Dr. Walter Schmidt, Dipl.-Ing. Rainer Vieregge
Aktives Controlling im Steuerungskreislauf
Eine Steuerung setzt stets einen messbaren Zielwert voraus. Wohin sollen die Prozesse gesteuert werden? Was sollen sie erreichen? Was sind konkret die gewünschten Ergebnisse? Wer legt sie fest? Es ist eine Balance von Interessen zu beachten – das sind in erster Linie Interessen der Kunden, aber ebenso auch die aller anderen relevanten Stakeholder inklusive der Gesellschafter und der Führungskräfte. Je besser die Anforderungen an den erwarteten Output und seine Wirkungen formuliert sind, desto fokussierter kann die Gestaltung des Prozesses erfolgen. Das erweiterte Kano-Modell (s. Abb. 22) teilt die Anforderungen der Stakeholder in
- Basisanforderungen,
- Leistungsanforderungen und
- Begeisterungsanforderungen.
Abb. 22: Das erweiterte Kano-Modell
Prozessoutputs müssen auf Marktanforderungen ausgerichtet werden
Welche dieser Anforderungen erfüllt werden sollen, muss vor Beginn der Leistungserbringung geklärt sein. Zudem verändert sich dieses Set der Anforderungen stetig im Zeitablauf (Begeisterungsanforderungen werden zu Leistungsanforderungen, Leistungsanforderungen zu Basisanforderungen). Es ist also immer wieder erforderlich, die Anforderungen klar zu dokumentieren und die Prozesse daraufhin so anzupassen, dass sie genau diese Anforderungen erfüllen und die erstellten Produkte und Leistungen zu einer hohen Zufriedenheit der Stakeholder führen bei gleichzeitig mindestens kostendeckender Vergütung dieser Leistungen. Wenn möglich sollten diese Kundenanforderungen in einem Service Level Agreement (SLA) oder Lastenheft niedergeschrieben werden, insbesondere bei Shared Service Centern bzw. an Lieferanten ausgelagerten Prozessen.
Hier ist darauf zu achten, dass der Output eines einzelnen Prozesses nur ein Schritt in der Wirkungskette ist und dass er in Folgeprozessen erhebliche Auswirkungen auf die Wertrealisierung und die Kundenzufriedenheit hat. Diese Vernetzung von Prozessen – auch über die Unternehmensgrenzen hinaus – erfordert, dass jedes Unternehmen genau festlegt und steuert, wie die Schnittstellen zu anderen Unternehmen und deren Prozessen sind. Gerade in der Prozessvernetzung sollte besser in Nahtstellen als in Schnittstellen gedacht werden (s. Abb. 23).
Abb. 23: Positionierung des eigenen Unternehmens
Ermittlung des Prozessmodells
In Partnernetzwerken ist die Anwendung des Wirkungsstufenmodells (s. Abb. 16) mit Output, Outcome und Outflow besonders zu empfehlen.
Die Festlegung, welche Prozesse das Unternehmen braucht und welche es demnach steuern muss, entscheidet sich aufgrund der strategischen Einordnung des Unternehmens in die Wertschöpfungskette.
- Welche Tätigkeiten übernehmen Lieferanten, was kann man sinnvoll an diese auslagern, um sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren?
- Welche konkreten Leistungen erwartet der (interne bzw. externe) Kunde?
- In welchen Märkten haben die Kunden welche unterschiedlichen Anforderungen?
- Welche sonstigen Stakeholder sind zu berücksichtigen und welche Anforderungen haben diese?
Aus den Antworten auf diese Fragen bildet sich das Tätigkeitsfeld des eigenen Unternehmens. Und alle diese Tätigkeiten lassen sich in Typen von Prozessen bündeln. Auf diese Weise entsteht das Prozessmodell des Unternehmens: Im Rahmen der strategischen Positionierung werden die Prozesse eines Unternehmens definiert. Das ist allerdings nur eingeschränkt richtig. Implizit gibt es immer Prozesse im Unternehmen, auch wenn diese nicht aktiv gesteuert werden. Wir müssen jene Prozesse festlegen (und im Prozessmodell abgestimmt darstellen), die wir explizit gestalten wollen.
Da jeder Prozess auf einen Kunden oder Leistungsnehmer ausgerichtet sein sollte, ist es nur konsequent, dass sich Prozesse ändern, ggf. sogar auf oberster Ebene des Prozessmodells, wenn sich die Rahmenbedingungen bei Kunden und/oder Lieferanten ändern. Der Prozessmanager muss diese Veränderungen erkennen und in "seine" Prozesse einbauen.
Kriterien für die Legitimation von Prozessen
Ein Prozess in einem Unternehmen hat nur dann eine Existenzberechtigung, wenn er einen Kunden (intern oder extern) hat, der den Output eines jeweiligen Prozesses nachfragt und bereit ist, dafür mindestens so viel Geld zu bezahlen, wie die Erzeugung des Outputs gekostet hat (Prozesskosten). Insgesamt muss die angemessene Einkommenssicherung für alle beteiligten Stakeholder erreicht und zudem ein Überschuss für die Weiterentwicklung des Unternehmens verbleiben.
Die Anforderungen an einen Prozess sollten möglichst klar formuliert sein.
Sofern diese Anforderungen nicht mehr erfüllt sind, ist eine Veränderung des Prozesses erforderlich. Diese kann unterschiedlich intensiv sein (bis hin zum Re-Engineering) und ist Aufgabe des Prozessmanagers