Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösende Bedingung/Bewachungsgewerbe
Leitsatz (amtlich)
Das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters eines Unternehmens aus dem Wach- und Sicherheitsgewerbe wird aufgrund einer tarifvertraglichen Norm, wonach das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung endet, wenn die Erlaubnisbehörde die Zustimmung zur Beschäftigung eines Arbeitnehmers verweigert oder entzieht, nur zum Ablauf einer der zwingenden Mindestkündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist beendet, wenn für den Arbeitnehmer keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht.
Normenkette
BGB § 620; UZwGBw § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Oktober 1997 – 11 Sa 317/97 – unter Zurückverweisung der Revision im übrigen teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 3. Dezember 1996 – 5 Ca 488/96 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert.
Das Versäumnisurteil vom 24. September 1996 wird teilweise aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. August 1996 beendet worden ist.
Im übrigen bleibt das Versäumnisurteil vom 24. September aufrechterhalten.
3. Der Kläger trägt 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis des Klägers entstandenen Kosten. Diese hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung sowie einer vorsorglich ausgesprochenen ordentlichen Kündigung beendet worden ist.
Der Kläger ist seit 1990 in einem Munitionsaußenlager der Bundeswehr als Wachmann und Hundeführer tätig. Er ist bei einem Bewachungsunternehmen beschäftigt, das mit der Bewachung dieses Munitionsdepots beauftragt ist. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Manteltarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen kraft Allgemeinverbindlicherklärung Anwendung. Im Manteltarifvertrag vom 29. Oktober 1992 (MTV) ist in § 3 Buchst. B 1 d) bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung endet, wenn die Erlaubnisbehörde die Zustimmung zur Beschäftigung des Arbeitnehmers verweigert oder entzieht.
Am 4. Juli 1996 wurde der Kläger einem nicht angekündigten Test unterzogen, der mangelhaft verlief. Daraufhin stellte der Kasernenkommandant noch am selben Tag den Sonder- und Waffenausweis des Klägers sicher, verwies den Kläger aus dem Depotgelände und forderte von der zuständigen Standortverwaltung den Entzug der Einsatzgenehmigung des Klägers. Die Standortverwaltung verlangte am 9. Juli 1996 von der Beklagten, den Kläger nicht mehr als zivile Wachperson im fraglichen Munitionsaußenlager einzusetzen. Darauf teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10. Juli 1996 mit, durch die Entziehung der ihm erteilten Einsatzgenehmigung habe das Arbeitsverhältnis gemäß § 3 Buchst. B 1 d) des Manteltarifvertrages am 4. Juli 1996 geendet. Vorsorglich kündigte die Beklagte mit diesem Schreiben das Arbeitsverhältnis zum 31. August 1996.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die tarifvertraglich vorgesehene auflösende Bedingung sei unwirksam. Sie verstoße gegen zwingendes Kündigungsschutzrecht. Die hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung sei sozialwidrig.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis weder durch den Entzug der Einsatzgenehmigung gemäß Schreiben der Standortverwaltung Stadtallendorf vom 9. Juli 1996 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten gemäß Schreiben vom 10. Juli 1996 zum 31. August 1996 aufgelöst worden ist,
- für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Wachmann/Hundeführer weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zunächst durch Versäumnisurteil vom 24. September 1996 abgewiesen und nach Einspruch des Klägers das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag des Klägers stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte auch die Abweisung des Feststellungsantrags. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Sie führt zur Abänderung des Berufungsurteils dahingehend, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund einer tarifvertraglich geregelten auflösenden Bedingung mit Ablauf einer Auslauffrist zum 31. August 1996 beendet worden ist. Auf die vorsorglich ausgesprochene Kündigung der Beklagten kommt es nicht an.
