Prof. Dr. Peter Wollmert, Prof. Dr. Peter Oser
Seit Veröffentlichung des Bilanz Check-ups 2021 hat sich das IFRS IC mit einer Reihe von Fragestellungen befasst. Bei einigen dieser Fragen wurde entschieden, sie nicht auf die Agenda des IFRS IC zu nehmen. Diese Agenda-Entscheidungen verändern nicht die Anforderungen der IFRS. Dies gilt auch, soweit sie Begründungen enthalten, die in dem von der IFRS Foundation veröffentlichten Due Process Handbook als erläuternde Materialien (Explanatory Material) bezeichnet werden. Diese erläuternden Materialien geben Hinweise, wie die anwendbaren Prinzipien und Anforderungen der IFRS auf die in der Agenda-Entscheidung beschriebenen Geschäftsvorfälle und Sachverhalte anzuwenden sind. Erläuternde Materialien leiten ihre Berechtigung aus dem anzuwendenden IFRS selbst ab und sind dementsprechend bei der Anwendung der IFRS zu beachten. Erläuternde Materialien in Agenda-Entscheidungen können zusätzliche Erkenntnisse liefern, die das Verständnis eines Unternehmens von den Anforderungen in den IFRS verändern können.
Da die Agenda-Entscheidungen keine IFRS darstellen, enthalten sie auch keinen Erstanwendungszeitpunkt. Muss ein Unternehmen als Folge von erläuternden Materialien in einer Agenda-Entscheidung seine eigene Rechnungslegungspolitik ändern, soll es dennoch ausreichend Zeit haben, um diese Entscheidung zu treffen und jede notwendige Änderung der Bilanzierungsmethoden umzusetzen (bspw. müssen ggf. neue Informationen eingeholt oder Systeme angepasst werden). Die Bestimmung, wie viel Zeit für eine Änderung der Bilanzierungsmethoden ausreicht, ist eine Ermessensfrage, die von den besonderen Tatsachen und Umständen eines Unternehmens abhängt. Nichtsdestotrotz wird von einem Unternehmen erwartet, dass es jede Änderung zeitnah umsetzt und, falls wesentlich, prüft, ob die IFRS eine Angabe im Zusammenhang mit der Änderung verlangen. In einer Rede führte das IASB-Mitglied Sue Lloyd aus, dass der IASB hinsichtlich der Umsetzung einer Agenda-Entscheidung eher an Monate als an Jahre gedacht habe.
Nachfolgend wird ein kurzer Überblick über ausgewählte Agenda-Entscheidungen der letzten 12 Monate gegeben, bei denen Hinweise zur Anwendung der Prinzipien und Anforderungen der IFRS auf die in der Agenda-Entscheidung beschriebenen Geschäftsvorfälle und Sachverhalte aus den erläuternden Materialien erkennbar waren. Eine vollständige Liste von Themen, die nicht auf die Agenda des IFRS IC genommen wurden, ist mit den jeweiligen erläuternden Materialien auf der Homepage des IASB (www.ifrs.org) abrufbar.
Im August 2020 veröffentlichte die IFRS Foundation eine geänderte Fassung des Due Process Handbook. Die geänderte Fassung des Due Process Handbook sieht eine Einbindung des IASB in den Prozess der Finalisierung von Agenda-Entscheidungen vor, um deren Stellenwert deutlicher zu präzisieren.
Gem. § 8.7 des geänderten Due Process Handbook ist nunmehr vor der Veröffentlichung einer Agenda-Entscheidung der IASB (auf der ersten Sitzung, auf der eine Diskussion der Agenda-Entscheidung sinnvoll ist) zu fragen, ob er Einwände gegen die Agenda-Entscheidung hat, insbesondere ob er die Entscheidung des IFRS IC, keine Standardsetzungsaktivitäten einzuleiten, beanstandet. Außerdem ist der IASB zu fragen, ob er die Einschätzung des IFRS IC teilt, dass mit der Agenda-Entscheidung die Vorschriften in den Standards nicht verändert oder ergänzt werden. Wenn 4 oder mehr IASB-Mitglieder Einwände erheben, wird die Agenda-Entscheidung nicht veröffentlicht und der IASB legt das weitere Vorgehen fest.
Erheben weniger als 4 IASB-Mitglieder Einwendungen gegen eine Agenda-Entscheidung, wird sie im IFRIC Update zu der Sitzung veröffentlicht, in der das IFRS IC seine finale Entscheidung getroffen hat. Ist dieses IFRIC Update zum Zeitpunkt der Befragung des IASB bereits veröffentlicht, wird ihm die Agenda-Entscheidung als Addendum angefügt.