Rz. 15
Das SGG enthält keine Vorschriften über den Rechtsmittelverzicht. Es gilt daher § 202 SGG i. V. m. § 515 ZPO. Letztgenannte Norm wiederum schafft ausweislich des Wortlauts nicht die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsmittelverzichts, sondern setzt diese voraus, was wiederum aus dem auch den Zivilprozess beherrschenden Dispositionsgrundsatz folgt (vgl. Lemke, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 515 Rn. 1).
Rz. 16
Der Rechtsmittelverzicht ist eine einseitige Erklärung in der Form einer Prozesshandlung, durch die das Recht auf Nachprüfung und Abänderung der ungünstigen Entscheidung aufgegeben wird; er kann sich auch auf einen abtrennbaren Teil des Anspruchs beschränken. Der Rechtsmittelverzicht kann auch dem Prozessgericht gegenüber abgegeben werden (BSG, Urteil v. 15.10.1963, 11 RV 48/63, SozR Nr. 1 zu § 514 ZPO). Ein Rechtsmittelverzicht liegt nur vor, wenn er entweder ausdrücklich erklärt wird oder wenn sich aus den Gesamtumständen klar und eindeutig ergibt, dass das Recht auf Anfechtung der Entscheidung aufgegeben wird (BSG, Urteil v. 29.11.1967, 1 RA 301/65, SozR Nr. 21 zu § 146 SGG). Inhalt und Tragweite eines gegenüber dem Gericht erklärten Rechtsmittelverzichts sind danach zu beurteilen, wie die Verzichtserklärung bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Dies gilt auch dann, wenn die Verfahrensbeteiligten die Verzichtserklärung übereinstimmend in einem anderen Sinne aufgefasst haben sollten (vgl. BGH, NJW 1981 S. 2816). Der Rechtsmittelverzicht kann daher auch vorliegen, wenn die Verwendung dieses Ausdrucks unterblieben ist; in diesem Falle ist jedoch ein Verzicht nur dann anzunehmen, wenn sich aus den Gesamtumständen völlig klar und eindeutig der Verzichtswille ergibt, nämlich der Wille des Erklärenden, sein Recht auf Anfechtung der Entscheidung schlechthin aufzugeben (vgl. BGH, Urteil v. 6.10.1987, VI ZR 155/86, MDR 1988 S. 217; Beschluss v. 10.5.1951, IV ZB 26/51, BGHZ 2 S. 112, 117). Es ist im Einzelfall zu klären, ob ein materiell-rechtlicher Verzicht auf den Restanspruch, eine Klagerücknahme, ein Rechtsmittelverzicht oder nur ein teilweises einstweiliges Ruhenlassen beabsichtigt ist. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die am wenigsten schwerwiegenden Folgen gewollt sind. Der Verzicht bewirkt wie die Rücknahme den Verlust des Rechtsmittels (vgl. BSG, Urteil v. 16.3.1971, 10 RV 207/69; Urteil v. 17. 4.1970, 10 RV 411/67, KOV 1972 S. 46).
Rz. 17
Ein Verzicht vor Urteilsverkündung ist ein sachlich-rechtliches Rechtsgeschäft, dass den Rechtsstreit nicht beendet, aber die Berufung unzulässig macht (BGH, Urteil v. 25.6.1958, IV ZR 75/58, NJW 1958 S. 1397; Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl., 9/2002, § 156 Rn. 2). Ein dem SG gegenüber erklärter Berufungsverzicht ist vom LSG von Amts wegen und nicht erst auf Einrede des Prozessgegners zu beachten. Ein solcher Verzicht kann auch mit Zustimmung des Gegners grundsätzlich nicht widerrufen werden (LSG Niedersachsen, Entscheidung v. 18.5.1966, L 2 J 150/65). Hat ein Rechtsanwalt bei der Anhörung im Zusammenhang mit der Festsetzung des Gegenstandswertes erklärt, er sei mit dem vom Gericht vorgeschlagenen Gegenstandswert einverstanden und verzichte auf Rechtsmittel, liegt ein wirksamer Rechtsmittelverzicht vor (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 3.9.2007, 1 Ta 203/07).