Zusammenfassung

Angesichts der Dynamik an den Finanzmärkten, der Eurokrise und kaum vorhersagbaren Index-Entwicklungen haben einige CFOs erkannt, dass planbar gestern war. Die Unsicherheit über die Entwicklung wird der Normalfall.

In einem dynamischen und volatilen Unternehmensumfeld versagen die etablierten Planungskonzepte.

Eine agile Planung, insbesondere die aufeinander abgestimmte Nutzung von Frontloading, Simulation und effektebasierten bzw. rollierenden Forecasts charakterisieren das eigentlich notwendige Instrumentarium.

Der Beitrag stellt anhand des Praxisbeispiels Bayer MaterialScience das Zusammenspiel dieser Steuerungsinstrumente dar und schildert die wichtigsten unternehmensspezifischen Erfahrungen hinsichtlich agilen Planung.

2011 wurde Bayer MaterialScience dafür mit einem Best Practice Award ausgezeichnet.

1 Ausgangssituation – planbar war gestern

Unsichere Entwicklung wird normal

Viele Manager und Controller sind immer noch der Auffassung, es bedürfe keiner Alternative zum klassischen Planungs- und Budgetierungsprozess. Dieser ist üblicherweise dadurch gekennzeichnet, dass detailliert und bottom-up in mehreren Runden ein Zahlenwerk in rund 4 bis 6 Monaten erarbeitet wird, gegen das dann im Folgejahr Forecasts und Abweichungsanalysen erstellt werden. Diese Form der Unternehmenssteuerung setzt voraus, dass das erarbeitete Zahlenwerk noch Gültigkeit besitzt. Spätestens mit der jüngsten Dynamik an den Finanzmärkten, der Eurokrise und kaum vorhersagbaren Index-Entwicklungen (IFO etc.) haben einige CFOs erkannt, dass planbar gestern war. Die Unsicherheit über die Entwicklung wird der Normalfall.

1.1 Nachteil klassischer Systeme

Ein klassisches Budget, das samt Vorbereitungszeit eine Gültigkeitsdauer von 18 Monaten beansprucht, wird bei der nunmehr vorherrschenden Unsicherheit schon bei Verabschiedung auf der Gesamtunternehmensebene kaum noch und auf der tiefsten Detailebene gar nicht mehr aktuell sein. Klassische Planungs- und Steuerungssysteme sind zu statisch. Der Trend geht dazu, lang-, mittel- und kurzfristige Steuerungsimpulse schneller und häufiger zu setzten als dies bisher der Fall war. "Agilität" lautet hier das Stichwort. Agile Unternehmen haben erkannt, dass Planung kein Einmalereignis ist sondern immer! Ihre neuen Planungs- und Steuerungssysteme sind robuster, dynamischer, und schneller!

1.2 Anforderungen an die Systeme

Robuste Planungs- und Steuerungs­systeme

Robuster heißt in diesem Zusammenhang, dass nur wenige ausgewählte Zielwerte auf kritischen Steuerungsgrößen benötigt werden, die den einzuschlagenden Zielpfad vorgeben und der auch in volatilen Zeiten nach Möglichkeit nicht verlassen wird. Wichtig ist es dabei, dass Ziele eher für einen mittelfristigen als für einen kurzfristigen Zeitraum gesetzt werden. So wird verhindert, dass unter etwaigen Rahmenbedingungen aktueller Marktvolatilität lediglich reagiert wird, anstatt anhand von mittelfristigen Zielen zu agieren. So ist folgerichtig ein detailliertes Zielgerüst auf den tiefsten Ebenen (Artikel, Vertriebseinheiten etc.) in volatilen Zeiten meist nicht sinnvoll, da es viel zu schnell an Aktualität verlieren würde.

Dynamische Systeme

Die Planungs- und Steuerungssysteme müssen dynamisch sein um auf häufige Änderungen im Umfeld mit Gegenmaßnahmen (Contingency Planning) reagieren zu können. Um die angepeilten Ziele zu erreichen, gilt es hier, lieber häufiger und ggf. mit kürzeren Horizonten auf aggregierter Ebene nach vorne zu schauen, als detailliert die Vergangenheit zu analysieren und damit nach hinten zu gucken. Letzteres wäre nur in stabilen Umfeldern sinnvoll, wenn man die Erkenntnisse der Vergangenheit in die Zukunft projizieren könnte. Eben dies ist aber in volatilen Zeiten nicht der Fall.

Schnelligkeit

Schnelligkeit ist in volatilen Zeiten der dritte wichtige Erfolgsfaktor. Die Entscheider müssen permanent handeln, um das Unternehmen auf Zielkurs zu halten. Steuerungsinformationen müssen daher in kürzester Zeit zur Verfügung gestellt werden.

Es stellt sich die Frage, mit welchen Instrumenten sich die unterschiedlichen Anforderungen in einem durchgängigen Planungs- und Steuerungssystem optimal verbinden lassen. Die Antwort lautet:

  • verstärktes Frontloading und Top-down-Ziele,
  • Treibermodelle und Simulation in Verbindung mit Szenarien,
  • verstärktes Forecasting, rollierend und/oder effektebasiert.

2 Agile Planung – Instrumente und Lösungsansätze

2.1 Frontloading und Top-down-Ziele

Frontloading ist ein Begriff aus der Automobilindustrie. Durch die frühzeitige Fixierung von (Entwicklungs-)Zielen und Grundstrukturen können die weiteren Entwicklungsschritte zielgerichtet mit weniger Rekursionen erfolgen (s. Abb. 1).[1]

Übertragen auf die Planung bedeutet Frontloading einen Umbau des Prozesses mit einer intensiven Zielsetzungs- und Commitment-Phase als Start der Planung. Diese Phase nimmt mit rund 4 Wochen die Hälfte der Dauer des modernen Gesamtplanungsprozesses ein. Die Planungsziele werden systematisch aus Strategie und aktueller Unternehmenssituation abgeleitet und bis auf die relevanten Steuerungsebenen heruntergebrochen. In Erweiterung der bekannten Top-down-Planung werden auf den Managementebenen die Ziele intensiv diskutiert.

Abb. 1: Frontloading

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