Rz. 28
Die sitzungspolizeilichen Maßnahmen obliegen dem Vorsitzenden (§ 176 GVG). Hierzu rechnen alle Befugnisse und Maßnahmen, die erforderlich sind, um den ungestörten Verlauf der Sitzung zu sichern. Dazu gehören der störungsfreie äußere Ablauf der Verhandlung, ferner die ungehinderte Entscheidungsfindung samt allen darauf gerichteten Beiträgen und Interaktionen der Verfahrensbeteiligten und der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten (vgl. BGH, Urteil v. 7.6.2011, VI ZR 108/10, MDR 2011 S. 847 = VersR 2011 S. 1065; BGH, Beschluss v. 11.2.1998, StB 3/98, BGHSt 44 S. 23).
Rz. 29
Der Begriff der Sitzung ist weit zu verstehen. Die Sitzung beginnt mit dem Öffnen des Sitzungssaals und endet mit dem Verlassen des Saales durch das Gericht (BVerfG, Beschluss v. 11.5.1994, 1 BvR 733/94, NJW 1996 S. 310). Konkreter: Zur öffentlichen Sitzung gehört über den Schluss der Entscheidungsverkündung und die Beendigung der Verhandlung hinaus auch die Zeit, die das Gericht braucht, um in einer seiner Würde angemessenen Weise ohne Hast die mit der endgültigen Abwicklung der verhandelten Sache zusammenhängenden Verrichtungen vorzunehmen und in Ruhe den Sitzungssaal zu verlassen (OLG Rostock, Beschluss v. 19.7.2005, 3 W 53/05). Zur "Sitzung" i. S. d. § 176 GVG rechnen in zeitlicher Hinsicht auch die kurzen Sitzungspausen, nicht aber längere Unterbrechungen wie mehrstündige Mittagspausen (VGH Bayern, Beschluss v. 7.8.2008, 3 ZB 07.2938; KG Berlin, Beschluss v. 11.6.2001, 1 AR 673/01, 5 Ws 305/01; Beschluss v. 5.8.1999, 1 AR 929/99, 5 Ws 464/99).Räumlich begrenzt ist die Sitzungspolizei an sich auf den Sitzungssaal, erfasst werden allerdings auch die vorgelagerten Räumlichkeiten (BVerfG, Beschluss v. 5.1.2006, 2 BvR 2/06, NJW 2006 S. 1500; Beschluss v. 11.5.1994, BvR 733/94, NJW 1996 S. 310; krit. Kissel/Mayer, GVG, § 176 Rn. 10). Hieraus können komplexe Zuständigkeitsabgrenzungen folgen (dazu Bock, jM 2014 S. 123).
Rz. 30
Sitzungspolizeiliche Maßnahmen können sich gegen alle Personen im Saal, Beteiligte wie Zuhörer richten (vgl. BVerfG, Beschluss v. 7.4.1978, 2 BvR 202/78, BVerfGE 48 S. 118 für einen Rechtsanwalt). Es können Personen, die den Ablauf der Sitzung stören, des Saales verwiesen und ihnen das Wort entzogen werden. Ein Rechtsanwalt ohne Robe kann zurückgewiesen werden; er ist dann gem. § 177 SGG nicht beteiligt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 18.2.1970, 1 BvR 226/69, BVerfGE 28 S. 21; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG Rn. 12 m. w. N.; a. A. LAG Niedersachsen, Beschluss v. 29.9.2008, 16 Ta 333/08, AnwBl 2008 S. 883). Weigert sich ein Rechtsanwalt, in der Hauptverhandlung zu Robe und weißem Hemd eine Krawatte anzulegen, kann er als Verteidger zurückgewiesen werden, ohne dass dies verfassungsrechtlich relevant wäre (BVerfG, Beschluss v. 13.3.2012, 1 BvR 210/12, NJW 2012 S. 2570).
Rz. 31
Während der Sitzung kann der Zutritt zu Gericht und Saal nicht ausgeschlossen werden, es sei denn, der Betroffene hat aufgrund früheren Verhaltens generell Hausverbot. Die Anordnungen des Vorsitzenden sind unanfechtbar. Sie können Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein.
Rz. 32
Der Präsident eines Gerichts ist aufgrund seines gewohnheitsrechtlich anerkannten Hausrechts in seiner Funktion als Organ der Justizverwaltung befugt, zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs (verhältnismäßige) Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zu ergreifen. Grenzen für die Ausübung des Hausrechts ergeben sich aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 169 GVG) und den sitzungspolizeilichen Befugnissen des Vorsitzenden nach § 176 GVG (vgl. BVerwG, Beschluss v. 17.5.2011, 7 B 17/11, NJW 2011 S. 2530; hierzu auch BVerfG, Beschluss v. 6.2.2007, 1 BvR 218/07; VGH Bayern, Beschluss v. 7.8.2008, 3 ZB 07.2938; hierzu Bock, jM 2014 S. 123). Der Gerichtspräsident kann sein Hausrecht am Sitzungstag auf den Vorsitzenden übertragen (Kissel/Mayer, GVG, § 176 Rn. 10; Bock, jM 2014 S. 123, 124).
Rz. 33
Das Hausrecht ist von der Sitzungsgewalt des Vorsitzenden abzugrenzen (hierzu Kissel/Mayer, GVG, § 176 Rn. 10; Bock, jM 2014 S. 123, 124). Das hat nicht nur formalen Charakter. Sofern sich Medienvertreter gegen Beschränkungen wehren, wirkt die Zuständigkeit auf den einzuschlagenden Rechtsweg. Maßnahmen des Vorsitzenden nach § 176 GVG können mangels Rechtsweg grundsätzlich nur mit der Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG abgefochten werden (Kissel/Mayer, GVG, § 176 Rn. 48 f.; vgl. auch Rz. 35). Beruht die Beschränkung hingegen auf dem Hausrecht des Präsidenten dürfte, gleich ob die Anordnung vom Präsidenten selbst oder aufgrund Zuständigkeitsübertragung durch den Vorsitzenden erfolgt, der Verwaltungsrechtsweg oder der Rechtsweg nach § 23 EGGVG eröffnet sein (Bock, jM 2014 S. 123, 124 m. w. N.). Im übrigen können Missgriffe bei der Handhabung der Sitzungspolizei im Rechtsmittelverfahren gerügt werden (Kissel/Mayer, GVG, § 175 Rn. 49). Ob dies auch dann gilt, wenn der Präsident das Hausrecht ...