Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 03.11.2011) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 3. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben
- in den Fällen II. 96, II. 98 bis II. 100 der Urteilsgründe,
- in den Fällen II. 101 bis II. 130 der Urteilsgründe in den Aussprüchen über die Einzelstrafen und
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 6.239,50 Euro.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 130 Fällen und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz durch unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Schusswaffe nebst Munition und verbotener Gegenstände (vier Wurfsterne) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 6.239,50 Euro angeordnet. Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 95 sowie II. 97 der Urteilsgründe jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt worden ist, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben.
Rz. 3
1. Insbesondere hat die Strafkammer entgegen der Auffassung der Revision die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten hinreichend dargetan. Zwar kann die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG, die sich auch auf die Erzielung bloßer Nebeneinnahmen beziehen kann, dann einer eingehenden Begründung bedürfen, wenn in Anbetracht der Abgabemengen und der Tatfrequenz nur von einem geringen Gewinn auszugehen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. März 2008 – 4 StR 63/08, NStZ-RR 2008, 212). So liegt der Fall hier aber nicht. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte in Gewinnerzielungsabsicht vom 1. Januar 2009 bis zum 31. August 2010 in mindestens 80 Fällen jeweils 1 Gramm Marihuana für 10 Euro an den gesondert verfolgten M. K. und in mindestens 15 Fällen jeweils 1 Gramm Marihuana für 7,50 Euro sowie jeweils 1 Gramm Amphetamin für 10 Euro an die gesondert verfolgte A. K. und zusätzlich an einem nicht näher bestimmbaren Tag Anfang Januar 2010 in einem Fall 1 Gramm Marihuana für 7,50 Euro an diese verkauft hat. Die die Annahme von Gewerbsmäßigkeit rechtfertigende Nachhaltigkeit der Absicht, sich eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen, ist damit auf Grund der Vielzahl der Taten und der zeitlichen Abfolge ausreichend belegt, zumal das abgeurteilte Tatgeschehen lediglich einen Ausschnitt der festgestellten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz betrifft und bei dem hochverschuldeten Angeklagten, der Sozialleistungen bezog, ein Geldbetrag in Höhe von 6.239,50 Euro sichergestellt wurde.
Rz. 4
2. Dass die Strafkammer jeweils von einem Mindeststrafrahmen von sechs Monaten als Regelstrafrahmen des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen ist, beschwert den Angeklagten nicht.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 5
Hingegen kann die Verurteilung in den Fällen II. 96 sowie II. 98 bis II. 100 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. Ferner hält die Bemessung der Einzelstrafen in den Fällen II. 101 bis II. 130 rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
1. Nach den Feststellungen kam es im Zeitraum von September 2010 bis Februar 2011 in mindestens 30 Fällen zur Belieferung des Angeklagten mit Betäubungsmitteln durch den gesondert verfolgten F., wobei die jeweiligen Einzellieferungen unterschiedliche Betäubungsmittelarten, nämlich Haschisch, Amphetamin, Marihuana, Kokain und Crystal in unterschiedlichen, im Einzelnen nicht mehr feststellbaren Mengen umfassten. Diese Betäubungsmittel verkaufte der Angeklagte gewinnbringend an seine Abnehmer, die ihn zu diesem Zweck an seinem Wohnort aufsuchten. Im Einzelnen handelte es sich von September 2010 bis kurz vor Weihnachten 2010 um 15 Fälle, in denen der Angeklagte jeweils mindestens 200 g verschiedener Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwarb. Von kurz vor Weihnachten 2010 bis Februar 2011 erfolgten ebenfalls mindestens 15 Lieferungen an den Angeklagten, wobei in diesen Fällen jeweils mindestens 1 kg unterschiedlicher, im Einzelnen ebenfalls nicht mehr feststellbarer Betäubungsmittel geliefert wurde; jede Lieferung enthielt einen Anteil von 100 bis 300 g Amphetamin. Die meisten dieser Lieferungen beinhalteten daneben Haschisch und Marihuana, Crystal und Kokain wurden nur gelegentlich mitgeliefert. Ferner verkaufte der Angeklagte im Zeitraum vom 24. September bis zum 23. Oktober 2010 über die gesondert verfolgte A. K., die den Transport der Betäubungsmittel und den Geldeinzug übernahm, an einem nicht näher bestimmbaren Tag 0,4 Gramm Crystal und an zwei weiteren nicht näher bestimmbaren Tagen jeweils 0,3 Gramm Crystal gewinnbringend entweder an den gesondert verfolgten M. D. oder an den gesondert verfolgten S. E..
