Rz. 71
Beratung und Abstimmung sind in §§ 192 bis 198 GVG geregelt. Nach § 193 GVG dürfen bei der Beratung und Abstimmung außer den zur Entscheidung berufenen Richtern nur die bei demselben Gericht zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigten Personen zugegen sein, soweit der Vorsitzende deren Anwesenheit gestattet. Zweck der Regelung ist es, eine Beeinflussung des Gerichts und zugleich den Anschein einer solchen Beeinflussung zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil v. 9.12.1981, 8 C 29/79, NJW 1982 S. 1716; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 61 Anm. 6). Teilnehmen dürfen und müssen die nach dem Geschäftsverteilungsplan sowie dem internen Senatsbeschluss (vgl. §§ 21e, 21g GVG) für die zu entscheidende Sache zuständigen Richter eines Spruchkörpers. Ist der Spruchkörper nicht vollständig, ist dies ein absoluter Revisionsgrund (§ 202 SGG i. V. m. § 547 Nr. 1 ZPO). Eine Ausnahme gilt lediglich für Referendare im Rahmen ihrer Zuweisung, deren Anwesenheit der Vorsitzende gemäß § 193 Abs. 1 GVG gestatten kann (vgl. BVerwG, a. a. O.), sowie für die bei demselben Gericht beschäftigten wissenschaftlichen Hilfskräfte.
Rz. 72
Auch für Studenten, die im Rahmen ihres rechtswissenschaftlichen Studiums ein Praktikum beim Gericht absolvieren und zur Geheimhaltung verpflichtet worden sind, gilt eine Ausnahme (so auch Kissel/Mayer, GVG, § 193 Rn. 22; Seifert, MDR 1996 S. 125). Die gegenteilige Auffassung des BGH (Urteil v. 30.3.1995, 4 StR 33/95, NJW 1995 S. 2645) verkennt den Sinngehalt des § 193 GVG. Studenten der zweistufigen Juristenausbildung gehören nach Auffassung des BGH im Gegensatz zu Rechtsreferendaren nicht zu dem von § 193 Abs. 1 GVG erfassten Personenkreis, auch wenn sie bei dem Gericht ein vorgeschriebenes Praktikum ableisten, denn die nach § 5a Abs 3 Satz 2 DRiG vorgeschriebenen "praktischen Studienzeiten" seien keine der Tätigkeit von Referendaren vergleichbare Ausbildungsverhältnisse (so auch OLG Karlsruhe, Beschluss v. 26.9.1968, 3 Ss 80/68, NJW 1969 S. 628; OLG Bremen, NJW 1959 S. 1145; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 61 Rn. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 193 GVG Rn. 3; W.-R.Schenke, in:Kopp/Schenke,VwGO, § 55 Rn. 12; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, § 55 Rn. 16). Der BGH übersieht indes, dass Studenten nicht lediglich informiert werden sollen, sondern zur Ausbildung bei Gericht beschäftigte Personen i. S. d. Vorschrift sind. Zudem ist nicht zu besorgen, dass das Gericht durch die Studenten in seiner Urteilsfindung beeinträchtigt werden könnte, zumal dieser Aspekt auch für die zur Beratung zugelassenen Referendare und ausländischen Juristen gelten müsste. Die vom BGH (a. a. O.) ferner geäußerte Befürchtung, dass die Teilnahme von Studenten die Vertraulichkeit der Urteilsfindung gefährde, dürfte allenfalls fiktiver Natur sein (so im Ergebnis auch OVG Hamburg, Beschluss v. 6.4.1998, Bf III 33/97; Bayreuther, JuS 1996 S. 686; Seifert, MDR 1996 S. 125; Speiermann, NStZ 1996 S. 397; Kissel/Mayer, GVG, § 193 Rn. 24; Kreft, NJW 1969 S. 1784; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 61 Anm. 6 allerdings nur für Rechtspraktikanten im Rahmen der einstufigen Juristenausbildung).
Rz. 73
Weitere Personen dürfen nicht teilnehmen. Ein absoluter Revisionsgrund liegt vor, wenn an der Beratung eine hierzu nicht befugte Person teilnimmt (§ 202 SGG i. V. m. § 547 Abs. 1 ZPO). Referendare betreffend ist die förmliche Zuweisung maßgebend (BVerwG, Urteil v. 9.12.1981, 8 C 29/79, NJW 1982 S. 1716); für Studenten gilt entsprechendes (vgl. Rz. 55). Soweit der BGH in seinem Urteil v. 2.10.1964 (2 StR 118/64, GA 1965 S. 93) die Auffassung vertreten hat, die der juristischen Ausbildung dienende Beschäftigung eines Referendars dauere trotz des Ablaufs der Zeit, für die er dem Gericht förmlich zugewiesen sei, bis zur Erledigung des Auftrags an, mit dem ihm Gelegenheit gegeben werde, eine zur ordnungsmäßigen Ableistung des Vorbereitungsdienstes notwendige Arbeit nachzuholen, ist dem entgegenzutreten. Sie führt nicht nur zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen eine die förmliche Zuweisungszeit übergreifende Ausbildung als notwendig anzusehen ist, sowie hinsichtlich der Bestimmung der Dauer dieser Ausbildung. Sie wird auch dem Gesetzeszweck nicht gerecht. Nach dem Zweck des § 193 GVG ist eine enge, an formale Kriterien anknüpfende Auslegung geboten. Danach bedarf es einer formal eindeutigen Abgrenzung der "Beschäftigung" in zeitlicher Hinsicht, die allerdings auch den Erfordernissen der Ausbildung hinreichend Rechnung tragen muss. Das ist bei einer auf die förmliche Zuweisung abstellenden Auslegung der Fall (zutreffend BVerwG, a. a. O.). Ausgeschlossen sind auch Protokollführer (Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 61 Anm. 6) und Dienstaufsichtspersonen (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 61 Rn. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 193 GVG Rn. 5).
Rz. 74
Ein freiwilliges Berufsorientierungspraktikum von Abiturienten berechtigt nicht zur Teilnahme an der Urtei...