1 Allgemeines
Rz. 1
Die Regelung korrespondiert mit der Vorschrift des § 87 über die Klagefrist. Für sämtliche Alternativen des § 89 gilt bereits deswegen keine Klagefrist, weil es dafür an einer Rechtsgrundlage fehlt. Die Vorschrift ist deshalb überflüssig. Selbst zur Klarstellung ist die Regelung nur bedingt geeignet, da sie keine abschließende Aufzählung der Klagen ohne Klagefrist enthält. Nach allgemeiner Meinung gilt die Zulässigkeitsvoraussetzung der Einhaltung der Klagefrist ausschließlich in den von § 87 erfassten Fällen. § 89 regelt aber ausdrücklich nur einen Teil davon, nämlich die Feststellungsklagen nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 und 4 sowie die Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1. Weshalb z. B. die übrigen Feststellungsklagen nach § 55 ausgenommen sind, erschließt sich nicht.
2 Rechtspraxis
Rz. 2
Zu den Klagen, für die die Klagefrist von einem Monat gilt, siehe die Ausführungen zu § 87 Rn. 2 ff. Hierunter fällt insbesondere nicht die echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5.
Für die in § 89 ausdrücklich geregelten Fallgestaltungen gilt Folgendes:
2.1 Alternative 1 (Nichtigkeit eines Verwaltungsakts)
Rz. 3
Betroffen ist die Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 4. Die Erhebung einer solchen Klage soll nicht an eine Frist gebunden sein, weil ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam ist und daher auch keine Rechtswirkungen entfalten kann. Wegen des Rechtsscheins eines nichtigen Verwaltungsakts kann aber gleichwohl ein rechtliches Bedürfnis bestehen, den Tatbestand der Nichtigkeit gerichtlich feststellen zu lassen. Jeder, der von dem Verwaltungsakt betroffen sein könnte, kann deshalb zulässigerweise die Klage erheben, sobald sich der Verwaltungsakt ungünstig auswirken könnte. Insofern lässt sich das Ende des Zeitraums, in dem die Feststellung rechtlich relevant sein könnte, nicht näher eingrenzen. Gleichwohl ist im Einzelfall – wie bei jeder Klage – zu prüfen, ob ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Hat z. B. die Behörde selbst bereits die Nichtigkeit festgestellt, so ist die Zulässigkeit der Klage problematisch. Sie hängt aber immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Nach § 40 Abs. 5 SGB X kann die Behörde die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie bei berechtigtem Interesse zwingend festzustellen.
Rz. 4
Wahlweise kann der Betroffene auch eine Anfechtungsklage erheben. Diese wird wegen des durch den nichtigen Verwaltungsakt gesetzten Rechtsscheins grundsätzlich für zulässig erachtet. Wird der Weg der Anfechtungsklage gewählt, müssen aber alle Voraussetzungen für eine Anfechtungsklage erfüllt werden, also vor allem die Klagefrist des § 87 eingehalten und ein nach § 78 zwingend vorgeschriebenes Vorverfahren durchgeführt werden.
Rz. 5
Da die Behörde nach § 40 Abs. 5 SGB X unter Umständen verpflichtet ist, die Nichtigkeit des Verwaltungsakts festzustellen, kann auch eine Verpflichtungsklage erhoben werden. Dann aber wiederum unter den für eine Verpflichtungsklage geltenden Voraussetzungen.
Rz. 6
Wann ein nichtiger Verwaltungsakt vorliegt, richtet sich nach § 40 Abs. 1 bis 4 SGB X. Ein Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X ist entweder in den in § 40 Abs. 2 SGB X ausdrücklich festgeschriebenen Fällen nichtig oder nach § 40 Abs. 1 SGB X wegen eines besonders schweren Fehlers, wenn der Fehler evident ist. Zur Abgrenzung zwischen einem evident rechtswidrigen und einem nur anfechtbaren rechtswidrigen Verwaltungsakt existiert umfangreiche Literatur und Rechtsprechung.
2.2 Alternative 2 (Feststellung des zuständigen Versicherungsträgers)
Rz. 7
Betroffen ist die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 2. Gemeint sind Fälle, in denen ausschließlich die Zuständigkeit des Trägers streitig ist. Mit der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 kann nicht auf Feststellung geklagt werden, ob überhaupt ein Rechtsverhältnis zu einem der Träger besteht. Letzteres wäre eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1. Eine Zuständigkeitsklage könnte z. B. in einem Fall des Krankenkassenwechsels erhoben werden, wenn unklar ist, welche Kasse für die begehrte Leistungserbringung zuständig ist. So kann trotz neuer Kassenmitgliedschaft noch ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen die vorherige Krankenkasse bestehen, wenn die Kosten zur Zeit der dortigen Mitgliedschaft entstanden sind.
Hat einer der angegangenen Träger bereits einen Verwaltungsakt erlassen, so genügt zumindest die reine Feststellungsklage nicht mehr. Denn dann muss der Verwaltungsakt fristgemäß angefochten werden. Mit der Feststellungsklage darf nicht die Unzulässigkeit einer isolierten oder kombinierten Anfechtungsklage umgangen werden.
Bei der (reinen) Zuständigkeitsfeststellungsklage fehlen ansonsten Umstände, an die für eine Klagefrist angeknüpft werden könnte.
2.3 Alternative 3 (Untätigkeit)
Rz. 8
Betroffen ist die Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1. Die Behörde hat einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund innerhalb von 6 Monaten nicht beschieden. Es liegt also noch gar kein Verwaltungsakt vor, so dass auch nicht ersichtlich ist, woran eine Klagefrist anknüpfen sollte. Die Regelung ist daher in doppeltem Sinne entbehrlich.
Wird die Klage weit nach Ablauf der 6-Monatsfrist erhoben, so könn...