Prof. Dr. Martin Tschandl, Christopher Mallaschitz
Digitale Produktion meist nur Insellösungen
IT-Systeme und Ansätze einer Digitalisierung der Produktion sind ansatzweise in den Unternehmen vorhanden, jedoch oft nur in einzelnen Organisationseinheiten und als Insellösungen. Es ist daher das Ziel der digitalen Produktion, die wertschöpfenden Prozesse produzierender Unternehmen zu beschleunigen, qualitativ zu verbessern und kostengünstiger zu gestalten sowie erzeugte Produkte hinsichtlich des magischen Dreiecks Zeit, Qualität und Kosten zu optimieren. Für die dazu notwendige digitale Transformation werden neue Datenquellen (Internet of Things – IoT), die stärkere Vernetzung innerhalb von Organisationen und die Automatisierung von Unternehmensprozessen notwendig.
Vertikale und horizontale Integration
Dabei stellt die IT-Integration eine wichtige Anforderung an heutige Softwarelösungen im Gegensatz zu den funktionsorientierten Insellösungen in der Vergangenheit dar. Bei horizontaler Integration werden auf gleicher Organisationsebene ausgerichtete IT-Systeme integriert, beispielsweise auf der Unternehmensleitebene ERP-, SRM- und CRM-Systeme. Dies gilt sowohl innerhalb des Unternehmens als auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Vertikale Integration meint hingegen die funktionsbereichsorientierte Integration über Unternehmensebenen hinweg, beispielsweise die Integration von ERP-Systemen auf der Unternehmensleitebene mit MES-Systemen auf der Fertigungsleitebene.
Status der digitalen Reife
Infolge beschreibt digitale Reife den Status eines Unternehmens in der digitalen Transformation bis hin zu neuen Geschäftsmodellen. Eine Studie der Commerzbank zeigt, dass es ca. 15 % "Digitale Innovatoren" unter den Unternehmen gibt, welche die Digitalisierung intensiv nutzen, beispielsweise durch eine Vernetzung ihrer Wertschöpfungsketten, Digitalisierung ihre Produktion und Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen. Der Großteil der Unternehmen, insbesondere bei KMU, hat die Organisation aber noch nicht an die digitale Technologie angepasst.
Abb. 5: Nutzen und Umsetzungsfortschritt von aktuellen digitalen Entwicklungen
Dabei werden auch die Entstehung neuer Datenquellen (IoT), die stärkere Vernetzung innerhalb von Organisationen und die Automatisierung von Unternehmensprozessen als Bestandteile der digitalen Transformation genannt.
Anforderungen an das Controlling
Big Data und Analyse
Die durch Digitalisierung und Industrie 4.0 erwarteten Veränderungen von Produkten und Prozessen beeinflussen nicht nur die Art und Weise der Produktion, sondern auch des Controllings wesentlich, speziell aufgrund des Verlangens nach größerer Transparenz und verbessertem Prozessverständnis. So können beispielswiese das zukünftige Systemverhalten, Erkennen von Zusammenhängen oder Verbesserungen in den Prozessen aufgezeigt werden. Basis hierfür ist der Erfassung von Daten (beispielsweise Qualitätsdaten in der Produktion mittels Sensoren, Lokalisierung von Produktion durch RFID) und deren Auswertung mittels statistischen Methoden, Data Mining oder Big Data Ansätzen. Diese Werkzeuge verlangen vom Controlling zukünftig erweitertes Knowhow im Bereich Algorithmen, Statistik und Datenanalyse, um nicht in Zukunft Entscheider-nahe Aufgaben an andere (neue) Funktionen zu verlieren (Stichwort: Data Analyst).
Daten sammeln vs. konzeptives Vorgehen
Allerdings besteht in digitalisierten Unternehmen die Gefahr einer Datenflut: Welche Daten aus der Betriebsdatenerfassung, welche Daten aus neu zu implementierenden Sensoren sind notwendig? Das Produktionscontrolling hat vor Einführung neuer Industrie 4.0-Prozesse die Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit dafür notwendiger Sensoren, Embedded Systems und Datenbanken zu hinterfragen. "Bei jedem Datenerfassungspunkt muss klar sein, warum und für welchen Zweck Daten an exakt diesem Punkt der Lagerhaltung oder der Produktion erfasst werden." Auf der anderen Seite stehen die noch nicht bekannten Nutzen von Daten, die jetzt noch gar nicht bekannt sind, zukünftig aber zu neuen Geschäftsmodellen führen könnten.