Rz. 19
Durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts v. 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840) ist § 73 Abs. 4 entsprechend der Aufhebung des § 166 durch Art. 12 Nr. 8 RBG eingefügt worden. Hierzu BT-Drs. 16/3655 S. 96:
"Die Vorschrift ordnet in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht an, dass vor dem Bundessozialgericht ein Vertretungszwang besteht. Der Grundsatz, dass die Beteiligten auch vor den Landessozialgerichten selbst auftreten können, soll beibehalten werden. In PKH-Verfahren besteht auch künftig kein Vertretungszwang vor dem Bundessozialgericht. Die im Verfahren vor den Sozialgerichten vertretungsbefugten Gewerkschaften, Verbände und Gesellschaften sollen ihre Vertretungsbefugnis auch im Verfahren vor dem Bundessozialgericht behalten. Hier soll allerdings, um den besonderen juristischen Kenntnissen, die das Revisionsverfahren in allen Verfahrensordnungen gleichermaßen erfordert, künftig wie in allen übrigen Verfahrensordnungen der vor dem Bundessozialgericht handelnde Vertreter die Befähigung zum Richteramt besitzen. Für Diplom-Juristen aus dem Beitrittsgebiet sieht § 5 RDGEG eine Gleichstellung vor (vgl. Begründung zu Artikel 2 § 5). Gleiches soll künftig auch für die in Satz 4 genannten Vertreter von Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts gelten. Die sprachliche Neufassung der öffentlichen Stellen, die sich nach Satz 4 im Verfahren vor dem Bundessozialgericht durch eigene Mitarbeiter vertreten lassen dürfen, erfolgt aus Gründen der Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen und beinhaltet keine inhaltlichen Änderungen, insbesondere keine Einschränkungen bereits bestehender Vertretungsbefugnisse. Die in Satz 4 verwendeten Begriffe sind dem Anwendungsbereich der Verfahrensordnung entsprechend auszulegen. Die bereits nach geltendem Recht bestehende Gleichstellung der privaten Pflegeversicherungsunternehmen wird beibehalten. Hinzu tritt die Möglichkeit für Träger der Sozialversicherung (gesetzliche Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Rentenversicherungsträger), sich durch einen Volljuristen eines anderen Versicherungsträgers oder einen Verbandsjuristen vertreten zu lassen. Dies entspricht der Sonderregelung in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1. Der letzte Satz enthält den allgemeinen Grundsatz des Selbstvertretungsrechts, der in allen Verfahrensordnungen ausdrücklich geregelt wird (vgl. Begründung zu Artikel 11 Nr. 1)."
Wie bisher müssen sich alle Beteiligten vor dem BSG durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Es besteht Vertretungszwang. Eine Ausnahme bildet das Prozesskostenhilfeverfahren. Beantragt ein Beteiligter innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe, beginnt mit dem Zugang der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe eine erneute Frist, innerhalb der ein Prozessbevollmächtigter nach § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen und die versäumte Rechtshandlung wirksam vornehmen kann.
Rz. 20
Der vor allen obersten Gerichtshöfen des Bundes bestehende Vertretungszwang dient sowohl den Interessen des betroffenen Bürgers, der weder die Erfolgsaussichten einer Revision noch deren Zulassungsvoraussetzungen abschätzen kann, als auch denen des Revisionsgerichts, um dieses von unsinnigen und ggf. wenig sachgerecht vorbereiteten Verfahren zu entlasten (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73 Rn. 39). Der Vertretungszwang soll sicherstellen, dass der Prozessstoff in rechtlicher Hinsicht aufbereitet und dadurch die Effektivität der mündlichen Verhandlung und der Verfahrensdurchführung gesichert, der Streit versachlicht und Chancengleichheit hergestellt werden. Zum Anderen dient die Vorschrift dem Schutz der Prozessparteien, da ihr Begehren schon vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens einer kritischen an rechtlichen Maßstäben orientierten Prüfung unterzogen wird und die Partei Hilfestellung bei der Einhaltung der Verfahrensvorschriften erhält (Burgermeister, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 1. Aufl. 2010, § 78 Rn. 1). Im Rahmen der Neuordnung der Prozessvertretung durch das Rechtsberatungsneuregelungsgesetz v. 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840) hat der Gesetzgeber diese Regelung verschärft und die zuvor bestehenden Ausnahmen in der Vorläufervorschrift § 166 Abs. 1 SGG a. F. für Behörden, Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie Anstalten des öffentlichen Rechts sowie die Regelung über besonders Beauftragte in § 71 Abs. 3 SGG a. F. abgeschafft. Folge des Vertretungszwanges ist, dass nur der Prozessbevollmächtigte postulationsfähig ist und damit nur dieser wirksam Prozesshandlungen vornehmen kann (vgl. Leitherer, SGG, § 73 Rn 55). Von diesem gesetzlichen Vertretungszwang nimmt § 73 Abs. 4 allein das Prozesskostenhilfeverfahren aus, um den Zugang zu Gericht für unbemittelte Personen zu eröffnen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 14.12.2006, 1 BvR 2236/06, BVerfGK 10 S. 84). Als Bevollmächtigte sind außer den in § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG bezeichneten Personen nur die in § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Organisationen zugelassen.
Rz. ...