Dr. Christoph Eppinger, Dr. Daniela Kelm
Rz. 55
Die Berufssatzung konkretisiert die Fallgruppen der Besorgnis der Befangenheit noch weitergehend, als es durch die Kategorisierung in § 319 Abs. 2 (geschäftliche, finanzielle oder persönliche Beziehungen) erfolgt. Nach § 29 Abs. 2 BS WP/vBP kann die Unbefangenheit insbes. durch Eigeninteressen, Selbstprüfung, Interessenvertretung, persönliche Vertrautheit sowie Einschüchterung beeinträchtigt sein – auch diese Aufzählung ist nicht abschließend, so dass weitere Beeinträchtigungen möglich sind. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn die genannten Umstände geeignet sind, die Urteilsbildung unsachgemäß zu beeinflussen; sie ist zu verneinen, wenn die Gefährdung der Unabhängigkeit unbedeutend ist (§ 29 Abs. 3 BS WP/vBP).
Rz. 56
Die BS WP/vBP nennt in § 32 (wiederum nicht abschließend) Tatbestände, bei denen Eigeninteressen finanzieller Art (Abs. 1) und sonstiger Art (Abs. 2) vorliegen können. So können gem. § 32 Abs. 1 BS WP/vBP zur Besorgnis der Befangenheit die folgenden Sachverhalte führen (Erl. zur BS WP/vBP zu § 32):
- kapitalmäßige oder sonstige finanzielle Bindungen unmittelbar an das zu prüfende Unternehmen (Nr. 1);
- kapitalmäßige oder sonstige finanzielle Bindungen an ein anderes Unternehmen, an dem auch das zu prüfende Unternehmen, einer seiner gesetzlichen Vertreter, ein Gesellschafter mit beherrschendem Einfluss oder ein Mitglied des AR ein nicht nur unwesentliches finanzielles Interesse hat (Nr. 2);
- übermäßige Umsatzabhängigkeit gegenüber dem zu prüfenden Unternehmen, wobei auf den in § 319 Abs. 3 Nr. 5 genannten Schwellenwert abzustellen ist (Nr. 3);
- Bezug von Gütern und Dienstleistungen vom zu prüfenden Unternehmen, der über den normalen Geschäfts- oder Lieferverkehr mit Dritten hinausgeht, dh. wenn diese Geschäfte nicht wie zwischen fremden Dritten geschlossen wurden und etwa ungewöhnliche, den Prüfer begünstigende Konditionen enthalten – wohingegen solche Rabatte unschädlich sind, die auch Dritten gewährt werden (Nr. 4);
- Forderungen gegen das zu prüfende Unternehmen aus einem Kredit- oder Bürgschaftsverhältnis, wenn sie zu dem Risiko führen, dass der Prüfer in seinem Prüfungsurteil durch die Sorge über nachteilige Auswirkungen etwaiger Prüfungsfeststellungen auf die Solvenz seines Schuldners beeinflusst wird (Nr. 5), dementsprechend kann auch eine Kreditaufnahme beim Mandanten zu einer Besorgnis der Befangenheit führen, vor allem, wenn der Mandant etwa wegen nicht festgelegter Konditionen erheblichen wirtschaftlichen Druck auf den Prüfer ausüben kann. Hingegen ist keine entsprechende Besorgnis anzunehmen, wenn der Mandant eine Bank ist und die Kreditvergabe unter marktüblichen Bedingungen erfolgt oder das Darlehen der Höhe nach unwesentlich ist,
- Honorarforderungen gegen das zu prüfende Unternehmen, wenn sie über einen längeren Zeitraum offenstehen und einen für die Vermögensverhältnisse des Prüfers nicht unerheblichen Betrag erreichen (Nr. 6).
Rz. 57
Die Tatbestände des § 32 Abs. 2 BS WP/vBP zu Eigeninteressen sonstiger Art betreffen Risiken für die Unbefangenheit des Prüfers, die sich im Zusammenhang mit früheren Pflichtverletzungen ergeben können. Die abstrakte Möglichkeit vorangegangener Pflichtverletzungen führt als allgemeines, nicht ausschließbares Risiko nicht zur Besorgnis der Befangenheit. Vielmehr müssen für eine solche Annahme weitere Umstände hinzutreten. Nach § 32 Abs. 2 Nr. 1 BS WP/vBP kann eine Besorgnis der Befangenheit vorliegen, wenn der Prüfer einen von ihm erkannten Fehler in der Rechnungslegung (und damit ggf. eine Pflichtverletzung bei einer vorangegangenen Prüfung) nicht offenbart, da dann auch das Risiko besteht, dass er seine Feststellung erneut verschweigt, um eine Inanspruchnahme bzw. einen etwaigen Reputationsverlust zu vermeiden (Verdeckungsrisiko). Dementsprechend ist nicht mehr von einem Verdeckungsrisiko auszugehen, wenn Fehler in der Rechnungslegung bekannt geworden und im Folgeabschluss beseitigt bzw. vermieden worden sind (Erl. zur BS WP/vBP zu § 32). Hingegen kann ein Verdeckungsrisiko bestehen, wenn der Abschlussprüfer bei seiner vorangegangenen Tätigkeit einer Erstellung eines Verschmelzungswertgutachtens absehbare Risiken für ein an der Verschmelzung beteiligtes Unternehmen unberücksichtigt gelassen hat – für den Prüfer erschwerend wog es in einem solchen Fall, dass er sich bereits Schadensersatzansprüchen in beträchtlicher Höhe ausgesetzt sah (vgl. BGH v. 25.11.2002 – II ZR 49/01, BB 2003, 465, HypoVereinsbank).
Rz. 58
Nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 BS WP/vBP können außerdem offene Rechtsstreitigkeiten über Regress- oder Gewährleistungsfragen aus früheren Aufträgen Eigeninteressen sonstiger Art darstellen und eine Besorgnis der Befangenheit begründen. Ob Rechtsstreitigkeiten als Druckmittel des Mandanten gegen den Prüfer anzusehen sind, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In dieser Beurteilung müssen die Art der erhobenen Vorwürfe, die Substantiierung derselben sowie der Umf...