I. Bei dem in § 3 Buchst. B 1 d) MTV vorgesehenen Beendigungstatbestand handelt es sich um eine auflösende Bedingung.
1. Nach inzwischen gefestigter Senatsrechtsprechung (vgl. z.B. Urteile vom 11. Oktober 1995 – 7 AZR 119/95 – BAGE 81, 148 = AP Nr. 20 zu § 620 BGB Bedingung; vom 26. Juni 1996 – 7 AZR 674/95 – AP Nr. 23 zu § 620 BGB Bedingung; vom 24. September 1997 – 7 AZR 669/96 – AP Nr. 192 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) sind auflösende Bedingungen an den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle zu messen. Sie dürfen nicht zu einer objektiven Umgehung zwingender Grundsätze des Kündigungsschutzrechts führen, sondern erfordern zu ihrer Rechtswirksamkeit das Vorliegen eines sachlichen Grundes. Die arbeitsvertragliche Befristungskontrolle hat keine Parallele im Kündigungsschutzprozeß. Sie dient nicht der Überprüfung der Rechtswirksamkeit einer Gestaltungserklärung des Arbeitgebers. Die Gerichte für Arbeitssachen prüfen vielmehr, ob die Parteien eine rechtlich statthafte Vertragsgestaltung objektiv funktionswidrig zu Lasten des Arbeitnehmers verwendet haben.
2. Diese Prüfung hat das Landesarbeitsgericht versäumt. Es hat statt dessen die Rechtswirksamkeit der auflösenden Bedingung rechtsfehlerhaft ausschließlich mit der Begründung verneint, daß eine wegen der Entziehung der Einsatzgenehmigung ausgesprochene Kündigung sozialwidrig gewesen wäre.
II. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, nicht jedoch zur Zurückverweisung der Sache. Der Senat kann den Rechtsstreit aufgrund des festgestellten Sachverhalts gem. § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO selbst entscheiden. Seine Überprüfung anhand der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle ergibt, daß die tarifliche Regelung, wenn auch mit eingeschränktem Inhalt, rechtswirksam ist. Der durch den Entzug der Einsatzgenehmigung eintretende Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit ist ausreichender sachlicher Grund, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung vorzusehen. Allerdings trägt dieser sachliche Grund nicht die im MTV ausnahmslos vorgesehene sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vielmehr kann die Tarifnorm nur in einer in mehrfacher Hinsicht eingeschränkten Weise angewendet werden, damit sie nicht mit tragenden Wertungsmaßstäben des Befristungsrechts kollidiert.
1. Mit der auflösenden Bedingung des § 3 Buchst. B 1 d) MTV tragen die Tarifvertragsparteien dem Umstand Rechnung, daß Zivilpersonen nur dann bei der Bewachung militärischer Anlagen eingesetzt werden dürfen, wenn ihnen gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwangs und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen (UZwGBw) nach näherer Maßgabe der Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz (AB-UZwBGw) eine besondere Einsatzgenehmigung erteilt und nicht entzogen worden ist. Ein Arbeitgeber, der mit der Bewachung einer militärischen Einrichtung der Bundeswehr beauftragt ist, darf daher einen Arbeitnehmer nur dann mit der Bewachungsaufgabe betrauen, wenn und solange der Arbeitnehmer über die Einsatzgenehmigung verfügt. Die Einsatzgenehmigung wird dem Arbeitnehmer persönlich von der Bundesrepublik erteilt. Der Arbeitgeber selbst hat keine Möglichkeit, die Nichterteilung bzw. den Entzug der Einsatzgenehmigung verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen. Deshalb kann es für den Bestand des Arbeitsverhältnisses auch nicht auf die Gründe ankommen, aus denen dem Arbeitnehmer die Einsatzgenehmigung nicht erteilt bzw. wieder entzogen wird. Der Arbeitgeber ist unabhängig von der Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Arbeitnehmer erlassenen Verwaltungsakts am Einsatz des Arbeitnehmers gehindert. Sachgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist demnach nicht der Entzug der Erlaubnis, sondern die daraus folgende fehlende Beschäftigungsmöglichkeit.
2. Diese Auslegung der Tarifnorm hat zur Folge, daß der Eintritt der Bedingung nur dann zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht in anderer Weise vertragsgemäß beschäftigen kann.
So verhält es sich im Streitfall. Zum einen ist der Kläger arbeitsvertraglich nur zur Bewachung des hier betroffenen Munitionsaußenlagers angestellt. Das schließt allerdings nicht aus, daß die Beklagte, sofern sie über einen anderen freien Arbeitsplatz verfügt, dem Kläger eine ihr zumutbare Vertragsänderung anbieten muß, bevor sie sich auf die auflösende Bedingung berufen darf. Das Landesarbeitsgericht hat aber festgestellt, daß der Kläger zur Aufnahme einer Tätigkeit in einem der zivilen Objekte der Beklagten mangels eines hierfür erforderlichen Führerscheins nach seinen eigenen Angaben nicht in der Lage war.
