Prof. Dr. Peter Wollmert, Prof. Dr. Peter Oser
Das IFRS IC hatte eine Anfrage in Bezug auf Reverse-Factoring-Vereinbarungen erhalten. Die Anfrage bezog sich auf die folgenden beiden Fragestellungen:
- Wie hat ein Unternehmen Verbindlichkeiten zur Bezahlung von erhaltenen Gütern oder Dienstleistungen darzustellen, wenn die entsprechenden Rechnungen Teil einer Reverse-Factoring-Vereinbarung sind?
- Inwiefern muss ein Unternehmen in seinen Abschlüssen Angaben zu Reverse-Factoring-Vereinbarungen machen?
Bei der Beantwortung der ersten Frage ging das IFRS IC auf die Darstellung sowohl in der Bilanz als auch in der Kapitalflussrechnung ein.
Bei der Reverse-Factoring-Vereinbarung, die der Anfrage an das IFRS IC zugrunde lag, erklärt sich ein Finanzinstitut bereit, die von einem Unternehmen einem Lieferanten geschuldeten Beträge zu bezahlen, wobei sich das Unternehmen dazu verpflichtet, den Betrag entweder zum selben Zeitpunkt, zu dem der Lieferant bezahlt wird, oder zu einem späteren Zeitpunkt an das Finanzinstitut zurückzuzahlen.
Darstellung in der Bilanz
IAS 1 regelt, wie ein Unternehmen seine Verbindlichkeiten in der Bilanz darzustellen hat.
Gem. IAS 1.54 muss ein Unternehmen "Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Verbindlichkeiten" getrennt von anderen finanziellen Verbindlichkeiten darstellen. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Verbindlichkeiten unterscheiden sich hinreichend in ihrem Wesen oder ihrer Funktion von anderen finanziellen Verbindlichkeiten und machen damit einen getrennten Ausweis in der Bilanz erforderlich (IAS 1.57). IAS 1.55 verlangt von einem Unternehmen, zusätzliche Posten (ggf. auch durch Einzeldarstellung der unter IAS 1.54 aufgeführten Posten) darzustellen, sofern eine solche Darstellung für das Verständnis seiner Vermögens- und Finanzlage notwendig ist. Demnach muss ein Unternehmen beurteilen, ob es Verbindlichkeiten, die Teil einer Reverse-Factoring-Vereinbarung sind,
- innerhalb der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstigen Verbindlichkeiten,
- innerhalb anderer finanzieller Verbindlichkeiten oder
- als einen separaten Posten in seiner Bilanz darstellt.
IAS 37.11(a) definiert Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen als "Schulden zur Zahlung von erhaltenen oder gelieferten Gütern oder Dienstleistungen, die vom Lieferanten in Rechnung gestellt oder formal vereinbart wurden". Darüber hinaus erläutert IAS 1.70, dass "einige kurzfristige Schulden, wie Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie Rückstellungen für personalbezogene Aufwendungen und andere betriebliche Aufwendungen, […] einen Teil des kurzfristigen Betriebskapitals [bilden], das im normalen Geschäftszyklus des Unternehmens gebraucht wird".
Das IFRS IC kam daher zu dem Schluss, dass ein Unternehmen eine finanzielle Verbindlichkeit nur dann als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen ausweist, wenn sie
- eine Verbindlichkeit zur Zahlung von Gütern oder Dienstleistungen darstellt,
- vom Lieferanten in Rechnung gestellt oder formal vereinbart wird und
- Teil des kurzfristigen Betriebskapitals ist, das im normalen Geschäftszyklus des Unternehmens gebraucht wird.
IAS 1.29 fordert von Unternehmen, "Posten einer nicht ähnlichen Art oder Funktion […] [gesondert darzustellen], sofern sie nicht unwesentlich sind". Zudem geht IAS 1.57 näher darauf ein, dass Posten hinzuzufügen sind, "wenn der Umfang, die Art oder die Funktion eines Postens oder eine Zusammenfassung ähnlicher Posten so sind, dass eine gesonderte Darstellung für das Verständnis der Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens relevant ist".
Mithin kam das IFRS IC zu dem Schluss, dass ein Unternehmen Verbindlichkeiten, die Teil einer Reverse-Factoring-Vereinbarung sind, gem. IAS 1:
- nur dann als Teil der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstigen Verbindlichkeiten darstellt, wenn diese Verbindlichkeiten eine ähnliche Art und Funktion wie die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen aufweisen, bspw. wenn sie Teil des im normalen Geschäftszyklus des Unternehmens verwendeten Betriebskapitals sind, und
- ansonsten gesondert darstellt, sofern aufgrund des Umfangs, der Art oder der Funktion dieser Verbindlichkeiten eine gesonderte Darstellung für das Verständnis der Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens erforderlich ist. Bei der Beurteilung, ob es notwendig ist, solche Verbindlichkeiten gesondert darzustellen (einschließlich der Frage, ob eine Aufteilung in Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und andere Verbindlichkeiten erforderlich ist), berücksichtigt ein Unternehmen die Beträge, die Art und den Zeitpunkt dieser Verbindlichkeiten (IAS 1.55 und IAS 1.58).
Das IFRS IC stellte fest, dass ein Unternehmen bei der Beurteilung, ob es Verbindlichkeiten, die Teil einer Reverse-Factoring-Vereinbarung sind, gesondert darstellt, bspw. folgende Faktoren berücksichtigt:
- ob als Teil der Vereinbarung zusätzliche Sicherheiten bereitgestellt werden, die ohne die Vereinbarung nicht bereitgestellt worden wären;
- das Ausmaß, in dem s...