Prof. Dr. Peter Wollmert, Prof. Dr. Peter Oser
Der Rangrücktritt ist ein bewährtes Instrument der Sanierungspraxis, um den Eintritt einer insolvenzrechtlichen Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) zu vermeiden oder – falls diese bereits eingetreten ist – zu beseitigen. Denn gem. § 39 Abs. 2 InsO werden Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, im Überschuldungsstatus nicht bei den Verbindlichkeiten des Schuldners berücksichtigt (überschuldungsbeseitigender Rangrücktritt). Erforderlich ist eine zweiseitige Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner (Vertrag), durch die der Gläubiger seinen Anspruch auf Leistung – bis zur Überwindung der Krise der Gesellschaft – hinter die Forderungen aller gegenwärtigen und künftigen Gläubiger subordiniert und Erfüllung nur noch aus einem künftigen Gewinn, Liquidationsüberschuss und/oder sonstigem freien Vermögen der Gesellschaft verlangen kann (Besserungsabrede).
Zu den Anforderungen an einen Rangrücktritt nach geltendem Insolvenzrecht vgl. Bilanz Check-up 2016, Kap. B 3.5, S. 81 ff.
Eine Rangrücktrittsvereinbarung ist kein Forderungserlass (§ 397 BGB), sondern ändert lediglich die Rangordnung, in der die (subordinierte) Forderung des Gesellschafters aus dem Vermögen der Gesellschaft befriedigt wird. Da die Verbindlichkeit nicht entfällt, ist sie nach h. M. in der Handelsbilanz (weiterhin) zu passivieren (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). Anderes gilt indes, wenn die Forderung – nach Maßgabe der Besserungsabrede – nur aus einem künftigen Gewinn (Jahresüberschuss oder Bilanzgewinn) zu erfüllen ist, weil insoweit die Verbindlichkeit nicht das gegenwärtige, sondern nur künftiges Vermögen belastet (vgl. weiterführend Bilanz Check-up 2018, Kap. A 1.12, S. 53 ff.; Bilanz Check-up 2017, Kap. A 4.12, S. 73 ff.).
In der Steuerbilanz richtet sich die Behandlung von Verbindlichkeiten, für die ein Rangrücktritt erklärt wurde, danach, ob die Verbindlichkeit (1) nur aus künftigen Gewinnen oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss oder (2) zusätzlich auch aus sonstigem freien Vermögen zu erfüllen ist. Im Fall (1) ist die Verbindlichkeit in der Steuerbilanz nach § 5 Abs. 2a EStG (ertragswirksam) aufzulösen (so BFH, Urteil v. 30.11.2011, I R 100/10, BStBl 2012 II S. 332), wohingegen im Fall (2) die Passivierung der Verbindlichkeit auch in der Steuerbilanz – analog zur Handelsbilanz – beibehalten wird.
Kernaussage
Bei der Formulierung einer Rangrücktrittsvereinbarung ist mit Rücksicht auf den Parteiwillen besondere Sorgfalt geboten. Wollen die Vertragsparteien eine Auflösung der Verbindlichkeit in der Steuerbilanz vermeiden, ist zu empfehlen, in die Besserungsklausel auch eine Erfüllung der subordinierten Forderung aus dem sonstigen freien Vermögen der Gesellschaft aufzunehmen.
Die Verbindlichkeit ist selbst dann zu passivieren, wenn der Schuldner am Abschlussstichtag kein frei verfügbares Vermögen ausweist und aufgrund einer fehlenden operativen Geschäftstätigkeit (absehbar) auch nicht in der Lage sein wird, freies Vermögen zu schaffen, weshalb eine tatsächliche Belastung des Schuldnervermögens voraussichtlich nicht eintreten wird. So hat es der BFH (BFH, Urteil v. 19.8.2020, XI R 32/18, BStBl 2021 II S. 279) entschieden und damit klargestellt, dass es allein auf den rechtlichen Gehalt, nicht aber auf die tatsächliche Durchführbarkeit der Durchsetzungs- und Erfüllungssperre (sog. Zahlungsverbot) ankommt.
Diese Rechtsprechung schafft für die Praxis Rechtssicherheit; das ist zu begrüßen. Mit Recht betont der BFH neuerlich, dass die Vermögenslosigkeit des Kaufmanns allein nicht die Auflösung einer (gewissen oder ungewissen) Verbindlichkeit rechtfertige. Indes vermag die Entscheidung des BFH dogmatisch nicht zu überzeugen: Eine subordinierte Verbindlichkeit, die aus einem sonstigen freien Vermögen zu erfüllen ist, das – wie künftige Gewinne und Einnahmen – erst nach dem Stichtag (z. B. durch Einlagen der Gesellschafter) geschaffen werden muss, belastet das Vermögen der Gesellschaft am Stichtag nicht; sie darf weder in der Handelsbilanz noch in der Steuerbilanz passiviert werden (so Oser, EWiR 2021, S. 163).
Literaturtipps
Oser, Pflicht zur Passivierung einer subordinierten Verbindlichkeit bei Erfüllung aus sonstigem freien Vermögen, EWiR 2021, S. 163 f.
Seppelt, Zur Passivierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt, BB 2021, S. 111 ff.