Rz. 17
Trotz eines an sich breiten Anwendungsbereichs wird offenbar nur äußerst zurückhaltend von § 130 Abs. 2 Gebrauch gemacht. Dies wird vor allem daran liegen, dass das Zwischenurteil nach Abs. 2 die Instanz nicht abschließt und es nach ganz h. M. weder der (formellen) Rechtskraft fähig noch rechtsmittelfähig ist (vgl. BSG, Beschluss v. 19.9.2007, B 9/9a SB 49/06, mit zustimmender Anm. Keller, JurisPR-SozR 4/2008; BSG, Urteil v. 15.11.2007, B 3 KR 13/07 R [keine tragenden Gründe]; vgl. auch BSG, Urteil v. 30.5.2006, B 1 KR 17/05 R; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 130 Rz. 11; Rohwer-Kahlmann, SGG, § 130 Rz. 17; Bolay, in: Lüdtke, SGG, § 130 Rz. 15; Peters/Sauter/Wolff, SGG, § 130 Rz. 65; Behrend, in: Hennig, SGG, § 130 Rz. 98 Stand April 2010, anders bis dahin dort noch Pawlak, Rz. 76 ff., 97 ff.; a. A. Zeihe, SGG, § 130 Anm. 12; LSG Berlin, Urteil v. 9.1.2003, L 13 VG 21/02; LSG Berlin, Urteil v. 5.4.2006, L 26 SB 27/05; SG Hamburg, Urteil v. 8.10.2004, S 15 RJ 373/03; offen gelassen vom LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 11.12.2007, L 2 VG 32/07). Mit Beschluss v. 19.9.2007 (B 9/9a SB 49/06) hat das BSG die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des LSG verworfen, mit dem das LSG die Berufung für zulässig erklärt hatte, weil das angefochtene Urteil seiner Art nach nicht mit der Revision angefochten werden könne. Das vorliegende Zwischenurteil sei nicht selbständig, sondern nur mit dem Endurteil angreifbar. Wenn das BSG eingangs seiner Entscheidung ausführt, die Zulässigkeit eines derartigen Zwischenurteils ergebe sich allgemein aus § 202 SGG i. V. m. § 303 ZPO und es dazu auf seine ältere Rechtsprechung verweist und ergänzt, seit dem 2.1.2002 sei insoweit § 130 Abs. 2 SGG i. d. F. des 6. SGG-ÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) maßgebend, wird bereits deutlich, dass das BSG eine entscheidende Änderung der Rechtslage durch die Einfügung des § 130 Abs. 2 verneint und dass es das Zwischenurteil nach § 130 Abs. 2 über die Zulässigkeit des Rechtsmittels unter § 303 ZPO (i. V. m. § 202 SGG) einordnet. Da die Neuregelung keine Aussage zur Anfechtbarkeit solcher Zwischenurteile beinhalte, liege es nach Auffassung des BSG nahe, dass es der Gesetzgeber bei dem Grundsatz habe belassen wollen, dass diese nur mit dem Endurteil angefochten werden können. Aus der Entstehungsgeschichte des § 130 Abs. 2 ergebe sich nichts anderes. Die streiterhebliche Frage sei im Rahmen des Gesetzentwurfs zu § 130 Abs. 2 nicht angesprochen worden. Es sei auch fraglich, ob eine Rechtsmittelmöglichkeit wirklich der Prozessökonomie und Verfahrensbeschleunigung diene. Die gegenteilige Rechtsprechung des BFH (BFHE 187, 418) beruhe auf einem grundlegend anderen Gesetzeszusammenhang.
Rz. 17a
Wenn unter Zugrundelegung der h. M. das Zwischenurteil nur das erkennende Gericht binden kann (§ 318 ZPO) und es (erst) im Rahmen des Rechtsmittels gegen das Schlussurteil überprüfbar ist, muss das Instanzgericht bei offenen Rechtsfragen, die höchstrichterlicher Überprüfung bedürfen, regelmäßig dem Zwischenurteil das Endurteil folgen lassen. Einen prozessökonomischen Vorteil bietet das Zwischenurteil dann aber nicht, sodass vom Standpunkt der h. M. § 130 Abs. 2 ohne praktische Bedeutung bleiben muss. Damit wird man zwar – wie vor dem 6. SGG-ÄndG v. 17.8.2001 – zurechtkommen, eine andere Auslegung wäre aber möglich und vorzugswürdig.
Daraus, dass die Möglichkeit eines Zwischenurteils nunmehr nicht über § 202 SGG aus der ZPO hergeleitet werden muss, muss allerdings nicht zwingend gefolgert werden, dass die Vorschriften der §§ 512, 557 Abs. 2 ZPO über das Zwischenurteil nicht (mehr) anwendbar seien. Dass das SGG die Voraussetzungen eines Zwischenurteils jetzt in § 130 Abs. 2 regelt, zwingt allein nämlich nicht schon zu dem Schluss, dass hinsichtlich der Anfechtbarkeit des Zwischenurteils nach § 130 Abs. 2 die allgemeine Regelung des § 143 greift, welche hinsichtlich der Rechtsmittelfähigkeit keine Differenzierung zwischen Endurteil und Zwischenurteil kennt. Denn das SGG enthält auch sonst keine Regelung über die Wirkung eines Zwischenurteils. Es ist daher ebenso denkbar, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Anfechtbarkeit weiterhin von der Differenzierung der ZPO bezüglich der Zwischenentscheidungen (nicht selbständig anfechtbare Entscheidung i. S. v. § 303 ZPO einerseits, Zwischenurteil über den Grund nach § 304 ZPO, das in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen ist, anderseits) ausgegangen ist. Dass die streiterhebliche Frage im Rahmen des Gesetzentwurfs zu § 130 Abs. 2 nicht angesprochen worden ist, mag zwar an sich als Zeichen dafür gedeutet werden, dass es bei der bisherigen Rechtslage auf der Basis der Rspr. des BSG bleiben solle. Andererseits sollte aber auch Berücksichtigung finden, dass das Zwischenurteil über einzelne Streitpunkte, wie es nunmehr in § 130 Abs. 2 geregelt ist, seine Wurzeln auch in dem gescheiterten Entwurf einer VwPO hat, der in seinem § 122 Abs. 3 E-VwPO eine entsprechende Regelung vo...