1 Allgemeines
Rz. 1
Die Vorschrift legt den 3-stufigen Aufbau der Sozialgerichtsbarkeit fest und bestimmt ferner, dass entsprechend den Bestimmungen des GG zwischen Gerichten der Länder (Sozial- und Landessozialgerichten) sowie dem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundessozialgericht) zu differenzieren ist (vgl. Art. 30, 92, 95 GG). Mit dem 3-stufigen Aufbau entspricht die Sozialgerichtsbarkeit dem klassischen Aufbau einer Gerichtsbarkeit und unterscheidet sich von der Finanzgerichtsbarkeit mit ihrem in lediglich 2 Stufen gegliederten Verfahren. Die Bestimmung eines 3-stufigen Rechtszuges bedeutet jedoch nicht, dass die Zulässigkeit von Rechtsmitteln nicht eingeschränkt werden kann. Aus § 2 lässt sich jedoch kein Anspruch auf einen 3-stufigen Instanzenzug ableiten, da die funktionelle Zuständigkeit in besonderen Vorschriften geregelt wird. Auch Art. 19 Abs. 4 GG gibt keinen Anspruch auf einen Instanzenzug, sondern gewährleistet nur den Zugang zu den Gerichten (BVerG, Entscheidung v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02).
2 Rechtspraxis
2.1 Tatsachengerichte
Rz. 2
Die Sozialgerichte in erster und die Landessozialgerichte in erster und zweiter Instanz entscheiden als sog. Tatsachengerichte. Das bedeutet, dass sie alle die durch das Klagebegehren bestimmten und für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen zu ermitteln und festzustellen haben. Allein auf der Basis dieser Tatsachenfeststellung kann die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch erfolgen.
Im Bundesgebiet bestehen zurzeit 68 Sozial- und 14 Landessozialgerichte, deren Größe stark differiert (z. B. bei den Sozialgerichten zwischen 3 und 70 Berufsrichtern). Ein Bundesland kann auch mehrere Landessozialgerichte errichten (HK-Lüdtke, SGG, § 2 Rn. 3; a. A. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 2 Rn. 1). Dazu besteht aber kein Bedarf, vielmehr sollte verstärkt von der Möglichkeit, ein gemeinsames Landessozialgericht für mehrere Länder zu erreichen (§ 28 Abs. 2), Gebrauch gemacht werden. Die Errichtung mehrerer Landessozialgerichte in einem Bundesland hatte im Übrigen die Revisibilität von Landesrecht zur Folge (§ 162).
Entsprechend der Gerichtsorganisation in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist für jedes Bundesland nur ein Landessozialgericht als Berufungsgericht errichtet worden, wobei in der Sozialgerichtsbarkeit nach dem Beitritt der neuen Bundesländer erneut diskutiert worden ist, für mehrere Bundesländer ein gemeinsames Landessozialgericht zu errichten. Dies ist durch die Errichtung eines gemeinsamen Landessozialgerichts der Länder Niedersachsen und Bremen (LSG Niedersachsen-Bremen) mit Sitz in Celle und einer Zweigstelle in Bremen (zum 1.4.2002) und durch Errichtung eines gemeinsamen Landessozialgerichts der Länder Berlin und Brandenburg mit Sitz in Potsdam (zum 1.7.2005) erfolgt.
Bis zur Errichtung der Sozial- und Landessozialgerichte in den neuen Bundesländern haben entsprechend den Bestimmungen des Einigungsvertrags besondere Kammern bei den Kreisgerichten und besondere Senate bei dem Bezirksgericht, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat, die Aufgaben der erst- und zweitinstanzlichen sozialgerichtlichen Rechtsprechung wahrgenommen.
2.2 Revisionsgericht
Rz. 3
In dritter (und letzter) Instanz ist das Bundessozialgericht als Revisionsgericht tätig. Als Revisionsgericht entscheidet das Bundessozialgericht aufgrund der von den Instanzgerichten (Sozial- und Landessozialgericht) festgestellten Tatsachen über den geltend gemachten Klageanspruch. Das Bundessozialgericht ist damit daran gehindert, eigene Tatsachenfeststellungen vorzunehmen und muss aus seiner Sicht erforderliche Tatsachenfeststellung von den Instanzgerichten nachholen lassen. Da das Revisionsverfahren von der Zulassung abhängig ist, sind Gegenstand der vom Bundessozialgericht zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. In eng begrenzten Ausnahmefällen wird es gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 erst- und letztinstanzlich tätig und hat dann auch die relevanten Tatsachen selbst festzustellen (z. B. öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen Bund und Ländern sowie verschiedenen Ländern, für die der Weg zu den Sozialgerichten eröffnet ist; Verfahren betreffend Versorgungsangelegenheiten der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, § 88 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 Soldatenversorgungsgesetz – SVG, oder die Neutralitätspflicht der Bundesagentur für Arbeit, § 146 Abs. 6 Satz 4 SGB III).
2.3 Organisatorische Selbständigkeit
Rz. 4
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit müssen als organisatorisch selbständige Einheiten errichtet werden. Während dies auf der Ebene der Gerichte der Länder nie eine diskussionswürdige Frage war, wurde auf Bundesebene eingehend erörtert, ob für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ein gemeinsamer oberster Gerichtshof des Bundes errichtet werden müsse. Diese Diskussion ist erst nach der Neufassung des Art. 95 Abs. 1 GG verstummt, denn danach ist (auch) für die obersten Gerichtshöfe des Bundes eine Verbindung mit Gerichten anderer Gerichtszweige ausgeschlossen. Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rec...