Prof. Dr. Gerd Waschbusch
Rz. 7
An der Spitze der Vorschriften über Unternehmensverträge steht § 291 AktG, der zusammen mit § 292 AktG festlegt, welche Vertragsarten das Aktienrecht unter dem Begriff "Unternehmensverträge" zusammenfasst. Die Bezeichnung "Unternehmensvertrag" dient dabei dem rechtstechnischen Zweck einer sprachlichen Vereinfachung und ist als Oberbegriff zu verstehen. Die Verwendung eines Oberbegriffs ermöglicht es, gesetzessystematisch zunächst gemeinsame Vorschriften für alle Unternehmensverträge zu definieren, namentlich die §§ 293–299 AktG, denen dann spezielle Vorschriften für bestimmte Unternehmensverträge folgen, bspw. für Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge die §§ 300–307 AktG und die §§ 308–310 AktG.
Rz. 8
Im Ersten Abschnitt des Ersten Teils des Dritten Buches des Aktiengesetzes werden zwei sehr unterschiedliche Institutionen von Unternehmensverträgen behandelt. Nach h. M. gelangen allerdings die Regelungen der §§ 291 und 292 AktG unmittelbar nur dann zur Anwendung, sofern die verpflichtete (abhängige) Gesellschaft in der Rechtsform der AG oder KGaA im Inland auftritt, was jedoch nicht ausschließt, dass auch Unternehmen anderer Rechtsformen Unternehmensverträge abschließen können. So ist es bspw. für die GmbH zweifelsfrei möglich, Teil eines aktienrechtlichen Unternehmensvertrags zu werden.
Rz. 9
In § 291 AktG werden die sog. organisationsrechtlichen Unternehmensverträge definiert. Hierzu zählen der Beherrschungsvertrag und der Gewinnabführungsvertrag (vgl. Rz. 17 ff. und Rz. 37 ff.). Der in § 291 Abs. 1 Satz 2 AktG erwähnte Geschäftsführungsvertrag, durch den sich eine AG oder KGaA dazu verpflichtet, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen, gilt dabei als eine besondere Erscheinungsform des Gewinnabführungsvertrags. Im Anschluss daran regelt § 292 AktG die sog. anderen Unternehmensverträge, die als schuldrechtliche Verträge mit einem Austausch von Leistung und Gegenleistung eingeordnet werden (zur Rechtsnatur der anderen Unternehmensverträge vgl. Rz. 47). Hierunter fallen der Gewinngemeinschaftsvertrag (vgl. Rz. 48 ff.), der Teilgewinnabführungsvertrag (vgl. Rz. 56 ff.) sowie der Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag (vgl. Rz. 61 ff. und Rz. 67 ff.). Im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch nach h. M. ebenfalls als schuldrechtlicher Vertrag anerkannt und unter § 292 AktG zu subsumieren, ist der Betriebsführungsvertrag (vgl. Rz. 74 ff.).
Rz. 10
Während die organisationsrechtlichen Verträge des § 291 AktG in der vertraglichen Praxis häufig anzutreffen sind, scheint heute die Verbreitung der schuldrechtlichen Verträge des § 292 AktG mit Ausnahme von Teilgewinnabführungsverträgen in Form stiller Gesellschaftsverträge einer AG nur noch von geringer Bedeutung zu sein. Die nachfolgende Abb. 1 fasst die aktienrechtlichen Unternehmensverträge im Überblick zusammen.
Abb. 1: Die aktienrechtlichen Unternehmensverträge im Überblick
Rz. 11
Die Zuordnung von Vereinbarungen zwischen Vertragspartnern zu einem der Vertragstypen "richtet sich nach dem Inhalt aus der Gesamtheit seiner Bestimmungen". Vertragsgestaltungen, die nicht unter die zuvor genannten Unternehmensvertragsarten subsumiert werden können, sind keine Unternehmensverträge i. S. d. Aktiengesetzes.