Rz. 3

Der Vollzug der angefochtenen Entscheidung kann nach § 175 Satz 3 ausgesetzt werden, wenn nicht schon aufschiebende Wirkung nach Satz 1 eingetreten ist und es sich um eine Entscheidung handelt, die der aufschiebenden Wirkung fähig ist. Die angefochtene Entscheidung muss mithin einen vollziehbaren Inhalt haben. Das ist nicht der Fall, wenn lediglich ein Antrag abgelehnt wird. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass die angegriffene, noch nicht rechtskräftige Entscheidung Wirkungen entfaltet, die durch eine von dem Rechtsmittelgericht später zu treffende ersetzende Sachentscheidung nicht mehr beseitigt werden könnten (s. auch § 86a Rz. 21).

 

Rz. 4

Nach bisherigem Recht war unzweifelhaft, dass die Aussetzungsentscheidung vom iudex a quo (Vorsitzender oder Kammer des SG) und nicht vom Beschwerdegericht zu treffen war (vgl. Krasney/Udsching, 5. Aufl. 2008, X Rn. 33; Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 175 Rn. 3). Das folgt aus dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut des Satzes 3. Die Zuständigkeit des iudex a quo reichte bis zur Nichtabhilfeentscheidung (§ 174). Danach war das Beschwerdegericht zuständig (§ 199 Abs. 2). Hiernach kann der Senatsvorsitzende nach Vorlage der Beschwerde an das Beschwerdegericht die Vollstreckung aussetzen. Diese Kompetenzverteilung wird sich unter Geltung des SGGArbGGÄndG v. 26.3.2008 (BGBl. I S. 444 ff.) ab dessen Inkrafttreten mit dem 1.4.2008 nicht aufrechterhalten lassen. Nunmehr ist das Abhilfeverfahren abgeschafft, indem § 174 gestrichen worden ist. Hieraus folgt, dass die zuvor für die Kompetenzverteilung maßgebende Zäsur (bis zur Nichtabhilfeentscheidung das SG, danach das Beschwerdegericht) nicht mehr greift. Ungeachtet dessen soll nach Satz 3 weiterhin der iudex a quo für die Aussetzungsentscheidung zuständig sein. Das kann ab dem 1.4.2008 geltenden Recht aber schon deswegen nicht sein, weil die Sache mit Einlegung der Beschwerde infolge des Devolutiveffekts beim LSG angefallen ist. Der Gesetzgeber hat versäumt, § 175 Satz 3 anzupassen. Zur Problemlösung bietet es sich an, auf Rechtsgedanken der VwGO zurückzugreifen. So bestimmt § 146 Abs. 4 Satz 5 VwGO, dass das VG die Beschwerde gegen einen im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss unverzüglich dem OVG vorlegen muss. Dem VG ist eine Abhilfe ausdrücklich untersagt. Mit der Einlegung der Beschwerde ist die Sache beim OVG angefallen. Das VG kann die Vollziehung nicht einstweilen aussetzen. Dies käme einer Abhilfeentscheidung gleich. Hierzu ist es nicht befugt. Die Aussetzungskompetenz steht mit der Beschwerdeeinlegung nur noch dem OVG zu. Diese Rechtslage lässt sich auf das SGG-Verfahren übertragen. Auch das SG ist infolge Streichung des § 174 nicht mehr zur Abhilfe und auch nicht zur Entscheidung über den Vollzug berechtigt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 149 Rn. 2).

 

Rz. 4a

Mit der Beschwerde wird das LSG auch für die Aussetzungsentscheidung zuständig; dies bezieht sich auf die Entscheidung über die Aussetzung des Vollzugs. Hierfür dürfte der Spruchkörper in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zuständig sein (§ 33 Satz 1). Die Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 Satz 1 liegen nicht vor. Nur im Ausnahmefall des § 155 Abs. 2 Satz 2 (Antrag nach § 86b Abs. 1 oder 2) können Vorsitzender oder Berichterstatter über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz allein entscheiden; nur in solchen Fällen zieht die Zuständigkeit zur alleinigen Entscheidung die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Vollzug nach sich. Ist die Sache dem Berichterstatter nach § 153 Abs. 5 übertragen, dürfte es allerdings unbedenklich sein, wenn er unter den genannten Voraussetzungen mit den ehrenamtlichen Richtern über die Aussetzung des Vollzugs entscheidet. Derartige Konstellationen sind indessen schwer vorstellbar. Soweit aus § 199 Abs. 2 Satz 1 folgt, dass der Vorsitzende für die Aussetzung der Vollstreckung zuständig ist, kann hieraus für die Vollzugsaussetzung nichts hergeleitet werden. § 199 Abs. 2 Satz 1 ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen.

 

Rz. 5

Die Entscheidung nach § 175 Satz 3 ergeht aufgrund pflichtgemäßen Ermessens infolge summarischer Beurteilung der Erfolgsaussichten und Interessenabwägung (vgl. OVG Bayern, Beschluss v. 3.8.1993, 5 CE 93.2281, NJW 1993 S. 3090; BGH, Beschluss v. 11.5.2005, XII ZB 63/05, FamRZ 2005, 1064) auf Antrag oder von Amts wegen (vgl. BGH, Beschluss v. 27.7.2006, IX ZB 204/04, BGHZ 169, 17). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ausgesetzt werden kann, wird unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird i. S. einer Interessen- und Folgenabwägung formuliert, es könne dann ausgesetzt werden, wenn durch die Vollziehung dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als dem Gegner, die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint und die Rechtsmittel des Rechtsbeschwerdeführers nicht von vornherein ohne Erfolgsaussicht sind (zu § 570 ZPO: BGH, Beschluss v. 8.3.2005, VIII ZA 5/05, juris; Beschluss v. 6.8.2003, VIII ZB 77/03, juris; vgl. auch LSG...

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