Rz. 8
Die Rücknahmeerklärung muss gegenüber dem Gericht abgegeben werden, wenn sie prozessual wirksam sein soll (BSG, Beschluss v. 27.10.2016, B 13 R 337/15 B m. w. N.). Der Kläger kann sich zwar auch gegenüber einem anderen Prozessbeteiligten verpflichten, die Klage zurückzunehmen. Wirksam wird dies jedoch erst mit seiner Erklärung gegenüber dem Gericht. Die Rücknahme ist gegenüber dem Gericht zu erklären, bei dem die Klage anhängig ist. Nach Einlegung eines Rechtsmittels ist sie gegenüber dem Rechtsmittelgericht zu erklären. Das gilt auch nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde (BSG, Beschluss v. 27.10.2016, B 13 R 337/15 B; BSG, Breithaupt 1984 S. 263, 265 = SozR 1500 § 102 Nr. 5). Wird gleichzeitig die Rücknahme der Klage sowie eines Rechtsmittels erklärt, so hat die Rücknahme der Klage Vorrang, weil sie weitergehende Wirkungen entfaltet (vgl. BVerwGE 26 S. 297, 298 f).
Rz. 9
Eine besondere Form hat der Gesetzgeber für die Rücknahmeerklärung nicht vorgesehen. Sie kann daher auch durch Telefax oder Telegramm oder in der mündlichen Verhandlung erklärt werden. Wird sie in der mündlichen Verhandlung erklärt, so ist das in die Niederschrift aufzunehmen, § 122 SGG i. V. m. § 160 Abs. 3 Nr. 8 ZPO (vgl. auch LSG Brandenburg, Urteil v. 4.2.2004, L 2 RJ 103/03). Zudem muss die Erklärung dem Kläger zur Genehmigung vorgelesen oder vorgelegt und der entsprechende Genehmigungsvermerk in das Protokoll aufgenommen werden, § 122 SGG i. V. m. § 162 Abs. 1 ZPO. Unterbleibt dies, wird die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung davon aber nicht berührt (BSG, Urteil v. 12.3.1981, 11 RA 52/80, SozR 1500 § 102 Nr. 4; LSG Thüringen, Breithaupt 1995 S. 890; a. A. LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1974 S. 993).
Rz. 10
Die Rücknahme muss nicht zwingend ausdrücklich erklärt werden; sie kann sich auch aus schlüssigem Verhalten ergeben (vgl. BSG, SozR § 102 Nr. 10; BSG, SozSich 1993 S. 378; LSG Berlin, Beschluss v. 28.4.2004, L 6 B 44/03 AL ER, SGb 2005 S. 55; LSG Hessen, Urteil v. 21.2.2003, L 15/13 RA 1006/00). Der dementsprechende Wille des Klägers muss aber eindeutig zum Ausdruck kommen (BSG, Urteil v. 16.12.1981, 11 RA 39/81, BSGE 53 S. 44, 46 = SozR 2200 § 1397 Nr. 2; BSG, SozR § 102 Nr. 8). Reines Stillschweigen genügt nicht (BSG, SozR § 102 Nr. 8; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1974 S. 906). Das gilt auch, wenn der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung trotz Schweigen des Klägers die Rücknahme der Klage zu Protokoll nimmt und der Kläger nicht zustimmt (BSG, SozR § 102 Nr. 8 = Breithaupt 1963 S. 745 = NJW 1963 S. 1125). Der Kläger darf nicht unter Druck gesetzt werden, die Klage zurückzunehmen. Ansonsten könnte eine Befangenheit des Vorsitzenden vorliegen (vgl. BSG, Breithaupt 1978 S. 389) oder der Kläger gar derart eingeschüchtert sein, dass er ausnahmsweise zur Zeit der Abgabe der Erklärung nicht mehr prozessfähig ist (BFHE 121 S. 385). Hierfür müssen allerdings deutliche Anhaltspunkte vorhanden sein. Eine Beschränkung des Antrags durch einen Rechtsanwalt oder einen Verbandsvertreter ist regelmäßig als Teilrücknahme auszulegen. Bei unvertretenen Klägern kann dies nicht ohne weiteres bejaht werden, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Der Vorsitzende sollte auf möglichst eindeutige Erklärungen hinwirken, § 106 Abs. 1 (siehe hierzu LSG Brandenburg, Urteil v. 28.8.2000, L 7 U 32/00, HVBG-INFO 2001 S. 2564 ff.). Die Wirksamkeit der Rücknahme ist nicht davon abhängig, dass das Gericht den Erfolg der Rücknahme schriftlich bestätigt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 10.2.2000, L 16 KR 58/99).
Rz. 11
Die Rücknahmeerklärung eines Bevollmächtigten, für den weder eine schriftliche Vollmacht nach § 73 Abs. 6 Satz 1 vorgelegt noch die Bevollmächtigung zu Protokoll erklärt worden ist, ist jedenfalls dann wirksam, wenn der Bevollmächtigte im erkennbaren Einverständnis des Klägers gehandelt hat und der Kläger die durch schlüssiges Handeln erteilte Bevollmächtigung daher nach § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i. V. m. § 85 Abs. 1 ZPO gegen sich gelten lassen muss (vgl. insoweit zu § 73 a. F.: BSG, Beschluss v. 25.4.2001, B 9 V 70/00 B, NZS 2001 S. 559 f. = SozR 3-1500 § 73 Nr. 10). Inwieweit allgemein eine wirksame Rücknahme ohne (schriftliche) Vollmacht vorgenommen werden kann, hat das BSG ausdrücklich offen gelassen, genauso die Frage, inwieweit eine bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegte Vollmacht ausreichen kann. Nach der Neufassung des § 73 ab dem 1.7.2008 durch das Rechtsdienstleistungsgesetz hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen ohnehin nur noch dann zu berücksichtigen, wenn als Bevollmächtigter kein Rechtsanwalt auftritt. Ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung ist nach der zitierten Entscheidung des BSG sowohl eine möglicherweise fehlerhafte Besetzung des Gerichts, vor welchem die Rücknahme im Termin erklärt wird, als auch eine etwaige Verletzung der Fürsorgepflicht des Vorsitzenden.
In der Revisionsinstanz besteht zum Teil Vertretungszwang. Ein nicht postulationsfähiger Kläger kann die...