Prof. Dr. Michael Preißer
Rz. 1749
Mit dem Steuersenkungsgesetz wurde das seit 1977 gültige körperschaftsteuerliche (Voll-) Anrechnungsverfahren mit Wirkung zum 1.1.2001 durch das sog. Halbeinkünfteverfahren (eigentlich: Halbeinnahmen- und -ausgabenverfahren) ersetzt. Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 ist die Ersetzung des Halbeinkünfteverfahrens durch ein Teileinkünfteverfahren ab dem Veranlagungszeitraum 2009 beschlossen worden. Das Teileinkünfteverfahren ist durch eine strikte Trennung der Besteuerung der Kapitalgesellschaft als Gesellschaft und der Besteuerung ihrer Anteilseigner (Gesellschafter) gekennzeichnet. Es handelt sich dabei um ein sog. klassisches Körperschaftsteuersystem, bei dem eine voneinander unabhängige Besteuerung auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene durchgeführt wird. Dies führt im Grundsatz dazu, dass – insbesondere bei mehreren Beteiligungsstufen – hinsichtlich der Steuerbelastung "Kumulationswirkungen" eintreten. Um die steuerliche Gesamtbelastung durch die doppelte Besteuerung der Gewinne einer Kapitalgesellschaft einmal auf Ebene der Gesellschaft und anschließend beim Gesellschafter (z. B. in Form von Dividenden) abzumildern, erfolgt die Besteuerung bei der Kapitalgesellschaft mit einem – im Vergleich zum Anrechnungsverfahren – abgesenkten und einheitlichen Körperschaftsteuersatz von 15 % (in den Veranlagungszeiträumen 2001 bis 2007: 25 %).
Rz. 1750
Beim Gesellschafter sind die ausgekehrten Gewinne zur Abmilderung der Doppelbesteuerung – abhängig von der Rechtsform des Gesellschafters – entweder:
- in voller Höhe nicht steuerpflichtig (so bei Kapitalgesellschaften), wobei 5 % der Auskehrung als nicht abziehbare Betriebsausgaben – und damit als steuerpflichtig – behandelt werden, § 8b KStG oder
- nur zu 60 % (natürliche Person, § 3 Nr. 40 EStG) steuerpflichtig; im Gegenzug können Aufwendungen auch nur zu 60 % steuerlich geltend gemacht werden, § 3c Abs. 2 EStG.
Rz. 1751
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers wird so insgesamt eine einmalige "Vollbesteuerung" der Gewinne einer Kapitalgesellschaft gewährleistet: Selbstverständlich tritt die Idealvorstellung einer einmaligen "Vollbesteuerung" zumeist nur für den dargestellten Grundfall ein.
Rz. 1752
Die steuerlichen Belastungswirkungen im Veranlagungszeitraum 2019 zeigt die folgende Übersicht, wobei die Gewerbesteuer und der Solidaritätszuschlag aus Vereinfachungsgründen außer Betracht bleiben:
Ebene der GmbH:
Gewinn vor Steuern |
100,00 |
./. KSt (15 %) |
./. 15,00 |
Gewinn nach KSt |
85,00 |
./. KapSt (25 %) |
./. 21,25 |
Auszahlung an den Anteilseigner |
63,75 |
Ebene des Anteilseigners (natürliche Person)
Rz. 1753
Auf der Ebene der Kapitalgesellschaft ergibt sich im Halb- und Teileinkünfteverfahren somit grundsätzlich eine definitive Körperschaftsteuerbelastung i. H. v. 15 % des zu versteuernden Einkommens (§ 23 Abs. 1 KStG). Diese Steuerbelastung ist endgültig und tritt unabhängig davon ein, ob die Gewinne thesauriert oder an die Anteilseigner ausgeschüttet werden. Da alle (steuerpflichtigen) Gewinne der Kapitalgesellschaft mit 15 % besteuert wurden, braucht eine Herkunft der Gewinne nicht mehr nachgehalten zu werden.
Rz. 1754
Um jedoch eine Besteuerung der an die Anteilseigner der Kapitalgesellschaft zurückgezahlten Einlagen zu verhindern, ist auch weiterhin zwischen den von der Kapitalgesellschaft selbst erwirtschafteten Gewinnen und den von den Gesellschaftern – aus versteuertem Einkommen – geleisteten Einlagen zu unterscheiden. Hierzu dient das von der Kapitalgesellschaft zu führende sog. steuerliche Einlagekonto (§ 27 KStG).
Rz. 1755
Die GmbH hat gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres auf dem steuerlichen Einlagekonto auszuweisen. Daraus ergibt sich, dass das EK einer GmbH für steuerliche Zwecke zunächst in das Nennkapital (Stammkapital der GmbH) und das übrige EK zu untergliedern ist. Nur die Einlagen in das übrige EK der GmbH finden im steuerlichen Einlagekonto ihren Niederschlag:
Nennkapital (Stammkapital) |
Übriges EK |
Gesellschaftereinlagen (soweit im Stammkapital ausgewiesen) |
Gesellschaftereinlagen (im steuerlichen Einlagekonto auszuweisen) |
In Nennkapital umgewandelte thesaurierte Gewinne (Sonderausweis nach § 28 Abs1KStG) |
Thesaurierte Gewinne |
Rz. 1756
Die dargestellte Grundsystematik gilt unabhängig davon, ob an der inländischen Kapitalgesellschaft inländische und/oder ausländische Anteilseigner beteiligt sind. Anders als noch beim Anrechnungsverfahren genießen im Teileinkünfteverfahren inländische und ausländische Anteilseigner grundsätzlich die gleiche steuerliche Behandlung. Dies galt als eines der Hauptargumente für die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens.