Leitsatz (amtlich)
Für die Pfändung des Anteils eines Gesellschafters am Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts reicht es aus, daß der Pfändungsbeschluß – anstatt allen – nur den geschäftsführenden Gesellschaftern zugestellt wird.
Normenkette
BGB § 725
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Juni 1985 wird auf Kosten der Streithelferin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit der Klage von den Beklagten zu 1, 3 und 4 einen Teilbetrag von 6.000 DM des Auseinandersetzungsguthabens, das sich nach der Kündigung einer von den Beklagten früher gemeinsam betriebenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugunsten der früheren Beklagten zu 2 ergibt. Diese ist durch das insoweit rechtskräftige klagabweisende Urteil des Landgerichts aus dem Rechtsstreit als Partei ausgeschieden, führt das Verfahren aber aufgrund ihres Beitritts auf seiten der Beklagten als Streithelferin fort.
Zur Geschäftsführerin der als „Warenhausvermietungsgesellschaft” firmierenden Gesellschaft der Beklagten ist im Gesellschaftsvertrag vom 10. März 1978 die „G K… Kommanditgesellschaft für Beteiligungen, Finanzierungsvermittlungen und Verwaltungen” bestellt worden, deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 3 und 4 sind.
Aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Köln vom 25. Mai 1981, das der Kläger über eine Hauptforderung von 100.000 DM gegen die Streithelferin erwirkt hatte, erließ das Amtsgerichts Brühl am 23. September 1981 einen Pfändungssicherungsvollstreckungsbeschluß und – nach Rechtskraft dieses Urteils – am 29. Juli 1982 einen Überweisungsbeschluß, mit denen der Anteil der Streithelferin am Gesellschaftsvermögen zunächst gepfändet und sodann dem Kläger zur Einziehung überwiesen wurde. Als Drittschuldner waren in beiden Beschlüssen die „Mitgesellschafter der Warenhausvermietungsgesellschaft, vertreten durch die Firma K… KG, vertreten durch die Gesellschafter Willi F… (= Beklagter zu 3) und Günter K… (= Beklagter zu 4)”, angegeben. Die Beschlüsse wurden sowohl der Streithelferin als auch den Beklagten zu 3 und 4 – diesen in ihrer Eigenschaft als geschäftsführende Gesellschafter der K… KG – im Oktober 1981 bzw. im August/September 1982 zugestellt. Die Parteien streiten darüber, ob die Beschlüsse an alle Gesellschafter hätten zugestellt werden müssen.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 1983 sprach der Kläger unter Bezugnahme auf seine Pfändung die Kündigung, der „Warenhausvermietungsgesellschaft” aus. Dieses Schreiben ging allen Gesellschaftern, und der K… KG bis zum 25. Oktober 1983 zu. Gemäß § 7a des Gesellschaftsvertrages wird die Gesellschaft im Falle der Kündigung durch einen Gesellschaftergläubiger mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt. Das Auseinandersetzungsguthaben des ausscheidenden Gesellschafters ist nach § 10 Abs. 3, des Gesellschaftsvertrages in fünf gleichen Jahresraten zu zahlen, wobei die erste Rate sechs Monate nach Ausscheiden aus der Gesellschaft und jede weitere jeweils ein Jahr später fällig ist.
Schon vor den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Klägers hatte ein weiterer Gläubiger der Streithelferin, Herbert K…, durch einen allen Gesellschaftern im Dezember 1980 zugestellten Beschluß des Amtsgerichts Brühl den Anteil der Streithelferin am Gesellschaftsvermögen wegen einer Forderung in Höhe von 105.813,83 DM gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Im Verlauf dieses Rechtsstreits, nämlich im August 1984, ist dieser Gläubiger in voller Höhe aus dem Auseinandersetzungsguthaben befriedigt worden. Die Gesellschafter und die Streithelferin haben deren Auseinandersetzungsguthaben und die ihr noch zustehenden Gewinnanteile in einer notariellen Vereinbarung vom 14. Dezember 1984 nach Abzug des an den Gläubiger K… geleisteten Betrages auf noch insgesamt 128.014,90 DM festgestellt. Die Streithelferin ist unter Hinweis auf § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der Ansicht, daß die mit der Klage geltend gemachte Forderung – die Wirksamkeit der Pfändung des Klägers insoweit unterstellt – jedenfalls noch nicht fällig sei, weil die vorgezogene Zahlung an den Gläubiger K… auf die ersten Raten anzurechnen sei.