3. Der Sachgrund der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit nach Entzug der Einsatzgenehmigung besteht entgegen der Auffassung des Klägers unabhängig davon, ob der die Entziehung anordnende Verwaltungsakt bestandskräftig ist. Sofern der Entzug der Einsatzgenehmigung rechtskräftig für unwirksam erklärt werden sollte, könnte der Arbeitgeber zur Wiedereinstellung des Klägers verpflichtet sein.
4. Mit den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle unvereinbar ist jedoch die von den Tarifvertragsparteien vorgesehene Rechtsfolge, nach der das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung endet. Der Sachgrund rechtfertigt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in einem Maß, wie sie das Gesetz bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB vorsieht. Denn dem Arbeitnehmer würde anders als bei der Zeitbefristung und bei der Zweckbefristung keine Möglichkeit zur Disposition über seine Arbeitskraft, insbesondere keine Möglichkeit gewährt, beizeiten sich um einen anderen Arbeitsplatz zu bemühen. Die sofortige Beendigung würde auch den Arbeitgeber an der Prüfung hindern, inwieweit ein anderweitiger Arbeitsplatzeinsatz möglich und geboten ist.
Die mit dem Sachgrund in § 3 Buchst. B 1 d) MTV nicht zu vereinbarende Rechtsfolge führt indessen nicht zum unbefristeten Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich dazu, daß das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf einer der Mindestkündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist endet. Nach ständiger Senatsrechtsprechung (seit BAG Urteil vom 26. März 1986 – 7 AZR 599/84 – BAGE 51, 319 = AP Nr. 103 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) ist die vereinbarte Rechtsfolge an den Schutzzweck der jeweils einschlägigen zwingenden Kündigungsfristen anzupassen, so daß das Arbeitsverhältnis erst mit dem Ablauf einer entsprechenden Auslauffrist endet. Das ist im Streitfall die Kündigungsfrist des § 3 Buchst. B 3 a) MTV, die für den Kläger nach mehr als fünfjähriger Beschäftigung einen Monat zum Monatsende beträgt. Sie begann spätestens mit Zugang der Mitteilung der Beklagten vom 10. Juli 1996 und endete daher am 31. August 1996.
5. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Tarifbestimmung jedenfalls nach Maßgabe der vorstehenden Einschränkungen mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verstößt insbesondere nicht gegen die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind einzelvertraglich vereinbarte oder aufgrund Tarifbindung der Parteien geltende Tarifbestimmungen über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie den Anforderungen der arbeitsrechtlichen Befristungskontrolle genügen (zur auflösenden Bedingung einer tariflichen Altersgrenze BAG Urteile vom 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – und vom 11. März 1998 – 7 AZR 700/96 – AP Nr. 11 und 12 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; zu einer vertraglichen Altersgrenzenregelung BAG Urteil vom 11. Juni 1997 – 7 AZR 186/96 – BAGE 86, 105 = AP Nr. 7 zu § 41 SGB VI).
Das gilt auch, wenn eine Tarifbestimmung wie im Streitfall kraft Allgemeinverbindlicherklärung die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfaßt, § 5 Abs. 4 TVG. Der besondere Rechtssetzungsakt der Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG des BMA oder der obersten Arbeitsbehörde des Landes, der den einfach-rechtlichen Bestimmungen des TVG genügt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht verfassungswidrig (BVerfGE 44, 322; 55, 7; Bundesverfassungsgericht Beschluß vom 10. September 1991 – 1 BvR 561/89 – AP Nr. 27 zu § 5 TVG). Der Senat verkennt nicht, daß der damit verbundene staatliche Eingriff in das durch Art. 12 GG gewährleistete Freiheitsrecht des Arbeitnehmers strengeren Anforderungen unterliegen könnte als privatautonome Beschränkungen der Berufsfreiheit. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil die allgemeinverbindliche Tarifbestimmung mit den genannten Einschränkungen eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit eines Arbeitnehmers, für den keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht, nicht erkennen läßt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Nottelmann, Jens Herbst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.08.1999 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436493 |
BAGE, 245 |
BB 1999, 1926 |
DB 1999, 1805 |
DB 2000, 1470 |
ARST 2000, 169 |
ARST 2000, 21 |
FA 1999, 379 |
FA 2000, 138 |
JR 2000, 396 |
NZA 2000, 656 |
SAE 2000, 166 |
ZTR 2000, 317 |
AP, 0 |
AuA 1999, 460 |
MDR 2000, 706 |