Prof. Dr. Michael Worzalla
Rz. 86
Nach der Rechtsprechung des BAG liegt eine Kündigung durch den bisherigen Arbeitgeber wegen des Betriebsübergangs dann vor, wenn jene damit begründet wird, der neue Betriebsinhaber habe die Übernahme eines bestimmten Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz erhalten bleibt, deswegen abgelehnt, weil er "ihm zu teuer sei". In diesem Fall gibt es keinen Grund, der die Kündigung sachlich rechtfertigen würde. Auch der Veräußerer könnte nicht aus einem solchen Grund kündigen. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Erwerber betriebliche Gründe für die Kündigung hätte und der Veräußerer dem Arbeitnehmer aus diesem Grund kündigt. Das BAG hat deshalb bereits mit dem Urteil v. 26.5.1983 die Zulässigkeit von Kündigungen nach dem Konzept des Erwerbers erwogen, wenn der Betriebsübergang im Zeitpunkt der Kündigung durch Vorvertrag bereits rechtlich fixiert ist und feststeht, dass der Erwerber zugleich mit der Übernahme des Betriebs im Einzelnen feststehende Rationalisierungsmaßnahmen durchführen will, die zum Wegfall bestimmter Arbeitsplätze führen und diese Absicht schon greifbare Formen angenommen hat.
Rz. 87
Der 8. Senat des BAG hat sodann mit dem Urteil v. 18.7.1996 anerkannt, dass eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs nicht vorliegt, wenn sie der Rationalisierung (Verkleinerung) des Betriebs zur Verbesserung der Verkaufschancen dient. Zwar ergibt sich in diesem Fall ein Kündigungsgrund nicht bereits daraus, dass ein Interessent den Erwerb des Betriebs von der Kündigung abhängig macht. Doch ist der Betriebsinhaber durch § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht gehindert, auch im Zusammenhang mit einer Veräußerung des Betriebs Rationalisierungen zur Verbesserung des Betriebs durchzuführen und zu diesem Zweck betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen.
Rz. 88
Hierauf aufbauend hat wiederum der 8. Senat mit Urteil v. 20.3.2003 die Kündigung nach einem Erwerberkonzept in der Insolvenz zugelassen. Die Zulässigkeit der Kündigung nach dem Erwerberkonzept folgt letztlich auch aus § 128 Abs. 1 InsO. Allein die Forderung des Erwerbers, die Belegschaft vor dem Betriebsübergang zu verkleinern, genügt allerdings noch nicht. Voraussetzung hierfür ist vielmehr, dass ein verbindliches Konzept oder ein Sanierungsplan des Erwerbers vorliegt, dessen Durchführung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits greifbare Formen angenommen hat. § 613a Abs. 4 BGB bezweckt keine "künstliche Verlängerung" des Arbeitsverhältnisses bei einer vorhersehbar fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers bei dem Erwerber. Für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Veräußerers nach dem Sanierungskonzept des Erwerbers kommt es – jedenfalls in der Insolvenz – auch nicht darauf an, ob das Konzept auch bei dem Veräußerer hätte durchgeführt werden können. Wer das umgesetzte Konzept entwickelt hat und wer gekündigt hat – der Veräußerer vor oder der Betriebserwerber nach dem Betriebsübergang –, ist letztlich unerheblich.
Diese vom BAG für Insolvenzfälle aufgestellten Grundsätze sind auf Kündigungen durch den Veräußerer nach einem Erwerberkonzept außerhalb der Insolvenz zu übertragen (str.).
Rz. 89
Vor Erklärung einer solchen Kündigung hat der Erwerber nach zutreffender Ansicht die Pflicht, freie Arbeitsplätze im Betrieb bzw. in Betrieben des übernehmenden Rechtsträgers anzubieten. Auch sind bei der Sozialauswahl schon die Arbeitnehmer des Erwerberbetriebs einzubeziehen. Diese Folgefragen sind in der Rechtsprechung allerdings bisher nicht abschließend geklärt.