In § 6 SGB IV wird klargestellt, dass abweichende Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben, das heißt vorrangig sind. Abweichende Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts sind gegenüber den innerstaatlichen Regelungen über die Ausstrahlung und Einstrahlung bei Vorliegen aller zu erfüllenden Kriterien vorrangig.
Überstaatliches Recht sind in erster Linie die Regelungen des koordinierenden europäischen Sozialrechts sowie die EWG-Verordnungen über Soziale Sicherheit. Zwischenstaatliches Recht sind die Abkommen über Soziale Sicherheit (Sozialversicherungsabkommen).
Von den Regelungen des koordinierenden europäischen Sozialrechts werden alle Zweige der Sozialversicherung erfasst. Die Voraussetzungen für Entsendungen in andere EU-/EWR-Staaten beziehungsweise in die Schweiz wurden in den Artikel 14 Absatz 1 und 14a VO (EWG) Nummer 1408/71 geregelt und durch den Beschluss Nummer 181 vom 13.12.2000 der EG-Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer konkretisiert.
Mit Wirkung ab 01.05.2010 wurden die bisherigen VO (EWG) Nummer 1408/71 und die VO (EWG) Nummer 574/72 durch die VO (EG) Nummer 883/2004 (Grundverordnung) und die VO (EG) Nummer 987/2009 (Durchführungsverordnung) abgelöst. Damit ändern sich auch einige Regelungen im Bereich der anzuwendenden Rechtsvorschriften.
Die VO (EG) Nummer 883/2004 und Nummer 987/2009 gelten für die EU-Staaten (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien und Nordirland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern). Im Verhältnis zu den EWR-Mitgliedstaaten Island, Liechtenstein und Norwegen ist der Vordruck A1 seit 01.06.2012, im Verhältnis zur Schweiz seit 01.04.2012 zu verwenden.
Hinweis:
Am 01.01.2011 ist die VO (EU) Nummer 1231/2010 in Kraft getreten, die – soweit sie Anwendung findet – die bisherige Drittstaatsverordnung (EG) Nummer 859/2003 ersetzt. Damit gelten die Bestimmungen der VO (EG) Nummer 883/04 und Nummer 987/09 – mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und Irlands sowie Dänemark – nunmehr auch für Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter die Grund-/Durchführungsverordnung fallen.
Bei Entsendung von Drittstaatsangehörigen mit Bezug zur Schweiz ist das deutsch-schweizerische Abkommen über die Soziale Sicherheit vom 25.02.1964 anzuwenden, da die Schweiz die sogenannte Drittstaatsverordnung nicht übernommen hat und die VO (EG) Nummer 883/2004 somit auf diesen Personenkreis nicht anwendbar ist. Bei Entsendungen Drittstaatsangehöriger aus der Schweiz nach Deutschland wird durch die schweizerische Seite ab 01.07.2017 anstelle der Bescheinigung D1 die "Entsendebescheinigung – Sozialversicherungsabkommen" über eine Internetplattform des Bundesamtes für Sozialversicherungen ausgestellt. Die Bescheinigung ist ohne Unterschrift gültig. Hinsichtlich der Entsendung Drittstaatsangehöriger aus Deutschland in die Schweiz treten keine Änderungen ein, da für diesen Personenkreis wie bisher die Bescheinigung CH 1 ausgestellt wird.
Bei Entsendung innerhalb der EU sind nunmehr seit 01.05.2010 die Artikel 12 bis 16 VO (EG) Nummer 883/2004, die Artikel 14 und 15 VO (EG) Nummer 987/2009 und der Beschluss Nummer A2 der EG-Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu beachten (siehe Europäische Kommission: Praktischer Leitfaden: Die Rechtsvorschriften, die für Erwerbstätige in der EU, im EWR und in der Schweiz gelten – www.dvka.de/media/dokumente/verschiedene/Praktischer_Leitfaden.pdf).
Bei Entsendungen aus dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland sind ab 01.01.2021 (Ende des in Artikel 126 des Austrittsabkommens festgelegten Übergangszeitraums: 31.12.2020) die Regelungen des Titels III des Austrittsabkommens (Artikel 30 fortfolgende) zu beachten. Im Übrigen gilt in Bezug auf Großbritannien und Nordirland anstelle der Verordnung (EG) Nummer 883/2004 die Verordnung (EWG) Nummer 1408/71 für Drittstaatsangehörige. Diese schließt alle Zweige der sozialen Sicherheit ein.
Die Verordnungen des Europäischen Parlaments können abgerufen werden unter www.eurlex.europa.eu.
Für Drittstaatsangehörige im Sinne der Drittstaatenverordnung (VO [EU] Nummer 1231/2010) ist bei Entsendung innerhalb der EU die Neuregelung ab 01.01.2011 anzuwenden.
Seit 01.04.2012 gilt die VO (EG) Nummer 883/2004 auch im Verhältnis zur Schweiz und seit 01.06.2012 im Verhältnis zu den EWR – Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen.
Die wesentlichen Neuerungen im Entsenderecht:
- Die maximale Entsendedauer wurde von 12 auf 24 Monate verlängert. Eine Verlängerungsmöglichkeit ist nicht (mehr) vorgesehen. Überschreitet die (voraussichtliche) Dauer der Arbeit 24 Monate, so liegt keine Entsendung im Sinne des Artikel 12 VO (EG) Nummer 883/2004 vor. Es gelten dann die ...