1 Allgemeines
Rz. 1
Nach der unverändert gebliebenen Vorschrift des § 133 werden Urteile, die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, das sind solche nach § 124 Abs. 2 und nach § 126, nicht verkündet. Damit sie Wirksamkeit erlangen können, bedarf es ihrer Kundgabe nach außen in Form der Zustellung, wie § 133 Satz 1 anordnet. Parallelvorschriften sind § 116 Abs. 3 VwGO und § 104 Abs. 3 FGO. Nach dem SGG besteht bei Urteilen, die im Anschluss an eine mündliche Verhandlung ergangen sind, nicht die Möglichkeit, die Verkündung nach § 132 durch Zustellung zu ersetzen. § 133 gilt auch für Gerichtsbescheide, die nach § 105 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 133 zuzustellen sind (vgl. BVerwG, NVwZ 1999, 183 zu § 116 VwGO).
2 Rechtspraxis
2.1 Zustellung des Urteils
Rz. 2
Das nach mündlicher Verhandlung verkündete Urteil wird bereits mit der Verkündung wirksam und unabänderlich. In den Fällen des § 124 Abs. 2 und des § 126 ist dagegen das Urteil mit Fällung der Entscheidung oder seiner Übergabe an die Geschäftsstelle noch nicht wirksam. Es bedarf noch eines Aktes der Kundgabe nach außen. Diese Kundgabe erfolgt durch die Zustellung des Urteils, die gemäß § 133 Satz 1 bei Urteilen, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, die Verkündung ersetzt.
Rz. 3
Die Zustellung (vgl. Komm. zu § 63) eines Urteils erfolgt von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 nach den Vorschriften der ZPO. Gemäß § 166 Abs. 1 ZPO ist die Zustellung die "Bekanntgabe eines Schriftstückes an eine Person in der in diesem Titel (Anm.: im zweiten Titel im dritten Abschnitt des ersten Buches der ZPO) bestimmten Form".
Rz. 4
Nach entsprechender Anordnung des Vorsitzenden wird den Beteiligten von der Geschäftsstelle grundsätzlich nur noch eine beglaubigte Abschrift zugestellt (vgl. § 137, § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Seit dem 1.7.2014 genügt gemäß § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Zustellung einer (beglaubigten) Abschrift. Ausfertigungen werden gemäß § 137 Abs. 2 Satz 1 nur noch auf Antrag und (nur) in Papierform erteilt. Zuzustellen ist an jeden Beteiligten. Ist ein Prozessbevollmächtigter bestellt, sind Zustellungen gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 an ihn zu richten. Soweit die Gerichtsakten in Papierform geführt werden, ist auch die Zustellung einer beglaubigten elektronischen Abschrift gemäß § 169 Abs. 4 ZPO möglich. Die Abschrift eines in elektronischer Form vorliegenden Urteils kann gemäß § 169 Abs. 4 ZPO in beglaubigter elektronischer Abschrift oder gemäß § 137 Satz 2, § 65b Abs. 6 durch Zustellung eines Urteilsausdrucks zugestellt werden.
Die Urschrift, auf der die Zustellung zu vermerken ist (vgl. § 134 Abs. 3), verbleibt beim Gericht. Zugestellt wird das vollständige Urteil (§ 136).
2.2 Zustellungsmängel
Rz. 5
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Schriftstückes nicht nachweisen oder ist das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt nach § 189 ZPO das Schriftstück in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Die Heilung kommt bei jeder Zustellung, also auch dann in Betracht, wenn mit ihr die Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels beginnt (vgl. z. B. Cybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 56 Rz. 83; v. Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, § 56 Rz. 20). Allerdings wurden gemäß § 9 Abs. 2 VwZG (mit Wirkung ab 1.7.2002 durch ZustRG entfallen) bei Zustellungsmängeln die in ihm genannten Fristen nicht in Lauf gesetzt und sah § 187 Satz 2 ZPO in der bis zum 30.6.2002 geltenden Fassung eine entsprechende Einschränkung für den Lauf von Notfristen vor; mit § 189 ZPO in der ab 1.7.2002 geltenden Fassung des ZustRG ist diese Einschränkung jedoch entfallen. Streitig ist, ob neben Mängeln des Zustellungsvorgangs auch solche des Zustellungsgegenstands, des Schriftstücks selbst geheilt werden können (verneinend Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 63, 21a; Engelhardt/App, § 15 Rz. 14; wohl auch Kopp/Schenke, VwGO, § 56 Rz. 40; a. A. BVerwG, Beschluss v. 9.10.1998, 4 B 98/98; BSGE 34, 211, 215).
Rz. 6
Weicht die zugestellte Ausfertigung von der Urschrift ab, führt dies nur dann zur Unwirksamkeit der Zustellung, wenn die Abweichung wesentlich ist (vgl. BGH, Beschluss v. 24.1.2001, XII ZB 75/00 m. w. N.; BGH, Beschluss v. 29.11.2006, XII ZB 194/05). Als wesentliche Abweichung ist es nur anzusehen, wenn die Mängel der Ausfertigung geeignet sind, die Entschließung des Zustellungsempfängers über die Einlegung eines Rechtsmittels zu beeinflussen. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn dieser aus der Ausfertigung den Inhalt der Urschrift und den Umfang seiner Beschwer nicht erkennen kann (BGH, Beschluss v. 30.9.1981, IVb ZB 805/81; BGH, Beschluss v. 29.11.2006, XII ZB 194/05). Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann eine mit einem Formfehler behaftete Entscheidung wirksam sein, nämlich wenn die Abschrift mit der Urschrift übereinstimmt, die Zustellung vom Urkundsbeamten veranlasst ist und kein Anhalt dafür besteht, dass entgegen dem Willen des Gerichts den Parteien mi...