Rz. 36
Zwar ist es nicht vorgeschrieben, bei Anhörungen eine Frist zu setzen, binnen derer eine Stellungnahme abzugeben sei (BSG, Beschluss v. 22.5.2000, B 2 U 80/00 B), die Anhörung erfüllt jedoch nur dann ihren Zweck, wenn sie mit einer Fristsetzung verbunden ist (BSG, Beschluss v. 26.8.2004, B 13 RJ 203/03 B). Hat das LSG den Verfahrensbeteiligten keine Frist für eventuelle Stellungnahmen gesetzt, so haben diese dafür eine Frist von maximal einem Monat (BSG, Beschluss v. 29.11.2006, B 6 KA 23/06 B, SozR 4-1500 § 153 Nr. 3). Ein Verfahrensfehler ist nicht schon darin zu erblicken, dass ein Gericht eine Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss nicht abgewartet hat (vgl. BSG, Beschluss v. 22.6.1998, B 12 KR 85/97 B), sofern den Beteiligten hinreichend Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme gegeben war (BSG, Beschluss v. 26.8.2004, B 13 RJ 203/03 B). Weist ein Berichterstatter allerdings auf ein Vorgehen gem. § 153 Abs. 4 hin und setzt in seiner Verfügung eine Äußerungsfrist, kann sich ein Kläger darauf verlassen, dass er bis zum Fristablauf Gelegenheit zur Stellungnahme hat. Eine durch nichts begründete Abkürzung dieser Äußerungsfrist stellt einen Verstoß gegen § 153 Abs. 4 und somit einen absoluten Revisionsgrund dar (BSG, Beschluss v. 20.8.2009, B 14 AS 52/09). Hat das LSG bei der Mitteilung seiner Absicht, durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, selbst keine angemessene Frist zur Stellungnahme von regelmäßig 2 Wochen gesetzt, muss es eine deutlich längere Zeit von regelmäßig 4 Wochen zuwarten, bevor es Fristsetzungsanträge als verspätet erachten darf (BSG, Beschluss v. 31.3.2004, B 4 RA 203/03 B, SozR 4-1500 § 154 Nr. 1). Welche Frist unter Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angemessen ist, hängt vom Einzelfall ab; sie wird regelmäßig mindestens 2 Wochen betragen müssen (Frehse, SGb 2007 S. 509, 511; Keller, SGG, § 153 Rn. 21). Vielfach wird eine Frist von 4 Wochen angemessen sein (vgl. Rohwer-Kahlmann, SGG, § 153 Rn. 28). Maßgebend ist im Ergebnis immer, ob die Frist objektiv ausreicht, um innerhalb der Frist sachgerecht Stellung nehmen zu können. Entscheidet das LSG vor Ablauf der Anhörungsfrist, verstößt es gegen Art. 103 Abs. 1 GG (BSG, Beschluss v. 20.8.2009, B 14 AS 52/09 B; Wagner, in: Hennig, SGG, § 153 Rn. 78).
Rz. 37
Als richterliche Frist kann die Anhörungsfrist nach §§ 65, 202 SGG i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO nur bei Vorliegen erheblicher Gründe verlängert werden. Jedoch ist zu beachten, dass die im Rahmen der Anhörung nach § 153 Abs. 4 gesetzte Äußerungsfrist die sonst im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestehende Möglichkeit ersetzt, auf den Gang des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Ein erheblicher Grund wird daher regelmäßig – wie bei einem Antrag auf Verlegung bzw. Vertagung der mündlichen Verhandlung – zur vollständigen Reduzierung des Ermessens führen, mit der Folge, dass dem Verlängerungsgesuch stattgegeben werden muss, wenn sonst das rechtliche Gehör verletzt wäre (BSG, Beschluss v. 9.4.2003, B 5 RJ 140/02 B). Geht ein Fristverlängerungsantrag vor Wirksamwerden des Beschlusses (§ 142 Abs. 1 i. V. m. § 133 SGG) ein, ist der zuständige Spruchkörper des LSG aufgrund seiner prozessualen Fürsorgepflicht gehalten, die Vorbereitung der Zustellung des Beschlusses durch die Verwaltung abzubrechen, die Sache wieder an sich zu ziehen und den Fristsetzungsantrag unverzüglich zu bescheiden (BSG, Beschluss v. 31.3.2004, B 4 RA 203/03 B, SozR 4-1500 § 154 Nr. 1). Ein Fristverlängerungsantrag ist grundsätzlich zu bescheiden. Ohne Bescheidung des Antrags darf das LSG nicht vor Ablauf des in dem Antrag genannten Verlängerungszeitraums in der Sache entscheiden (vgl. BSG, Beschluss v. 9.4.2003, B 5 RJ 140/02 B). Der Beteiligte darf darauf vertrauen, dass das LSG ihn vor einer Ablehnung unterrichten und ihm Gelegenheit geben wird, sich hierauf einzustellen (BSG, Beschluss v. 5.2.2009, B 13 RS 91/08 B). Auf diese Verfahrensweise kann ggf. bei ohne jede Begründung oder wiederholt gleichförmig eingereichten Verlängerungsbegehren verzichtet werden. Das LSG ist verpflichtet, Vorbringen der Beteiligten auch dann zu beachten, wenn es nach Ablauf einer gesetzten Erklärungsfrist oder nach Fertigung, aber vor Herausgabe der Entscheidung eingeht (BSG, Beschluss v. 29.8.2006, B 13 R 37/06 B, SozR 4-1500 § 153 Nr. 5; hierzu Frehse, SGb 2007 S. 509).