Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 28.06.2006 - VII ZB 161/05

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckung von Schadensersatzanspruch aus fahrlässiger unerlaubter Handlung bei Insolvenz des Schuldners

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Gläubigern i.S.d. § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO gehören nicht Gläubiger von Schadensersatzansprüchen nach § 844 Abs. 2 BGB aus fahrlässig begangener unerlaubter Handlung.

 

Normenkette

InsO § 89 Abs. 2; BGB § 844 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 14.10.2005; Aktenzeichen 52 T 145/05)

AG Hannover (Entscheidung vom 25.08.2005; Aktenzeichen 701 M 15991/05)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gläubiger gegen den Beschluss des LG Hannover vom 14.10.2005 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Antrag der Gläubiger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 24.11.2005 wird zurückgewiesen.

Wert: bis 45.000 EUR

 

Gründe

[1]I.

Die Schuldnerin ist durch rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 27.6.2002 u.a. zur Zahlung einer monatlichen Geldrente von je 375 EUR an die Gläubiger verurteilt. Dem liegt ein auf § 844 Abs. 2 BGB gegründeter Anspruch der Gläubiger gegen die Schuldnerin zugrunde.

[2]Die Gläubiger haben deswegen am 18.8.2005 gegen die Schuldnerin, eine Ärztin, den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses i.H.v. 19.300,77 EUR (Rentenbeträge für die Zeit ab 1.8.2003) in deren Forderungen aus dem Abrechnungsverhältnis zur Drittschuldnerin, einer Kassenärztlichen Vereinigung, beantragt. Die Pfändung sollte auch die Ansprüche auf künftig fällig werdende Leistungen erfassen. Über das Vermögen der Schuldnerin ist am 9.7.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

[3]Der Rechtspfleger hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Gläubiger ihr Begehren weiter.

[4]II.

Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

[5]1. Die Vorinstanzen sind der Ansicht, aufgrund des Vollstreckungsverbotes des § 89 InsO könne keine Pfändung erfolgen. Ersatzansprüche nach § 844 Abs. 2 BGB könnten zwar nach § 850 f Abs. 2 ZPO vollstreckt werden, nicht jedoch nach § 850d ZPO. Von § 850 f Abs. 2 ZPO seien nur Ansprüche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung erfasst. Eine hierauf gestützte Anordnung könne nicht erfolgen, da sich aus dem zu vollstreckenden Versäumnisurteil nicht ergebe, dass aufgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vollstreckt werde. Im Übrigen gehe der Gläubigervertreter selbst davon aus, dass dem Titel ein Anspruch wegen fahrlässiger Tötung zugrunde liege.

[6]2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

[7]a) Gemäß § 89 Abs. 2 InsO sind Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge während der Dauer des Verfahrens auch für Gläubiger unzulässig, die keine Insolvenzgläubiger sind. Dies gilt nicht für die Zwangsvollstreckung von Gläubigern, die keine Insolvenzgläubiger sind, wegen eines Unterhaltsanspruchs oder einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung in den Teil der Bezüge, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist.

[8]§ 89 Abs. 2 Satz 2 InsO unterfallen danach Forderungen für Unterhalts- und Deliktsgläubiger, die nach §§ 850d, 850 f Abs. 2 ZPO in erweitertem Umfang pfändbar sind, soweit diese Gläubiger keine Insolvenzgläubiger sind (Kroth in Braun, InsO, 2. Aufl., § 89 Rz. 12; MünchKomm/InsO-Breuer, § 89 Rz. 36; Eickmann, Heidelberger Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 89 Rz. 3), etwa für Unterhaltsgläubiger nach Maßgabe des § 40 InsO.

[9]b) Zu diesen Gläubigern gehören die Beschwerdeführer nicht.

[10]aa) Der Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB ist kein Unterhaltsanspruch, sondern ein Schadensersatzanspruch (MünchKommBGB-Wagner, 4. Aufl., § 844 Rz. 29 m.w.N.). Für die Vollstreckung hieraus gilt nicht § 850d Abs. 1 Satz 1 ZPO; denn darunter fallen nur Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen (Stein/Jonas/Brehm, 21. Aufl., § 850d Rz. 10 m.w.N.; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 850d Rz. 2; Rupp/Fleischmann, Rpfleger 1983, 377, 378).