Rz. 7
2. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 96 sowie II. 98 bis II. 100 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit liegt nach den Feststellungen die Annahme einer Bewertungseinheit nahe.
Rz. 8
Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits ihr Erwerb und Besitz zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen; die späteren, diese Betäubungsmittel betreffenden Veräußerungsgeschäfte gehören als unselbständige Teilakte zu dieser Tat (vgl. nur Senatsurteil vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97, NStZ 1998, 89; Senatsbeschluss vom 8. Mai 2001 – 4 StR 114/01). Zwar ist es nicht geboten, festgestellte Einzelverkäufe zu Bewertungseinheiten zusammenzufassen, weil nur die nicht näher konkretisierte Möglichkeit einer solchen Bewertungseinheit besteht; liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Bewertungseinheit vor, darf der Tatrichter darüber nicht ohne Erörterung hinweggehen (Senatsurteil aaO). So liegt es hier.
Rz. 9
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seit Anfang September 2010 ein- bis zweimal wöchentlich durch den gesondert verfolgten F. mit Haschisch, Amphetamin, Marihuana, Kokain und Crystal beliefert wurde. Der Weiterverkauf von Marihuana und Amphetamin an die gesondert verfolgte A. K. erfolgte am 4. September 2010, die Verkäufe von Crystal an den gesondert verfolgten M. D. oder den gesondert verfolgten S. E. zwischen dem 24. September und dem 23. Oktober 2010. Danach liegt es nahe, dass die vom Angeklagten weiterverkauften Portionen aus den Lieferungen des gesondert verfolgten F. stammten und somit eine Bewertungseinheit vorliegt.
Rz. 10
3. a) In den Fällen II. 101 bis II. 130 der Urteilsgründe ist der Schuldspruch frei von Rechtsfehlern. Dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 1 Abs. 1 BtMG in Verbindung mit den Anlagen I bis III zum BtMG Handel getrieben hat, vermag der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe eben noch ausreichend deutlich zu entnehmen. Zwar wird im angefochtenen Urteil mehrfach ohne nähere Spezifizierung ausgeführt, der Angeklagte habe von dem gesondert verfolgten F. „Drogen” zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben. Das Landgericht hat indes an anderer Stelle auch festgestellt, es habe sich um unterschiedliche Mengen Haschisch, Amphetamin, Marihuana, Kokain und Crystal gehandelt; bei Durchsuchungen in den Wohnräumen des Angeklagten wurden verschiedene Mengen unterschiedlicher Betäubungsmittel sichergestellt. Ferner hat sich der Angeklagte auch zu diesen Fällen im Wesentlichen geständig eingelassen; eine Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) ist nicht erfolgt.
Rz. 11
b) Hingegen halten die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II. 101 bis II. 130 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 12
Der Schuldumfang der einzelnen Taten ist nicht hinreichend bestimmt. Zwar hat das Landgericht insoweit die Gesamtmenge der vom Angeklagten für den Weiterverkauf erworbenen Betäubungsmittel (jeweils 200 Gramm bis Weihnachten, danach jeweils mindestens 1 kg) festgestellt. Nähere Feststellungen zu Qualität und Wirkstoffmenge der einzelnen Betäubungsmittelarten fehlen jedoch. Damit wird ein für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlicher Umstand (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – 5 StR 439/05, StV 2006, 184) außer Betracht gelassen, ohne dessen Darlegung das Revisionsgericht nicht zu prüfen vermag, ob die Einzelstrafen rechtsfehlerfrei bemessen worden sind. Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt durfte hier umso weniger verzichtet werden, als verschiedene Betäubungsmittelarten beim Angeklagten sichergestellt werden konnten. Für die nicht sichergestellten Mengen hat der neue Tatrichter neben dem bislang geständigen Angeklagten alle zur Verfügung stehenden weiteren Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen und wird sodann unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes von Mindestfeststellungen ausgehen müssen (BGH aaO; vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 810 ff.).
Rz. 13
4. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs sowie der Anordnung über den Verfall von Wertersatz. Im Hinblick auf den betreffenden, bei dem Angeklagten sichergestellten Geldbetrag wird der neue Tatrichter vorrangig die Voraussetzungen des § 73d StGB zu prüfen haben.
Unterschriften
Ernemann, Roggenbuck, Franke, Mutzbauer, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 3083490 |
NJW 2012, 3461 |
NStZ-RR 2012, 279 |
NStZ-RR 2012, 6 |