Rz. 67
§ 38 GKG räumt dem Gericht wie in § 192 Abs. 1 die Möglichkeit ein, einem Beteiligten eine Verzögerungsgebühr als Strafgebühr aufzuerlegen, wenn durch das schuldhafte Verhalten des Beteiligten oder seines Vertreters ohne Mitverschulden des Gerichts die Erledigung des Verfahrens nicht nur unwesentlich verzögert wurde(vgl. Komm. zu § 192 Rz. 5) . Es wird die Verletzung der Prozessförderungspflicht der Beteiligten geahndet.
Rz. 68
Voraussetzung für die Auferlegung der Verzögerungsgebühr ist, dass
durch das Verhalten eines Beteiligten oder seines Vertreters eine mündliche Verhandlung vertagt oder ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden ist. Als Verhalten kommt in Betracht:
- die Stellung eines offensichtlich unbegründeten Ablehnungsantrags (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.6.1984, 18 U 203/83,; BFH, Beschluss v. 30.3.1987, IX B 88/85) bzw. eines verzögerten Befangenheitsantrags (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 21.5.2015 ,I-6 W 46/15),
- ein verspäteter Vertagungsantrag,
- die Verletzung der Wahrheitspflicht (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 3.8.2018, 1 W 25/18).
Das Verhalten des Beteiligten oder seines Vertreters muss schuldhaft sein. Es genügt die Außerachtlassung der im Prozess gebotenen Sorgfalt, die Verletzung der im Prozess notwendigen Sorgfalt. Ein grobes Verschulden (wie z. B. Leichtfertigkeit, Gleichgültigkeit, Vorsatz) braucht nicht vorzuliegen. Ein Verhalten, das einem Beteiligten freisteht, reicht nicht aus (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.7.1995, 2 WF 156/95). Das Verschulden eines Vertreters steht nach § 38 Abs. 1 Satz 1 GKG dem Verschulden der Beteiligten gleich.
Das Verhalten des Beteiligten oder seines Vertreters muss für eine tatsächliche sachliche Verzögerung des Rechtsstreits ursächlich sein. Das Gericht muss durch das Verhalten des Beteiligten oder seines Vertreters gehindert werden, den Rechtsstreit sachlich zu fördern. Dabei hat es in Ausübung seiner Prozessförderungspflicht alle Möglichkeiten auszuschöpfen, eine Verzögerung zu verhindern (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.9.1999, 22 W 50/98);
- durch das nachträgliche Vorbringen eines Angriffs- und Verteidigungsmittels, eines Beweismittels oder der Erhebung von Einreden eine Erledigung des Rechtsstreits verzögert worden ist.
Das nachträgliche Vorbringen oder das Unterlassen von Ermittlungen muss früher möglich gewesen sein. Der Beteiligte oder sein Vertreter muss in Verschleppungsabsicht oder grob fahrlässig gehandelt haben. Die Streitsache muss bei rechtzeitigem Vorbringen nicht entscheidungsreif gewesen sein, es genügt die Verursachung einer nicht nur unwesentlichen Verzögerung des Rechtsstreits (OLG München, Beschluss v. 17.7.2000, 11 W 2003/00).
Auf die Kommentierung zur Auferlegung einer Verzögerungsgebühr nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Rz. 5) wird Bezug genommen.
Rz. 69
Die Verzögerungsgebühr kann mehrmals festgesetzt werden. Sie beträgt grundsätzlich eine volle Gebühr. Der Streitwert für die Verzögerungsgebühr richtet sich nach dem Streitwert des Hauptverfahrens (Nr. 7601 KV GKG). Das Gericht kann die Gebühr unter Berücksichtigung der Umstände bis auf einen Gebührensatz von 0,3 ermäßigen.
Die Verzögerungsgebühr wird fällig mit Abgang des Festsetzungsbeschlusses an den Gebührenschuldner (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GKG).
Gebührenschuldner ist allein derjenige, dem die Verzögerungsgebühr auferlegt wird. Auch Beteiligte, die nach § 2 GKG von den Kosten befreit sind, haften nach § 38 GKG (a. A. Hartmann, § 2 GKG Rz. 20, § 2 GKG Sondervorschrift zu § 38 GKG; vgl. § 192 Rz. 3 ff.).
Rz. 70
Bei der Auferlegung einer Verzögerungsgebühr handelt es sich um eine Kostenentscheidung. Zuständig für die Festsetzung der Verzögerungsgebühr ist das Prozessgericht. Die Auferlegung der Gebühr erfolgt durch einen Beschluss, der in jeder Lage des Verfahrens bis zum Erlass des Schlussurteils ergehen kann. Der Beschluss ist zu begründen und dem Gebührenschuldner zuzustellen. Vor Erlass des Beschlusses ist der Betroffene anzuhören.
Gegen den Beschluss nach § 38 GKG ist die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat (§ 69 GKG).