[11]bb) Die Vorinstanzen haben auch nicht festgestellt, dass der Anspruch, aus dem die Vollstreckung betrieben wird, ein Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung i.S.d. § 89 Abs. 2, Satz 2, Alt. 2 InsO, § 850 f Abs. 2 ZPO ist. Aus dem Versäumnisurteil ergibt sich das nicht; dem Vollstreckungsgericht wäre eine weitere Prüfung auch untersagt (vgl. zum Vollstreckungsbescheid BGH, Beschl. v. 5.4.2005 - VII ZB 17/05, NJW 2005, 1663). Nach dem Vortrag der Gläubiger ist das Versäumnisurteil wegen eines Schadensersatzanspruchs aus fahrlässiger Tötung ergangen. Auf die weitere Frage, ob und inwieweit die Gläubiger wegen der geltend gemachten Ansprüche Insolvenzgläubiger sind, kommt es daher nicht an.

[12]3. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist § 89 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 InsO auch nicht analog auf den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB anzuwenden, weil keine Regelungslücke besteht (Stein/Jonas/Brehm, a.a.O. Rz. 10). Die Erweiterung der Vollstreckung wegen Schadensersatzansprüchen wird in § 89 Abs. 2, Satz 2, Alt. 2, 850 f Abs. 2 ZPO geregelt. Danach ist die Zwangsvollstreckung bei einer unerlaubten Handlung nur dann privilegiert, wenn diese vorsätzlich begangen wurde. Würde man den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB als Unterhaltsanspruch i.S.d. § 89 Abs. 2, Satz 2, Alt. 1 InsO qualifizieren, würde dieser eindeutigen gesetzgeberischen Wertung zuwider gehandelt, wenn dem Anspruch eine fahrlässig begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt.

[13]Die Rechtsbeschwerde beruft sich zur Begründung vergeblich auf § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO, in dem der Schadensersatzanspruch aus § 844 Abs. 2 BGB dem Unterhaltsanspruch gleichgestellt ist. § 850b ZPO betrifft zum einen die Pfändbarkeit von Unterhaltsrenten und nicht die Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen. Die Gleichstellung beruht dort zudem nicht darauf, dass der Anspruch § 844 Abs. 2 BGB als Unterhaltsrente i.S.d. § 850b Abs. 1, Nr. 2, Alt. 1 ZPO angesehen wird, sondern weil die Unpfändbarkeit in § 850b Abs. 1, Nr. 2, Alt. 2 ZPO ausdrücklich geregelt ist.

[14]Die von der Rechtsbeschwerde zur weiteren Begründung des Erfordernisses einer analogen Anwendung behauptete Gefahr, dass sich der Schuldner des Anspruchs aus § 844 Abs. 2 BGB im Falle der Insolvenz Restschuldbefreiung erlangen kann, ist Ergebnis einer eindeutigen gesetzgeberischen Wertung. Verbindlichkeiten des Schuldners aus unerlaubter Handlung werden gem. § 302 InsO nur dann nicht von der Erteilung einer Restschuldbefreiung berührt, wenn diese vorsätzlich begangen wurden.

[15]Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch keine verfassungskonforme Auslegung des § 89 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 InsO dahin geboten, den Schadensersatzanspruch aus § 844 Abs. 2 BGB einem Unterhaltsanspruch gleichzustellen. Die Regelung lässt keine Beeinträchtigung verfassungsrechtlich geschützter Rechte des Schadensersatzgläubigers erkennen.