Das Landgericht hat die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen und die Beklagten zu 1, 3 und 4 antragsgemäßig als Gesamtschuldner verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Streithelferin zurückgewiesen. Mit ihrer – zugelassenen – Revision verfolgt die Streithelferin ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Streithelferin zu Recht zurückgewiesen.
1. Der Kläger hat den nach § 859 ZPO pfändbaren Anteil der Streithelferin am Vermögen der Warenhausvermietungsgesellschaft, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wirksam gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die Zustellung der entsprechenden Beschlüsse an die K… KG als der von den Gesellschaftern mit der Geschäftsführung beauftragten Drittgeschäftsführerin ausreichte, um die Pfändung und Überweisung zu bewirken.
Allerdings ist im Schrifttum die Frage umstritten, ob im Falle einer Pfändung nach § 859 ZPO die übrigen Gesellschafter oder die Gesellschaft als Drittschuldner im Sinne des § 829 ZPO anzusehen sind und ob infolgedessen der Pfändungsbeschluß an sämtliche Mitgesellschafter zuzustellen ist oder ob die Zustellung an den bzw. die geschäftsführenden Gesellschafter genügt (vgl. zum Meinungsstand die umfangreichen Schrifttumsnachweise bei Ulmer in MünchKomm z. BGB, 2. Aufl., § 725 Rdnr. 10 Fußn. 16 ff.). Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung dieser Frage offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1971 – VIII ZR 113/70, LM ZPO § 859 Nr. 5).
Nach Ansicht Karsten S… (JR 1977, 177 ff.) handelt es sich bei der Pfändung des Gesellschaftsanteils um nichts anderes als die globale Pfändung der abtretbaren Forderungen aus dem Gesellschaftsverhältnis. Als Drittschuldner sei daher die Gesamthand anzusehen, weil von ihr die Erfüllung dieser Ansprüche verlangt werden könne (ebenso Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 859 Anm. 1 c). Diese Ansicht verkennt aber, daß die Verfügung über den Anteil etwas anderes ist als die über die einzelnen Ansprüche, daß insbesondere deren Pfändung nicht die Abtretung des Anteils ausschließt. Diese ließe die Pfändung leerlaufen, weil die einzelnen Ansprüche nicht in der Person des Pfändungsschuldners, sondern in der des Zessionars entstünden (vgl. BGHZ 88, 205 m.w.N.). Die §§ 725 BGB, 859 ZPO sind deshalb wörtlich zu verstehen: Gepfändet wird der Anteil am Gesellschaftsvermögen, also das Wertrecht, das die zum Gesellschaftsanteil gehörenden Vermögensrechte repräsentiert (vgl. Ulmer a.a.O. § 725 Rdnr. 7 m.w.N.). Obwohl der einzelne Gesellschafter über seinen Gesellschaftsanteil und damit über den darin verkörperten Wert nicht ohne Zustimmung seiner Mitgesellschafter verfügen kann, diese also mitbetroffen sind, wenn es um Verfügungen über den Anteil und damit auch um dessen Pfändung geht, erfordert dieser Umstand doch nicht zwangsläufig die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an alle Gesellschafter (so aber z.B. Ulmer a.a.O. § 725 Rdnr. 10; Soergel/Hadding, BGB, 11. Aufl., § 725 Rdnr. 3; v. Gamm in BGB-RGRK, 12. Aufl. § 725 Rdnr. 2; Staudinger/Keßler, BGB, 12. Aufl., § 725 Rdnr. 6). Denn der Pfändungspfandgläubiger kann den Anteil nicht durch Veräußerung verwerten, sondern nur das Gesellschaftsverhältnis kündigen; er ist also in jedem Falle auf Ansprüche gegen die Gesellschaft verwiesen, seien es Ansprüche auf Auszahlung entnahmefähiger Gewinne, auf Abfindung oder auf das Auseinandersetzungsguthaben. Schuldner ist in allen Fällen die Gesamthand. Dieser, vertreten durch ihren bzw. ihre Geschäftsführer, ist deshalb auch der Pfändungsbeschluß zuzustellen (so im Ergebnis z.B. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 44. Aufl., § 859 Anm. 1; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl., § 859 Anm. I 1; Becker, GmbH-Rdsch. 1950, 133; Furtner, MDR 1965, 613).
