Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag – Klagefrist – enger sachlicher Zusammenhang zwischen zwei Arbeitsverhältnissen
Leitsatz (amtlich)
Mit der Versäumung der Klagefrist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG werden alle Voraussetzungen einer rechtswirksamen Befristung fingiert.
Normenkette
BeschFG § 1 Abs. 5 Sätze 1-2; KSchG §§ 7, 1 Abs. 1; Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel vom 18. Juni 1993 § 2 A Nr. 6
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 22. April 1998 – 5 Sa 65/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte ist ein Versandhandelsunternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern. Sie beschäftigt in ihrem Lager regelmäßig 600 bis 800 befristet eingestellte Aushilfskräfte. Die Klägerin war dort aufgrund zahlreicher befristeter Arbeitsverträge seit 7. September 1994 mit wiederholten Unterbrechungen als Lagerhilfe tätig. Der letzte Vertrag sah ursprünglich eine Beschäftigung vom 1. August 1996 bis 11. September 1996 vor und wurde durch Vertrag vom 10. September 1996 bis zum 31. Oktober 1996 verlängert. Davor war die Klägerin aufgrund mehrfach verlängerter Verträge vom 2. Oktober 1995 bis 29. März 1996 tätig.
Auf die Arbeitsverhältnisse fanden die Bestimmungen des vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1996 für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrags für den Hamburger Einzelhandel vom 18. Juni 1993 (MTV) Anwendung. Dieser sieht in § 2 A Nr. 6 folgendes vor:
„Ein Arbeitsverhältnis zur Aushilfe, das über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird, gilt als Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit.”
Mit ihrer am 31. Oktober 1996 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die letzte Befristung sei mangels eines Sachgrunds unwirksam. Eines solchen habe es bedurft, da der Klägerin der gesetzliche Kündigungsschutz nach dem KSchG vorenthalten worden sei. Unabhängig davon sei gemäß § 2 A Nr. 6 MTV ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 31. Oktober 1996 hinaus ein ungekündigtes und unbefristetes Arbeitsverhältnis als Lagerhilfe besteht,
- für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Lagerhilfe weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, für die Befristung sei kein sachlicher Grund erforderlich gewesen, da das letzte Arbeitsverhältnis nicht länger als sechs Monate gedauert habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der letzten Befristung mit Ablauf des 31. Oktober 1996 geendet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 166 mwN) ist grundsätzlich lediglich der letzte befristete Arbeitsvertrag der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle zu unterziehen. Dies war vorliegend der am 10. September 1996 geschlossene Vertrag, durch den der am 1. August 1996 geschlossene, zum 11. September 1996 befristete Vertrag verlängert wurde.
Die in dem Vertrag vom 10. September 1996 vereinbarte Befristung zum 31. Oktober 1996 bedurfte, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, keines sie rechtfertigenden Sachgrundes. Ein solcher ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit Großer Senat 12. Oktober 1960 – GS 1/59 – BAGE 10, 65) nur dann erforderlich, wenn durch die Befristung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer der Schutz zwingender Kündigungsschutzbestimmungen entzogen wird. Dies war vorliegend hinsichtlich des allein in Betracht kommenden § 1 KSchG nicht der Fall.
Der gesetzliche Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 KSchG setzt voraus, daß das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Diese Wartezeit ist im Streitfall nicht erfüllt. Auch unter Einbeziehung des für die Zeit vom 1. August 1996 bis 11. September 1996 geschlossenen Arbeitsvertrags bestand das Arbeitsverhältnis am 31. Oktober 1996 erst drei Monate. Vor dem 1. August 1996 lag eine rechtlich erhebliche Unterbrechung.
a) Das vorangegangene, ab 2. Oktober 1995 ununterbrochen bestehende, mehrfach verlängerte und zuletzt bis 29. März 1996 befristete Arbeitsverhältnis bestand entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nach § 2 A Nr. 6 MTV über diesen Zeitpunkt hinaus unbefristet fort. Eine tatsächliche Fortsetzung dieses Arbeitsverhältnisses über den 29. März 1996 hinaus erfolgte nicht. Auch rechtlich war das Arbeitsverhältnis am 29. März 1996 beendet. Dabei kann dahinstehen, ob § 2 A Nr. 6 MTV der zwischen den Parteien zum 29. März 1996 vereinbarten Befristung entgegenstand. Denn jedenfalls hat die Klägerin die etwaige Unwirksamkeit der Befristungsabrede nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht.
Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG in der Fassung vom 25. September 1996 muß der Arbeitnehmer, wenn er die Unwirksamkeit einer Befristung geltend machen will, innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht erheben. Wird diese Frist nicht gewahrt, gilt die Befristung gemäß § 7 KSchG iVm. § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG als von Anfang an rechtswirksam. Die Klagefrist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG gilt auch bei Arbeitsverträgen, die nicht nach den Bestimmungen des BeschFG befristet sind (BAG 20. Januar 1999 – 7 AZR 715/97 – AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 21, zu II 1 der Gründe). Die Vorschrift findet ferner auch auf die vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossenen Verträge Anwendung, bei denen das vereinbarte Fristende vor dem 1. Oktober 1996 lag, aber erst nach diesem Zeitpunkt zur gerichtlichen Überprüfung gestellt wurde (BAG 20. Januar 1999 aaO, zu II 2 der Gründe). In diesen Fällen wurde die dreiwöchige Klagefrist am 1. Oktober 1996 in Lauf gesetzt. Die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG iVm. § 7 KSchG trat folglich mit Ablauf des 21. Oktober 1996 ein (BAG 20. Januar 1999 aaO, zu II 3 der Gründe). Da die Klagefrist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG für alle Klagen gilt, mit denen die Unwirksamkeit einer Befristung geltend gemacht wird (BAG 20. Januar 1999 aaO, zu II 1 b der Gründe), werden mit ihrer Versäumung alle Voraussetzungen einer rechtswirksamen Befristung fingiert (KR-Lipke 5. Aufl. § 1 BeschFG 1996 Rn. 171). Vorliegend hat es die Klägerin versäumt, eine etwa sich aus § 2 A Nr. 6 MTV ergebende Unwirksamkeit der zum 29. März 1996 vereinbarten Befristung bis zum 21. Oktober 1996 durch Klage beim Arbeitsgericht geltend zu machen. Diese Befristung gilt daher als von Anfang an rechtswirksam.
b) Die vier sich nahtlos aneinander anschließenden Arbeitsverhältnisse in der Zeit vom 2. Oktober 1995 bis 29. März 1996 sind bei der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht zu berücksichtigen. Allerdings sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf die Wartezeit die Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber dann anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in engem sachlichen Zusammenhang mit dem früheren steht (BAG10. Mai 1989 – 7 AZR 450/88 – BAGE 62, 48, zu II c aa der Gründe; BAG 20. August 1998 – 2 AZR 83/98 – AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 10 = EzA KSchG § 1 Nr. 50, zu II 1 der Gründe). Zwar legt der Gesetzeswortlaut – „ohne Unterbrechung” – nahe, daß nach jeder rechtlichen Unterbrechung die Wartefrist neu zu laufen beginnt. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ist es jedoch gerechtfertigt, hiervon in Fällen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen eine Ausnahme zu machen. Angesichts des Gesetzeswortlauts sind allerdings einer solchen Ausnahme enge Grenzen gesetzt (BAG 10. Mai 1989 aaO, zu II c bb der Gründe). Bei der Prüfung des engen sachlichen Zusammenhangs kommt es insbesondere auf Anlaß und Dauer der Unterbrechung sowie auf die Art der Weiterbeschäftigung an (BAG 10. Mai 1989 aaO, zu II c aa der Gründe; BAG 20. August 1998 aaO, zu II 1 der Gründe). Starre zeitliche Grenzen gibt es insoweit nicht. Der Dauer der Unterbrechung kommt aber eine wichtige Bedeutung zu. Je länger die zeitliche Unterbrechung währt, desto gewichtiger müssen die sonstigen für einen sachlichen Zusammenhang sprechenden Umstände sein (BAG 20. August 1998 aaO; BAG 10. Mai 1989 aaO, zu II c aa der Gründe; vgl. auch BAG 20. März 1996 – 7 AZR 687/95 – nv., zu II 3 b der Gründe).