 

Fundstellen

BGHR 2006, 1389

EWiR 2006, 725

JurBüro 2007, 98

WM 2006, 1730

WuB 2007, 45

ZIP 2006, 1604

DZWir 2006, 515

InVo 2006, 443

MDR 2007, 177

NZI 2007, 21

Rpfleger 2006, 617

ZInsO 2006, 1166

VE 2006, 212

VE 2009, 16

ZVI 2006, 347

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Literaturauswertung ErbStG/BewG/GrSt (Stand: 31.10.2025) / 3.8 § 198 BewG (Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts)
    6
  • Literaturauswertung ErbStG/BewG/GrSt (Stand: 31.10.2025) / 2.12 § 13b ErbStG (Begünstigtes Vermögen)
    3
  • Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, EStG § 20 ... / c) Gewinn aus der Veräußerung
    2
  • Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, EStG § 24 ... / c) Entschädigungs-ABC bei den Einkünften aus KapVerm, VuV und den sonstigen Einkünften
    2
  • Cloer/Hagemann, AStG Einführung AStG / 2.2.4 Familienstiftung
    1
  • Darlehensverträge zwischen Angehörigen (estb 2023, Heft ... / 2. Grundsätze des Fremdvergleichs
    1
  • Dötsch/Pung/Möhlenbrock (D/P/M), Die Körperschaftsteuer, ... / 1.2.4.4 Bruchteil eines Mitunternehmeranteils
    1
  • Dötsch/Pung/Möhlenbrock (D/P/M), Die Körperschaftsteuer, ... / Ausgewählte Literaturhinweise (ab 1997):
    1
  • Frotscher/Drüen, KStG 2000, KStG § 23 Steuersatz
    1
  • Frotscher/Drüen, KStG 2000, KStG § 38a Gliederung des Ei ... / 4 Anpassungen im Bereich des verwendbaren Eigenkapitals
    1
  • Leitfaden 2020 - Anlage EMU / 1 Zweck und Aufbau des Vordrucks
    1
  • Kohlmann, Steuerstrafrecht, AO § 371 Selbstanzeige bei S ... / a) Persönlicher Umfang der Sperrwirkung
    1
  • Literaturauswertung EStG/KStG (Stand: 31.10.2025) / 2.29 § 17 EStG (Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften)
    1
  • Literaturauswertung EStG/KStG (Stand: 31.10.2025) / 3.11 § 15 KStG (Ermittlung des Einkommens bei Organschaft)
    1
  • Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, EStG § 11 ... / Umbuchung
    1
  • Roscher, GrStG § 31 Nachentrichtung der Steuer / 1.1 Regelungsgegenstand
    1
  • Roscher, GrStG § 34 Erlass wegen wesentlicher Ertragsmin ... / 3 Erlass bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken (Abs. 2)
    1
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 8 Wohnsitz / 1.2 Tatsächliche Gestaltung
    1
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 93 Auskunftspflicht der Beteili ... / 5.7.3 Folgen eines unzulässigen Kontenabrufs
    1
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 28 Zuständigkeitsstreit / 1.1 Inhalt und Bedeutung
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Steuer Office Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Steuern
Leitfaden zur Umsetzung: Praxishandbuch Mindeststeuergesetz
Praxishandbuch Mindeststeuergesetz
Bild: Haufe Shop

Das Handbuch erläutert umfassend und gut verständlich die Regelungen des Mindeststeuergesetzes. Es gibt Ihnen viele Beispiele und wertvolle Tipps für die Umsetzung in der Unternehmenspraxis an die Hand. Mit Hinweisen zur Governance und Einbettung ins Tax CMS.


Insolvenzordnung / § 89 Vollstreckungsverbot
Insolvenzordnung / § 89 Vollstreckungsverbot

  (1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.  (2) 1Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus ...

4 Wochen testen


Newsletter Steuern
Newsletter Steuern - BFH-Urteilsservice

Aktuelle Informationen zur neuesten BFH-Rechtsprechung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Kurzkommentierungen
  • Praxishinweise
  • wöchentlich
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Steuern Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Haufe Onlinetraining Smartsteuer Schäffer-Poeschel Lexware rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Steuern Shop
Steuern Software Komplettlösungen Steuern Kanzleimanagement Lösungen Steuern im Unternehmen Lösungen für die Steuererklärung Steuer-Kommentare Alle Steuern Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren