Rz. 17

Prozesshandlungen Prozessunfähiger sind unwirksam. Das gilt auch für eine Prozesshandlung, die während einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit i. S. d. § 105 Abs. 2 BGB vorgenommen wird (BSG, Beschluss v. 15.11.2000, B 13 RJ 53/00 B, SozR 3-1500 § 160a Nr. 32).

 

Rz. 18

Erfolgt die Abweisung des Rechtsbehelfs eines Beteiligten als unzulässig wegen mangelnder Prozessfähigkeit, gilt er im Rechtsmittelverfahren als prozessfähig (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 8.3.2010, L 23 SO 24/10 B ER, juris). Die von einem Prozessunfähigen erhobene Klage kann allerdings nicht ohne Weiteres als unzulässig abgewiesen werden, denn das Rechtsmittel eines Beteiligten, der sich dagegen wendet, dass er in der Vorinstanz zu Unrecht als prozessunfähig (bzw. prozessfähig) behandelt worden sei, ist ohne Rücksicht darauf zulässig, ob die für die Prozessfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen festgestellt werden können (BSG, Beschluss v. 3.7.2003, B 7 AL 216/02 B, SozR 4-1500 § 72 Nr. 1; BGH, Beschluss v. 4.11.1999, BGHZ 143, 122). Solange kein gesetzlicher Vertreter bestellt ist, muss in solchen Fällen ein besonderer Vertreter (§ 72 Abs. 1 SGG) bestellt werden (BSG, Beschluss v. 30.9.2009, B 9 SB 10/09 B, juris; Beschluss v. 3.7.2003, B 7 AL 216/02 B, SozR 4-1500 § 72 Nr. 1; Urteil v. 28.5.1957, 3 RJ 98/54, BSGE 5, 176). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Rechtsmittel derart offensichtlich haltlos ist, dass die Genehmigung der Prozessführung durch einen Vertreter von vornherein ausgeschlossen erscheint (BSG, Urteil v. 28.5.1957, 3 RJ 98/54, BSGE 5, 176, 178 f.; LSG NRW, Urteil v. 25.3.2010, L 9 SO 7/09, juris; LSG Hamburg, Urteil v. 10.12.2009, L 5 AS 6/09, juris, Urteil v. 14.10.2004, L 5 AL 57/04). An die "offensichtliche Haltlosigkeit" sind strenge Anforderungen zu stellen (BSG, Beschluss v. 3.7.2003, B 7 AL 216/02 B, SozR 4-1500 § 72 Nr. 1 Rn. 11). Bei Gefahr im Verzug kommt eine einstweilige Zulassung nach § 71 Abs. 6 SGG i. V. m. § 56 Abs. 2 ZPO in Betracht. Die Prozessführung eines Prozessunfähigen kann durch nachträgliche Genehmigung wirksam werden. Eine solche Genehmigung kann bereits in der rügelosen Fortsetzung des Rechtsstreits liegen.

 

Rz. 19

Der Verlust der Prozessfähigkeit eines Beteiligten führt, wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten gegeben ist, nicht zur Unterbrechung des Verfahrens (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 3.6.2004, L 3 B 55/04 KA, Breith 2004, 907).

 

Rz. 20

Fehlende Vertretung eines prozessunfähigen Beteiligten ist nach dem gem. § 202 SGG auch in sozialgerichtlichen Verfahren anzuwendenden § 547 Nr. 4 ZPO ein absoluter Revisionsgrund, bei dessen Vorliegen die Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen ist (BSG, Beschluss v. 30.9.2009, B 9 SB 10/09 B, juris). Wird die Betreuung eines nicht i. S. d. § 71 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 104 ff. BGB prozessfähigen Klägers im Laufe des Berufungsverfahrens aufgehoben, so ist dieser von der Aufhebung der Betreuung bis zur Bestellung eines neuen Betreuers nicht ordnungsgemäß vertreten; dies stellt einen absoluten Revisionsgrund i. S. v. § 202 SGG i. V. m. § 547 Nr. 4 ZPO dar (BSG, Urteil v. 16.12.2009, B 7 AL 13/08 R, juris). Das BSG ist bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen, auf die Kontrolle beschränkt, ob das Berufungsgericht von zutreffenden Maßstäben für die Beurteilung der Prozessfähigkeit ausgegangen ist (BSG, Beschluss v. 5.5.2010, B 6 KA 49/09 B, juris).

Die Prozessunfähigkeit eines Beteiligten berechtigt auch zur Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 179 SGG i. V. m. § 579 Nr. 4 ZPO.

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