Rz. 14

Nach § 104 Satz 3 kann die Aufforderung zur Äußerung mit einer Fristsetzung verbunden werden. Ob eine Frist zur Abgabe der Stellungnahme gesetzt wird, steht demnach im Ermessen des Vorsitzenden. Das Ermessen kann allerdings im Einzelfall reduziert und der Vorsitzende damit verpflichtet sein, eine Frist zu setzen. Dies kommt vor allem bei Untätigkeitsklagen nach § 88 oder bei Klagen im Zusammenhang mit einer Vollstreckung in Betracht.

 

Rz. 15

Soll eine Frist zur Abgabe der Äußerung gesetzt werden, so soll diese nach Satz 3 der Vorschrift nicht kürzer als ein Monat sein. Da der Gesetzgeber die Monatsfrist nur im Rahmen einer Soll-Bestimmung festgelegt hat, kann in geeigneten Fällen auch eine kürzere Frist gesetzt werden. Hierfür müssen jedoch Gründe vorhanden sein, die ein Abweichen vom Regelfall nahe legen. Keinesfalls darf dabei das Gebot des rechtlichen Gehörs verletzt werden. Als untere Grenze wird zum Teil eine Frist von 3 Tagen bzw. einer Woche, je nach Sitz des Beklagten bzw. der übrigen Beteiligten, angesehen (Zeihe, § 104 Rn. 3).

Es handelt sich um eine richterliche Frist, die nach § 65 verlängert oder auch abgekürzt werden kann. Die Berechnung bestimmt sich nach § 64. Wird ein (begründeter) Antrag auf Fristverlängerung gestellt, so wird diesem i. d. R. stattzugeben sein, um nicht das Gebot rechtlichen Gehörs zu verletzen. Das gilt insbesondere, wenn ein Verhandlungstermin ohnehin noch nicht absehbar und auch ansonsten keine besondere Eilbedürftigkeit gegeben ist.

Wird die Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme mit einer Fristsetzung verbunden, so muss die Klage auch im Falle des Satz 1 HS 1 nach § 63 Abs. 1 zugestellt werden. Der in der Praxis häufig vorkommende Verstoß hiergegen stellt nach der Rechtsprechung des BSG keinen Verfahrensfehler, sondern lediglich einen Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift dar (BSGE 1 S. 126, 130; a. A. Peters/Sautter/Wolff, § 104 Rn. 34). Ein Verfahrensfehler, welcher zur Zulassung der Berufung oder Revision führen kann, liegt erst dann vor, wenn gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstoßen worden ist. Wann dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

 

Rz. 16

Die für die Abgabe der Äußerung gesetzte Frist stellt keine Ausschlussfrist dar. Geben die übrigen Beteiligten nach Fristablauf noch eine Stellungnahme ab, so ist das Gericht nicht befugt, die Äußerung unberücksichtigt zu lassen. Eine umfassende Präklusionsregelung wie § 296 ZPO enthält das SGG nicht. Zwar kann der Vorsitzende dem Kläger nach dem durch das SGGArbGÄndG zum 1.4.2008 eingeführten § 106a eine Frist u. a. zur Vorlage von Urkunden und anderen beweglichen Sachen bestimmen und die Annahme nach Ablauf der Frist zurückweisen. Die Regelung richtet sich allerdings ausschließlich gegen den Kläger, wohingegen § 104 sich auf den Beklagten und die Beigeladenen bezieht. Einer darüber hinausgehenden Anwendung der Präklusionsregelung steht der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 103 entgegen, wonach das Gericht zur Ermittlung unabhängig vom Vorbringen der Beteiligten verpflichtet ist. Selbst § 92 Abs. 2 Satz 2 stellt keine echte Präklusionsvorschrift dar.

Erfolgt eine Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme, so muss diese nach § 104 Satz 4 den Hinweis enthalten, dass auch verhandelt und entschieden werden kann, wenn innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme bei Gericht eingeht. Unterbleibt der Hinweis, darf die Sache nicht in einem Verhandlungstermin entschieden werden, ohne dem Beteiligten, der noch eine Äußerung abgeben möchte oder der nicht im Termin erscheint, abschließend Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben. Das Urteil darf nach § 128 Abs. 2 auch nicht auf eine Tatsache oder ein Beweisergebnis gestützt werden, zu welcher sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Die Frist zur Äußerung beginnt erst mit der ordnungsgemäßen Zustellung der Aufforderung mit Fristsetzung, §§ 63, 64.

Werden mit der Aufforderung zur Äußerung die Verwaltungsakten angefordert, was regelmäßig der Fall sein dürfte, bestimmt Satz 5, dass die Akten binnen eines Monats übersendet werden sollen. Es handelt sich um eine reine Sollvorschrift, deren Verletzung nicht sanktioniert werden kann. Nur wenn der Vorsitzende die Originalverwaltungsakten anfordert, müssen diese übersendet werden, ansonsten genügt eine beglaubigte Abschrift der Akten, Satz 6. Bei elektronischer Aktenführung muss ein vollständiger Ausdruck der Akte vorgelegt werden (BT-Drs. 16/7716 S. 24 Begründung Teil B zu Art. 1 Nr. 18). Die Anforderungen an die Führung der elektronischen Akte sind auch vom Stand der Technik abhängig, da die Akten eingescannt werden müssen (hierzu Urteil des VG Wiesbaden zu der Parallelvorschrift in der VwGO, 6 K 691/14.WI.A, und die Anmerkung von Skrobotz, jurisPR-ITR 5/2015 Anm. 2).

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