Rz. 28
Sozialpläne sind in der Praxis in verschiedenen Zusammenhängen anzutreffen. Das Gesetz sieht in § 112 BetrVG den (mitbestimmungspflichtigen und damit erzwingbaren) Sozialplan anlässlich einer konkreten Betriebsänderung vor. Dabei kann dieser Sozialplan zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat einvernehmlich zustande kommen oder nach § 112 Abs. 4 BetrVG durch Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden, indem nach § 76 Abs. 5 BetrVG Arbeitgeber oder Betriebsrat einseitig die Einigungsstelle "anrufen" - also deren Bildung verlangen – können. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil die Betriebspartner bei der Aufstellung wesentlich freier sind als die Einigungsstelle, die sich zusätzlich an die engen Vorgaben des § 112 Abs. 5 BetrVG halten muss.
Bei einem Sozialplan, der durch denen Spruch einer Einigungsstelle erzwungen wird, ist die Regelungsmöglichkeit, insbesondere die Möglichkeit, pauschalierend Abfindungen vorzusehen, stark eingeschränkt. Daher ist es regelmäßig sinnvoll, dass Arbeitgeber und Betriebsrat es bereits aus diesem Grunde nicht auf einen Spruch der Einigungsstelle ankommen lassen.
Nicht selten werden sogenannte Rahmensozialpläne oder vorsorgliche Sozialpläne abgeschlossen, die die Rahmenbedingungen für (etwaige) künftige Betriebsänderungen ausgestalten. Teilweise werden diese sogar unternehmensweit durch den Gesamtbetriebsrat vereinbart. Ob dies sinnvoll ist, hängt von vielen Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Wenn die konkrete Betriebsänderung nur rahmenmäßig, aber noch nicht konkret feststeht, der Arbeitgeber aber schon deutlich machen will, dass er die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer (großzügig) ausgleichen will, kann der Abschluss eines vorsorglichen Sozialplans vorteilhaft sein. Der Arbeitgeber sollte sich jedoch bewusst sein, dass solche Vorratsregelungen weder Interessenausgleiche über konkrete Maßnahmen in der Zukunft obsolet machen noch das erzwingbare Mitbestimmungsrecht über künftige Sozialpläne für konkrete Betriebsänderungen vorwegnehmen (BAG, Urteil v. 29.11.1983, 1 AZR 523/82). Er läuft also Gefahr, in künftigen Sozialplänen über den Rahmensozialplan hinaus zu Leistungen verpflichtet zu werden. Hat der Gesamtbetriebsrat mit dem Arbeitgeber einen solchen Rahmensozialplan oder vorsorglichen Sozialplan vereinbart, stellt sich die Frage, welchen Rechtscharakter dieser hat und ob die Arbeitnehmer aus ihm Ansprüche ableiten können. Dazu hat das BAG klarstellend entschieden, dass ein mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarter vorsorglicher Sozialplan nicht die betriebsverfassungsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten der örtlichen Betriebsräte beschränkt und diesen nicht die Befugnis nimmt, anlässlich einer konkreten Betriebsänderung mit dem Arbeitgeber ggf. auch in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Sozialplanregelungen zu treffen. Ein zwischen dem Arbeitgeber und dem Gesamtbetriebsrat vereinbarter vorsorglicher Sozialplan, der für eine Vielzahl künftig möglicher, noch nicht geplanter Betriebsänderungen den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile vorsieht, begründet normative Ansprüche zugunsten von Arbeitnehmern typischerweise nur für den Fall, dass aus Anlass einer konkreten Betriebsänderung auf betrieblicher Ebene der Abschluss eines Sozialplans unterbleibt (BAG, Urteil v. 17.4.2012, 1 AZR 119/11).
Davon zu unterscheiden ist der vorweggenommene Sozialplan. Betriebsrat und Arbeitgeber können für noch nicht geplante, aber in groben Umrissen schon abschätzbare Betriebsänderungen einen Sozialplan in Form einer freiwilligen Betriebsvereinbarung aufstellen. Darin liegt noch kein unzulässiger Verzicht auf künftige Mitbestimmungsrechte. Soweit ein solcher vorsorglicher Sozialplan wirksame Regelungen enthält, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 112 BetrVG verbraucht, falls eine entsprechende Betriebsänderung später tatsächlich vorgenommen wird (BAG, Beschluss vom 26.8.1997, 1 ABR 12/97). Damit ist aber für den Arbeitgeber nur ein geringer Vorteil verbunden – für den Arbeitgeber ist es wesentlich wichtiger, zügig zum Abschluss eines Interessenausgleichs zu kommen.
Rz. 29
In jüngerer Zeit haben Gewerkschaften als ergänzendes Instrument das Verlangen nach einem Tarifsozialplan eingesetzt. Er führt bei geplanten Betriebsänderungen zu zweigleisigem Vorgehen der Arbeitnehmervertreter. Während Arbeitgeber und Betriebsrat über den Sozialplan verhandeln, fordert die zuständige Gewerkschaft einen Haustarifvertrag oder auch einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag über Sozialplanleistungen. Diesen Forderungen wird oft Nachdruck verliehen durch Streiks, die den Betriebsparteien verboten sind.