Dr. Ralf Sauter, Dr. Maximilian Bode
Hohe Qualität bei niedrigen Preisen – Herausforderung für die Produktentwicklung im Verdrängungswettbewerb
Auftragsrückgänge sowie erschwerte Finanzierungsmöglichkeiten zwingen Unternehmen, ihre aktuellen F&E-Vorhaben kritisch zu überprüfen. Dabei werden sowohl die geplanten als auch die laufenden Entwicklungsprojekte bewertet. Dass das Stärken der Innovationsfähigkeit gerade in schwierigen Zeiten wichtig ist, ist in Expertenkreisen unbestritten. Zahlreiche aktuelle Publikationen belegen diese Aussage. Innovative Produkte ermöglichen nicht nur eine Differenzierung auf globalisierten Märkten, sondern auch die Schaffung neuer Märkte und somit eine Steigerung der Umsätze. Dieser Sachverhalt gilt besonders in Zeiten der Rezession, da etablierte Rollenverteilungen auf den Märkten aufgebrochen werden und sich innovative, anpassungsfähige Unternehmen Wettbewerbsvorteile sichern können. Die Voraussetzung ist, dass die neuen Produkteigenschaften dem Bedarf der Kunden entsprechen und der Zielpreis marktgerecht angesetzt wird.
Markt- und kostenorientierte Produktentwicklung
Sowohl Produktbenchmarking als auch Target Costing sind unterstützende Methoden für eine konsequente markt- und kostenorientierte Produktentwicklung. Produktbenchmarking ist dabei ein systematischer Prozess, der die Funktionalitäten, deren technische Umsetzung sowie die Kosten der eigenen Produkte an denen anderer Unternehmen misst, um daraus Erkenntnisse für die eigene Produktentwicklung und -positionierung abzuleiten. Als Produkte sind dabei sowohl physische Produkte, Software als auch Dienstleistungen zu sehen.
Target Costing bildet wiederum einen weiterführenden Rahmen für das Produktbenchmarking. Beim Target Costing steht die Frage im Vordergrund: Was darf das Produkt kosten? Vom wettbewerbsfähigen Marktpreis wird die Gewinnmarge abgezogen. Ergebnis sind die allowable costs, aus denen die Targets, also die Zielvorgaben der Kosten abgeleitet werden. Als integrative Methode des Produktkostenmanagements eignet es sich, die aus dem Benchmarking gewonnenen Erkenntnisse für die eigene Produktentwicklung einzusetzen. Durch die Kombination der Instrumente kann so ein wettbewerbsfähiges Produktdesign erarbeitet und effektiv umgesetzt werden.
Katalysiert durch die aktuelle wirtschaftliche Situation erlangen die Methoden aus verschiedenen Gründen eine erhöhte Aufmerksamkeit:
Stärkere Kosten-Nutzen-Betrachtung durch zunehmenden Preisdruck
Je stärker die Kosten in den Managementfokus rücken, desto härter werden die Zielvorgaben für die Einkaufsabteilungen. Dies gilt nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch bei den Kunden. Denn der Einkauf wird stets als Hebel für kurzfristig durchsetzbare Einsparungen gesehen. Einkaufsentscheidungen werden deshalb mit besonderer Achtsamkeit durchgeführt. Neben dem Preis wird auch die Notwendigkeit bestimmter Funktions- und Leistungseigenschaften überprüft. Aus Sicht des Produzenten können nur dann die erhofften Preise realisiert werden, wenn diese Spezifikationen genau auf die Anforderungen der Kunden abgestimmt sind. Produkte, die nicht exakt die Kundenanforderungen erfüllen, werden in einem Käufermarkt kaum erfolgreich sein.
Für die Produktentwicklung bedeutet das, den "Nerv" des Kunden sowie die Kostenziele zielsicher treffen zu müssen. Die Methoden Target Costing und Produktbenchmarking wurden mit genau dieser Zielsetzung bereits in der Vergangenheit erfolgreich eingesetzt.
Zunehmende Bedeutung der Emerging Markets
Sogenannte Schwellenländer werden längst nicht mehr als reine Outsourcing-Gelegenheiten gesehen, um (Faktor-)Kostenvorteile für den Wettbewerb auf den westlichen Märkten zu realisieren. Länder wie Indien, China oder Brasilien sind als zukunftsweisende Absatzmärkte erkannt worden. Allerdings unterscheiden sich sowohl die Kundenanforderungen als auch das Preisniveau stark von den Gegebenheiten auf den westlichen Märkten. So verlangen die Kunden aufgrund lokaler Unterschiede in Infrastruktur, Klima oder Ausbildungsniveau von Mitarbeitern stärker nach möglichst günstigen und robusten Mid-Tech- oder Low-Tech-Lösungen. Die Fähigkeit, derartige Produkte rentabel zu fertigen, ist vielen Unternehmen in Deutschland abhandengekommen und muss erst wieder aufgebaut werden. Gleichzeitig konkurrieren lokale Anbieter in diesen Segmenten zunehmend direkt mit den Herstellern westlicher Produkte. Schaffen es westliche Unternehmen nicht, Marktanteile in dieser Phase des Wachstums zu sichern, verpassen sie die Möglichkeit, diese zukunftsträchtigen Märkte mitzugestalten (z. B. durch Schaffung von Standards). Diese Konstellation führt zu einem enormen Wettbewerb, bei dem nur Unternehmen mit intelligenten und kostenoptimierten Produkten bestehen können.
Priorisierung und selektive Projekt- und Produkt-Portfoliosteuerung
Sich verknappende interne Budgets setzen auch das Produktmanagement unter Druck: Neuentwicklungsprojekte werden verstärkt anhand ihrer Renditeerwartungen bewertet, um Kosten und Nutzen miteinander abwägen zu könne...