Zusammenfassung
Das Zinsniveau einer Währungszone ist politisch bestimmt. Niedrige Zinsen, von der EZB durch ihre Zinspolitik bisher herbeigeführt, sollen die Banken dazu bringen, Kredite preiswert an die Unternehmen weiterzugeben, damit von diesen zusätzliche Investitionen getätigt werden. Für die sichere Anlage freier kurzfristiger Liquidität mussten die Banken sogar Negativzinsen an die Zentralbanken zahlen. Kleine und mittlere Unternehmen haben versucht, ein günstiges Zinsniveau für ihren Bedarf an Fremdkapital auch langfristig zu sichern. Die Banken haben in solchen Situationen ausreichend Kapital zur Verfügung, da der niedrige Zins immer auch ein Zeichen eines Überangebots an Finanzmitteln oder von fehlender Nachfrage nach Fremdkapital ist. Dennoch konnte nicht jeder aktuelle und zukünftige Kreditbedarf gedeckt werden. Die Banken hatten ihre Anforderungen an Kreditnehmer nicht reduziert, sie vergaben auch während der Niedrigzinsphase Kredite nur an solvente Kunden. Hinzu kam das Zögern vieler Unternehmen, die auf weiter sinkende Zinsen oder zumindest auf ein länger andauerndes Zinstief gehofft haben.
Aktuell gibt es eine Wende auf dem Kreditmarkt, die Zinsen steigen wieder. Die Zentralbanken werden den Leitzins erhöhen, das Verwahrgeld (der Negativzins) wird verschwinden. Jetzt ist es an der Zeit, die noch immer günstigen Zinsen mittel- und langfristig zu sichern und vielleicht auch eine besondere Investition durchzuführen.
1 Entwicklung des Zinsniveaus
Der EURIBOR ist bei vielen Krediten die Messlatte für die Festlegung der Zinshöhe. Bei Festzinskrediten wird der Zins im Moment der Vertragsunterzeichnung mit dem EURIBOR (6 Monate) + der Marge für die Bank fixiert. In den vergangenen 15 Jahren hatte dieser Indexzinssatz ein Maximum von 5,22 % (September 2008). Bei einer Marge für die Bank, die auch abhängig ist vom Rating des Kreditnehmers von z. B. 3 %, betragen die Zinsen für Kredite, die im September 2008 aufgenommen wurden, 8,22 %. Das geht auch preiswerter. Wer z. B. im Januar 2021 den Kredit unter gleichen Bedingungen aufgenommen hat, zahlt nur noch 2,50 %, da der EURIBOR zu dieser Zeit negativ (-0,50 %) war. Der aktuelle Wert für den EURIBOR (6 Monate) im Juli 2022 liegt bei ca. 0,5 %. Damit scheint die Zinswende begonnen zu haben.
Die steigende Inflation in allen Staaten der EU und insbesondere in den USA lassen steigende Leitzinsen der Zentralbanken erwarten, über das bisher angekündigte Ziel hinaus. Das hat bereits jetzt Auswirkungen auf die Zinsen, die für Unternehmenskredite zu zahlen sind. Die Finanzsituation jedes Unternehmens ist individuell zu bewerten. In der Praxis findet sich kaum eine Situation, die nicht durch die Nutzung der aktuellen noch niedrigen Zinshöhe verbessert werden könnte. Aufgabe des Rechnungswesens ist es, die Entwicklung genau zu beobachten und die Zukunft einzuschätzen, die möglichen Alternativen zu prüfen und Vorschläge für die notwendigen Aktivitäten zu machen.
2 Analyse der aktuellen Finanzsituation
Das Kapital des Unternehmens stammt grundsätzlich aus zwei Quellen: das Eigenkapital kommt von den Eigentümern, das Fremdkapital kommt zum größten Teil von den typischen Fremdkapitalgebern, den Banken. Alternative Kapitalgeber sind vor allem die Lieferanten, die mit großzügigen Zahlungskonditionen locken. Eine günstige Zinssituation sollte genutzt werden, um zum einen das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital zu verbessern. Zum anderen kann innerhalb des Fremdkapitals eine Kostenoptimierung vorgenommen werden.
2.1 Eigenkapitalquote
Das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung wird durch die Eigenkapitalquote dargestellt. Bei einer Quote von 50 % ist die Hälfte des in der Bilanz ausgewiesenen Vermögens mit Eigenkapital finanziert, die andere Hälfte mit fremden Mitteln. Je höher die EK-Quote ist, desto solventer erscheint das Unternehmen. Ist die Quote niedrig, ist die Aufnahme von Fremdkapital schwierig, eine hohe Quote erschwert das Erreichen einer vernünftigen Rendite für das eingesetzte Kapital. Niedrige Zinsen machen es wirtschaftlich, sowohl eine Senkung als auch eine Erhöhung der Quote auf die optimale Größe durchzuführen.
- Ist das Eigenkapital höher als notwendig, wird es von den Fremdkapitalgebern weniger geschätzt. Es kann teilweise durch preiswertes Fremdkapital mit langfristig gesichertem Zins ersetzt werden. Voraussetzung ist, dass die Eigentümer das an sie zurückfließende ehemalige Eigenkapital gewinnbringend verwenden können. Das erscheint in Zeiten steigender Zinsen möglich, wenn es gelingt, das Unternehmen noch mit günstigen Krediten zu versorgen und das so freigesetzte Kapital mit höherer Rendite anzulegen.
- Ist das Eigenkapital zu niedrig, können die Eigentümer jetzt neue finanzielle Mittel in das Unternehmen einbringen. In einer Niedrigzinsphase können sich die Eigentümer privat preiswertes Geld von der Bank leihen und damit ihren Anteil am Unternehmen aufstocken. Das ist allerdings nur sinnvoll, wenn die erwartete Eigenkapitalrendite höher ist als die Zinsen, die von den Eigentümern an die Bank gezahlt werden müssen. Wenn die Eigentümer üb...