Prof. Dr. Martin Tschandl, Prof. Dr. Paul Hofmann
Zusammenfassung
- Forecasting hat eher eine Planungs- oder Motivationsfunktion, und ist weniger auf die Feinsteuerung im operativen Controlling ausgerichtet.
- Die Anwendung einer Kombination aus rollierenden Forecasting, Treiber- und Artificial Intelligence (AI)-Modellen trägt dazu bei, die Genauigkeit von Prognosen zu verbessern.
- Rollierende Forecasting-Methoden können aktuelle interne als auch externe Daten fortlaufend in die Prognose einbeziehen, was zu einer dynamischeren und genauer auf die aktuellen Gegebenheiten abgestimmten Vorhersage führt.
- Die Integration von AI-Modellen erweitert die Prognosefähigkeiten durch die Nutzung komplexer Algorithmen. AI-Modelle sind in der Unternehmenspraxis noch in einer frühen Entwicklungsphase, die Unternehmen planen jedoch für die kommenden Jahre signifikante Investitionen in dieses Thema.
1 Die Einordnung des Forecasting
Vorhersagen zum Erhalt oder dem Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit gewinnen in einer zunehmend von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägten VUCA-Welt an Bedeutung. Prognosen zukünftiger Begebenheiten und Entwicklungen auf Basis von Erfahrungen, Daten und Informationen sowie statistischen bzw. analytischen Methoden werden allgemein als Forecasting bezeichnet. Ziel von Forecasting ist es, Zukunftstrends, Nachfrageänderungen und Marktbewegungen vorherzusagen, um fundierte Entscheidungen und/oder Planungen zu ermöglichen.
Nicht selten wird Forecasting eine Feinsteuerungsfunktion zugesprochen. Dafür betreibt das Controlling im klassischen, operativen Controlling-Prozess als Unterstützung im Managementkreislauf 3 Systeme: Planung (Budgetierung), Kontrolle (Abweichungsanalyse und Forecasting) sowie Information (Reporting). Das Management kann bereits aufgrund der Information über Plan-Ist-Abweichungen und deren Begründung laufend Entscheidungen treffen, um die geplanten Ziele anzusteuern. Eine auf Grenz(plan)- und Sollkosten basierende Analyse bringt darüber hinaus detailliertere Steuerungshinweise aufgrund von Preis-, Verbrauchs- und Absatzabweichungen. Die Instrumente sind seit Jahrzehnten bekannt und vielerorts auch im Einsatz. Forecasts bringen hingegen zusätzliche Informationen: vereinfacht – wie wird es werden, wo werden wir landen? Das kann auch zu Hinweisen für notwendige Steuerungsentscheidungen führen, betont aber eher die Motivationsfunktion für allenfalls notwendige Anstrengungen zur Zielerreichung.
Die Überlappung zu Planung und Budgetierung erscheint deutlicher, wie schon der englische Begriff "predictive planning" (vorausschauende Planung) vermuten lässt. Die Budgetierung ist ein Planungs-, Kontroll- und Informationssystem, mit dem Unternehmen ihre Ziele über definierte (Rahmen-)Pläne erreichbarer machen. "Wer nicht plant, muss sich nach den Plänen anderer richten", wie ICV-Vorsitzender Heimo Losbichler den Controller Congress 2024 eröffnete. Forecasting kann im Rahmen der Budgetierung zukünftige Zielgebiete/-erreichungsgrade aufzeigen und so eine realistische und effektive Budgetierung unterstützen. In der Praxis werden solche errechneten "Leitplanken" häufig mit gewollten bzw. geplanten Zielen übersteuert. Wird das nicht gemacht, übernimmt ein Algorithmus die Planung und damit Entscheidung. Besonders deutlich wird die Planungsfunktion bei Rollierenden Forecasts bzw. Rollierender Planung. Hier nutzen Unternehmen rollierende Prognosen als ergänzendes Instrument zur Unterstützung der jährlichen Budgetierung, weshalb rollierende Prognosen mit dem jährlichen Budgetierungsprozess verknüpft sind. Weitere Funktionen liegen in der operativen (kurzfristigen) Planung (beispielsweise von Kunden- bzw. Materialbedarfen), Koordination oder Ressourcenallokation.
Ziel dieses Beitrags ist es, einen Überblick über die grundlegenden Konzepte und Prinzipien des Forecasting und die Forecasting-Methoden zu liefern, um dann speziell auf vier moderne Forecast-Arten einzugehen. Zwei Praxis-Beispiele für Forecasting mittels AI und Machine Learning (ML; hier AutoML) zeigen Potenziale zukünftiger Forecasting-Möglichkeiten auf.
2 Der Status im Forecasting
Der Vorgehensprozess im Forecasting wird nach Moon in sieben Schritte unterteilt, wobei systematische Feedbackmöglichkeiten die Genauigkeit und Validität erhöhen (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Prozessvorgehen zur Forecast-Ermittlung
- Zu Beginn des Prozesses wird inhaltlich definiert, welche Werte für welchen Zeitraum und allenfalls welche Region zu prognostizieren sind. Dies können monetäre Werte wie Umsatz, Kosten oder Gewinn sein, aber auch nicht-monetäre Forecasts, wie Bestände oder Kapazitäten. In der Unternehmenspraxis kommt Forecasting als Grundlage für Planung/Budgetierung in erster Linie als Year-to-End-Forecast (zum Ende des laufenden Jahres) vor.
- Dazu wird im zweiten Schritt die anzuwendende Forecast-Methode gewählt, wobei zwischen qualitativen, quantitativen oder kombinierten Methoden unterschieden wird. Qualitative, meinungsbasierte Prognosen sind zwar einfach anzuwenden, gelten jedo...