Rz. 1156
Führt die GmbH im Rahmen des Cash Pooling überschüssige Liquidität an den Cash Pool-Leader ab, so berührt diese Gewährung eines Darlehens an die Mutter- oder Schwestergesellschaft (Upstream-Loan) die Kapitalerhaltungsregeln.
Rz. 1157
Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG stellt die Gewährung eines Upstream-Loans keinen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregel des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG dar, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch der GmbH gegen ihren Gesellschafter vollwertig ist und der Rückzahlungsanspruch auch die Leistung der Gesellschaft deckt (siehe dazu Rn. 1132 ff.).
Rz. 1158
Darlehen der GmbH an ihre Mutter- oder eine Schwestergesellschaft im Rahmen des Cash Pooling dürfen daher grundsätzlich nur gewährt werden, wenn
- das Darlehen marktgerecht verzinst ist (Deckungsgebot,
- der Darlehensrückzahlungsanspruch bilanziell voll aktivierbar ist (Vollwertigkeit), und
- sie nicht zur Zahlungsunfähigkeit der GmbH führen (vor dem Hintergrund von § 64 Satz 3 GmbHG).
Rz. 1159
Eine marktgerechte Verzinsung setzt mindestens die durch eine Bank bei einer entsprechenden Geldanlage gewährte Verzinsung (Tagesgeldkonto/Geldmarktsatz o. Ä. je nach Dauer der Darlehensgewährung) voraus. Für Darlehen im Rahmen des Cash Pooling kann jedoch ein hierüber liegender Haben-Zins zu gewähren sein, der die gegenüber einer Bankanlage erhöhten Risiken widerspiegelt bzw. den Vorteil des Konzerns, sich mittels des Cash Pooling günstiger zu finanzieren (v.a. Synergiegewinne), auch der GmbH zugutekommen lässt.
Rz. 1160
Maßstab für die Vollwertigkeit der Forderung ist eine vernünftige kaufmännische Beurteilung, wie sie auch bei der Bewertung von Forderungen aus Drittgeschäften im Rahmen der Bilanzierung (§ 253 HGB) maßgeblich ist. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Darlehensrückzahlung ist nach dem BGH nicht erforderlich. Jedoch hat die Geschäftsführung der GmbH die Gewährung des Upstream-Loans zu verweigern bzw. ist der Rückzahlungsanspruch nicht vollwertig, wenn zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung ein konkretes Ausfallrisiko besteht. Dies sollten Cash Pool-Vereinbarungen berücksichtigen.
Rz. 1161
Eine Besicherung ist für die Vollwertigkeit eines Rückzahlungsanspruchs beim Upstream-Loan nicht erforderlich – andernfalls kehrte man auf diesem Wege zu dem November-Urteil des BGH zurück, von dem sich dieser selbst distanziert hat. Die Leistung einer angemessenen Sicherheit kann jedoch dazu führen, eine ansonsten fehlende Vollwertigkeit zu begründen, indem sie bei der für die Bilanzierung erheblichen Schätzung des Ausfallrisikos bezüglich der Rückgewährforderung das Ausfallrisiko minimiert und ggf. sogar eliminiert.
Rz. 1162
Nach der Rechtsprechung des BGH trifft die Geschäftsführung der das Upstream-Loan gewährenden GmbH vor dem Hintergrund der Haftungsvorschrift des § 43 GmbHG zudem eine fortlaufende Überwachungspflicht. Sie muss fortwährend das Bonitätsrisiko bewerten und bei Verschlechterung desselben ggf. mit der Kündigung des Darlehens und/oder der Anforderung von Sicherheiten reagieren. Dies setzt die Implementierung eines Informations- und Frühwarnsystems sowie – was nach Stimmen in der Literatur bereits für die Frage der Vollwertigkeit des Anspruchs in Hinblick auf seine Durchsetzbarkeit Relevanz erlangen kann – entsprechender Kündigungs- bzw. Sicherungsrechte im Cash Pooling-Vertrag zugunsten der GmbH voraus. Im Konzern dürfte dies zwar auf faktische Schwierigkeiten stoßen, da es zu einer Umkehrung der üblichen Berichts- und Informationsströme führt, es ist jedoch nicht absehbar, dass der BGH diese Schwierigkeiten im Rahmen von Schadensersatzklagen gegen GmbH-Geschäftsführer zu deren Gunsten berücksichtigen wird. Zu empfehlen ist in jedem Fall eine genaue Dokumentation, die es der Geschäftsführung erlaubt, die Werthaltigkeit bzw. die ordnungsgemäße Reaktion auf einen Wertverfall der Rückforderung zu beweisen, da die Beweiserleichterungen zugunsten der Gesellschaft (und zulasten der Geschäftsführung) nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG auch für die GmbH gelten.
Rz. 1163
Neben der Geschäftsführung der GmbH ist auch deren den Cash Pool installierende Muttergesellschaft als (Allein-)Gesellschafterin der GmbH zur Überwachung der Vermögenslage der GmbH berufen. Sie muss die GmbH über negative Entwicklungen informieren, die sie befürchten lassen, ihren Pflichten aus dem Darlehensvertrag nicht mehr nachkommen zu können und der GmbH daneben die Möglichkeit einräumen, die eingelegten Mittel abzuziehen. Die Muttergesellschaft darf der GmbH nicht so viel Kapital entziehen, dass die GmbH zur Bedienung ihrer eigenen Verbindlichkeiten nicht mehr in der Lage und in ihrer Existenz gefährdet ist. Sie darf die GmbH auch nicht zu einer Darlehensvergabe veranlassen, wenn die Rückzahlung des Darlehens nicht sichergestellt ist und die GmbH bei einem Ausbleiben der Rückzahlung außerstande ist, ihre eigenen Verbindlichkeiten zu bedienen. Verstößt die Muttergesellschaft gegen diese Pflichten, kommt eine Haf...