1 Allgemeines
Rz. 1
Die mündliche Verhandlung ist die Veranstaltung, in der die Beteiligten Gelegenheit haben, im Anschluss an die vorbereitenden Schriftsätze i. S. d. § 108 ihr Anliegen zusammenfassend und abschließend darzulegen. Sie ist nach wie vor der gesetzliche Regelfall der Entscheidungsgrundlage (so § 124 Abs. 1). Ausnahmen stehen unter dem Vorbehalt besonderer Tatbestandsvoraussetzungen (vgl. etwa § 105, § 124 Abs. 2, § 126).
2 Rechtspraxis
2.1 § 112 Abs. 1
Rz. 2
§ 112 Abs. 1 stellt klar, dass der Eröffnung der mündlichen Verhandlung der Aufruf der Sache vorausgeht. Der Aufruf erfolgt auf dem Gerichtsflur entweder unmittelbar persönlich, etwa durch den Protokollführer, oder aber mittels Lautsprecher aus dem Sitzungssaal heraus.
Angesichts des für die mündliche Verhandlung sowieso geltenden Öffentlichkeitsprinzips (vgl. § 61 SGG i. V. m. § 169 Satz 1 GVG) hat der Aufruf nicht den Sinn, die Öffentlichkeit herzustellen, sondern er zeigt den Beteiligten an, dass nunmehr ihre Streitsache an der Reihe ist.
Rz. 3
Nach dem Aufruf der Sache beginnt die mündliche Verhandlung mit der Darstellung des Sachverhalts. Einer eigenständigen Eröffnungserklärung bedarf es nicht. Sie ist jedoch unschädlich und insbesondere bei persönlichem Erscheinen prozessunerfahrener Beteiligter erscheint es angemessen, nicht unmittelbar mit der Darstellung des Sachverhalts zu beginnen, sondern eine Eröffnungserklärung abzugeben und den Beteiligten sodann in gebotener Kürze den Ablauf einer mündlichen Verhandlung vorzustellen.
Der Gesetzgeber trifft keine Aussage über das Geschehen zwischen dem Aufruf der Sache und dem Beginn der mündlichen Verhandlung. Der Vorsitzende wird in dieser Zeit sichten, wer erschienen ist, und bei Ausbleiben eines Beteiligten dessen ordnungsgemäße Ladung kontrollieren. Sind Zeugen geladen, wird er die Zeugen belehren und einstweilen bis zu ihrer Vernehmung entlassen.
Das BSG hat die Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 9.10.1975, VII ZR 242/73, NJW 1976 S. 196; BGH, Urteil v. 19.11.1998, IX ZR 152/98, NJW 1999 S. 724) für das sozialgerichtliche Verfahren fortgeschrieben, wonach der Vorsitzende die mündliche Verhandlung erst nach erfolglosem Ablauf einer Wartefrist von 15 Minuten eröffnen darf, wenn ein nicht pünktlich erscheinender Beteiligter dem Gericht seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung angekündigt hat (BSG, Beschluss v. 31.3.2004, B 4 RA 126/03 B, SozR 4-1500 § 112 Nr. 2). Ist dem Gericht darüber hinaus bekannt, dass der Beteiligte, der sein Erscheinen angekündigt hat, unter besonderen Schwierigkeiten versucht, den Termin wahrzunehmen, darf die Wartefrist 30 Minuten nicht unterschreiten (BSG, Beschluss v. 31.3.2004, s. o.).
Rz. 4
Die sodann vorzunehmende Darstellung des Sachverhalts hat den Zweck, die ehrenamtlichen Richter, die im Regelfall den Akteninhalt nicht kennen, zu informieren. Ein weiterer Zweck besteht darin, den Beteiligten die Kontrollmöglichkeit zu verschaffen, ob ihr Tatsachenvortrag vom Gericht aufgenommen worden ist (vgl. BSG, Beschluss v. 18.6.1990, 1 BA 115/89, juris). Die Informationspflicht gegenüber den ehrenamtlichen Richtern beinhaltet die Pflicht, die Sachverhaltsdarstellung nicht mit offensichtlich nicht entscheidungserheblichen Tatsachen zu überfrachten. Die Beteiligten werden daher regelmäßig nicht erwarten können, dass ihr gesamter Tatsachenvortrag sich in der Darstellung des Sachverhalts wiederfindet. Sollten Sie über die Entscheidungserheblichkeit eines bestimmten Vortrags – weiterhin – anderer Auffassung sein, steht es Ihnen anheim, darauf innerhalb der Verhandlung hinzuweisen und entsprechende ergänzende Ausführungen zu machen (vgl. BSG, Beschluss v. 3.9.1990, 9a BV 85/90, juris).
Innerhalb der Sachverhaltsdarstellung sind auch die – voraussichtlich – entscheidungserheblichen Ermittlungsergebnisse zu präsentieren. Eine Verpflichtung, ein Beweisergebnis in vollständiger Form darzustellen, besteht dabei nicht. Insbesondere bei im großen schriftlichen Umfang erstellten Sachverständigengutachten genügt im Regelfall das Verlesen der zusammenfassenden Beurteilung bzw. der Antworten auf die konkreten Beweisfragen. Eine Wiedergabe der Beurteilung des Sachverständigen mit eigenen Worten ist zulässig und mitunter geboten, etwa bei sprachlich unbeholfener oder bei mit Fachbegriffen überfrachteter Darstellung des Sachverständigen. Eine bereits von Wertungen geprägte Zusammenfassung ist jedoch nicht zulässig. Für Zeugenaussagen, die etwa in einem vorangegangenen Verhandlungstermin oder in einem Erörterungstermin gemacht worden sind, gilt Entsprechendes. Den ehrenamtlichen Richtern ist jedenfalls, sollten die Aussagen nicht in vollem Wortlaut verlesen werden, die Gelegenheit zu geben, sie – etwa im Beratungszimmer – nachzulesen.
Musste eine mündliche Verhandlung vertagt werden, so ist in dem Nachfolgetermin der Sachverhalt von Neuem darzustellen.
Der Sachvortrag ist Kernstück der mündlichen Verhandlung. Unterbleibt er, so liegt auch dann ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, wenn die ehrenamtlichen Richter vorab über den ...