Im Streitfall war die zeitliche Unterbrechung von mehr als vier Monaten sehr beträchtlich und ging deutlich über die Unterbrechungen von 2 2/3 Monaten bzw. von einem Monat und 10 Tagen hinaus, in denen das Bundesarbeitsgericht einen sachlichen Zusammenhang bereits verneint hat (BAG 11. November 1982 – 2 AZR 552/81 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 71 = EzA BGB § 620 Nr. 61, zu B II 2 a der Gründe; BAG 15. Dezember 1983 – 2 AZR 166/82 – nv., zu C II 1 b der Gründe). Es müßten daher ganz besondere sonstige Umstände vorliegen, um gleichwohl einen engen sachlichen Zusammenhang anzunehmen. Solche Umstände sind nicht gegeben. Den Anlaß der Unterbrechung hatte allerdings die Beklagte durch die von ihr gewünschte Befristung des früheren Arbeitsverhältnisses gesetzt. Auch waren die Arbeitsbedingungen im neuen und im früheren Arbeitsverhältnis im wesentlichen dieselben. Die neue Tätigkeit der Klägerin war zwar ähnlich, aber nicht identisch und stellte sich somit nicht als Fortsetzung derselben Tätigkeit dar. Diese Umstände erscheinen bei der gebotenen einzelfallbezogenen Würdigung nicht als ausreichend, um trotz der Länge der zeitlichen Unterbrechung einen sachlichen Zusammenhang anzunehmen.
Der Senat hat schließlich erwogen, ob ein enger sachlicher Zusammenhang dann angenommen werden kann, wenn ein Arbeitgeber einen festen Bestand von Arbeitnehmern planmäßig mit zeitlich erheblichen Unterbrechungen wiederkehrend in einer Art „Personalkarussell” einsetzt, um sich zwar einerseits die von den Arbeitnehmern bereits gewonnenen betrieblichen Kenntnisse und Erfahrungen zunutze zu machen, andererseits aber das Entstehen von gesetzlichem Kündigungsschutz zu verhindern (vgl. insoweit zu § 1 BeschFG Däubler in Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 4. Aufl. § 1 BeschFG Rn. 34). Die Frage konnte jedoch vorliegend dahinstehen, da es insoweit an einem hinreichend konkreten Vortrag der Klägerin fehlt. Der Umstand, daß die Beklagte in ihrem Lager regelmäßig 600 bis 800 befristet eingestellte Aushilfskräfte beschäftigt, reicht allein zur Annahme eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Arbeitsverhältnissen der Klägerin nicht aus. Nur ein konkreter Vortrag zu Art und Umfang des immer wiederkehrenden Einsatzes von Aushilfsarbeitskräften aufgrund entsprechender Planungen der Beklagten hätte Anlaß zu weiterer Sachverhaltsaufklärung und zu einer anderen Bewertung des sachlichen Zusammenhangs der verschiedenen Arbeitsverhältnisse geben können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Linsenmaier, Peter Haeusgen, G. Güner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.02.2000 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 305 |
BB 2000, 1250 |
DB 2000, 1285 |
DStR 2001, 97 |
NJW 2000, 2834 |
ARST 2000, 241 |
FA 2000, 194 |
FA 2000, 223 |
NZA 2000, 721 |
RdA 2001, 45 |
ZTR 2000, 326 |
AP, 0 |
AuA 2001, 88 |
PERSONAL 2001, 329 |