Prof. Dr. Jana Heimel, Daniel Mönch
Effizienz der Finance-Prozesse
Die Frage, wie die Finance-Prozesse innerhalb eines Unternehmens zu organisieren sind, gewinnt in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. So rücken gerade die Finance-Prozesse verstärkt in den Fokus von Optimierungs- und Effizienzprojekten.
Bei Betrachtung der Horváth & Partners CFO-Studie 2014 wird deutlich, dass diese Entwicklung längst noch nicht abgeschlossen ist. Über 80 % der befragten Unternehmen erwarten in diesem Bereich eine weitere Neuausrichtung und Reorganisation der Prozesse. Fokus-Themen sind laut Studie weiterhin die Zentralisierung und Bündelung von Prozessen in Shared Service Center bzw. die Optimierung und Weiterentwicklung von bestehenden SSC-Strukturen.
Bei der Betrachtung der organisatorischen Abbildung der definierten Finance-Prozesse gilt es im Wesentlichen zwei Fragen zu beantworten.
- Wie sind die Finance-Prozesse organisiert? Diese Frage zielt auf den Zentralisierungsgrad der Prozesse innerhalb des Unternehmens ab.
- Wo werden die Finance-Prozesse ausgeführt? Diese Frage hat die lokale oder räumliche Verankerung der Prozesse im Fokus.
Zentralisierungsgrad der Finance-Prozesse
In Bezug auf den Zentralisierungsgrad gibt es grundsätzlich drei Organisationsformen. Es besteht die Möglichkeit,
- die Finance-Prozesse verteilt auf mehrere Einheiten im Unternehmen abzuwickeln ("in-house fragmentiert"),
- diese in einem eigenen organisatorischen Verantwortungsbereich als Dienstleistung zu zentralisieren ("in-house zentralisiert") oder
- die Prozessausübung gar an einen externen Drittanbieter zu verlagern ("outsourced").
Ort der Leistungserbringung
Bei der Frage nach dem "Wo?" ergeben sich ebenfalls drei generelle Varianten. Finance-Prozesse können
- im Herkunftsland des Unternehmens durchgeführt werden ("onshore"),
- in nahen, kontinentalen Ländern beheimatet sein ("nearshore") oder
- aus weit entfernten Ländern, z. B. Übersee ("offshore"),
bedient werden.
Betrachtet man die organisatorische Ausgestaltung der einzelnen Prozesse in Bezug auf Zentralisierung und Lokalität, sollte dabei zwischen den Service- bzw. transaktionalen, wiederkehrenden Prozessen und den sog. Management-Prozessen unterschieden werden. Service-Prozesse zeichnen sich durch einen hohen Grad an Standardisierung und Systemunterstützung (ERP) sowie durch eine hohe Anzahl an Wiederholungen aus. Management-Prozesse dagegen erfordern ein tiefergehendes fachliches Know-how und werden in unterschiedlichen Unternehmensbereichen benötigt.
Bündelung von Managementprozessen
Speziell die transaktionalen Finance-Prozesse, wie Kreditoren- oder Debitorenbuchhaltung, sind prädestiniert für die Bündelung und Zusammenführung in zentralen Shared-Service-Organisationen. Neben der Steigerung der Qualität durch einheitliche Vorgaben und eine eindeutige Governance, liegt hier der Fokus vor allem auf einer Kostensenkung durch die Realisierung von Skaleneffekten ("Economies of Scale").
Verstärkt wird aber auch bei den Management-Prozessen über Optimierung und Zentralisierung nachgedacht. In der Praxis finden sich in mehr und mehr Unternehmen bereits sog. "Closing Factories", die die gesamte Abschlusserstellung bündeln, "Consolidation Factories" oder "Tax Expert Centers". Dabei steht in den geschilderten Bereichen nicht zwingend die Reduktion der Kosten im Vordergrund. Die Bündelung der Prozesse soll vor allem zu einem besseren Austausch und einer höheren Spezialisierung innerhalb des Finance-Bereichs führen, um so eine Steigerung der Prozessqualität und -stabilität zu ermöglichen.
Outsourcing von Finance-Prozessen
Auch bei den Prozessen, die an einen externen Zulieferer ausgelagert sind, zeigt sich ein vergleichbares Bild. Gerade Service-Prozesse eignen sich idealerweise für das Outsourcing, wohingegen die Management-Prozesse gerne im Unternehmen "gehalten" werden. Eine Ausnahme bildet dabei der Prozess Steuern. Insbesondere in kleineren oder mittleren Unternehmen werden Tätigkeiten rund um die Steuererklärung und Steuerbilanz häufig von externen Steuerberatern übernommen.
Analog zur gewählten Organisationsform muss auch die regionale Ausrichtung der Prozesse betrachtet werden. Gerade die Prozesse, die sich für eine organisatorische Zentralisierung eignen, bieten Potentiale für eine Verlagerung ins nahe oder weiter entfernte Ausland.
Evolutionsstufen der Finance-Prozesse
In Unternehmen lassen sich dabei oftmals ähnliche Evolutionsstufen in Bezug auf die Prozessentwicklung erkennen. Als initiale Aktivität werden die Finance-Prozesse i. d. R. lokal optimiert, bevor eine Bereichs- bzw. Länder-übergreifende Harmonisierung vorangetrieben wird. Diese Standardisierung wird häufig begleitet durch die organisatorische Bündelung in Form von Shared Service Centern. Dabei bestehen zwei generelle Varianten:
- Variante 1 "Fix and Ship", d. h. zuerst werden die relevanten Prozesse vereinheitlicht und dann erfolgt die Übernahme in das Shared Service Center.
- Variante 2 "Ship and Fix", d. h. Übernahme der Prozesse in das Shared Service Center mit anschließend...