erholungsurlaubs in Freizeit zur Stellensuche, bei der zusätzlich eine Urlaubsabgeltung erfolgen müsste, ist nicht möglich. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Dienstverpflichtete bereits vor Zugang der Kündigung den Urlaub beantragt hat. Von dem Zweck der Freizeit zur Stellensuche sind neben der Terminwahrnehmung bei anderen Arbeitgebern und der Agentur für Arbeit auch die Durchführung von Eignungstests und Untersuchungen, wenn diese für die zukünftige Stelle erforderlich sind, erfasst.
Sollte der Arbeitnehmer Freizeit gemäß § 629 BGB in Anspruch nehmen, ohne diese zur Stellensuche zu nutzen, kann dies eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen.
3 Rechtsfolgen
Rz. 5
Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, hat der Dienstberechtigte dem Dienstverpflichteten angemessene Freizeit zur Stellensuche einzuräumen. Die Angemessenheit richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Entscheidend ist die für die jeweilige Maßnahme der Stellensuche zweckmäßige Zeit. Hinsichtlich der konkreten Freistellungsmodalitäten ist § 315 BGB zu beachten. Nähere Ausgestaltungen können durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Verträge vorgenommen werden.
Über die Vergütung des Dienstverpflichteten trifft § 629 BGB keine ...