Bei der Entgegennahme des Pfändungsbeschlusses handelt es sich um eine Geschäftsführungsmaßnahme, zumal nur der Geschäftsführer als Adressat für das an den Drittschuldner nach den §§ 857, 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erlassende Zahlungsverbot in Betracht kommt (vgl. Stein/Jonas/Münzberg a.a.O.; Bruns/Peters, Zwangsvollstreckungsrecht 2. Aufl., § 25 IV 1). Entgegen der Ansicht im Schrifttum, die die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an alle Gesellschafter verlangt, berührt die Pfändung als solche noch nicht die Grundlagen der Gesellschaft. Erst die Kündigung durch den Gesellschaftergläubiger nach § 725 Abs. 1 BGB stellt den entscheidenden Eingriff in das Gesellschaftsgefüge dar. Die Pfändung ist letzten Endes lediglich Voraussetzung der Kündigung, ohne daß diese der Pfändung des Gesellschaftsanteils notwendigerweise nachfolgen müßte. Dadurch, daß jedenfalls die Kündigung gegenüber allen Gesellschaftern zu erklären ist, werden auch die Rechte der nicht geschäftsführungsbefugten Gesellschafter ausreichend geschützt. Zur Klarstellung sei angeführt, daß die Zustellung an alle Gesellschafter in jedem Falle eine wirksame Pfändung bewirkt.
Wie das Berufungsgericht zutreffend feststellt, sprechen auch Gründe der Praktikabilität für die hier vertretene Auffassung. Wollte man die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an alle Gesellschafter verlangen, so würde dies bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit zahlreichen Gesellschaftern nicht nur zu nicht unbeträchtlichen Kosten für den pfändenden Gläubiger führen; die Pfändung könnte – z.B. durch die Zustellung des Beschlusses an einen im Ausland lebenden Gesellschafter – auch stark verzögert werden. Gerade dadurch könnten dem Gläubiger erhebliche Nachteile entstehen. Denn die Pfändung wäre erst mit der Zustellung an den letzten Gesellschafter bewirkt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O. § 829 Anm. 4 A).
Ein Teil des Schrifttums vertritt die Ansicht, im Falle der Zwangsvollstreckung in den Gesellschaftsanteil nach § 725 BGB könnten die Mitgesellschafter die Auflösung der Gesellschaft analog § 268 BGB dadurch abwenden, daß sie die Forderung des Gläubigers befriedigten (vgl. Soergel/Hadding, a.a.O., Rdnr. 5; Ulmer, a.a.O., Rdnr. 17; Staudinger/Selb a.a.O. § 268 Rdnr. 19 und Staudinger/Keßler a.a.O. § 725 Rdnr. 9; Zöller/Stöber, ZPO, 14. Aufl., § 859 Rdnr. 4 a.E.; Furtner, MDR 1965, 613, 615; Clasen, NJW 1965, 2141, 2142; K. Schmidt, JR 1977, 177, 178; vgl. aber auch RGZ 167, 298, 299). Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann hier offen bleiben. Denn selbst wenn den Mitgesellschaftern ein solches Ablösungsrecht zustehen sollte, führte dies nicht dazu, daß der Pfändungsbeschluß an alle Gesellschafter zuzustellen wäre. Denn es kann durch gesellschaftsinterne Maßnahmen gewährleistet werden, daß die übrigen Gesellschafter von den Geschäftsführern von der Zustellung des Pfändungsbeschlusses unterrichtet werden.
Im übrigen besteht kein triftiger Grund, weshalb die Pfändung bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts andere Zustellungsempfänger erfordern sollte, als bei den Personenhandelsgesellschaften, bei denen allgemein anerkannt ist, daß die Pfändung durch Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Gesellschaft bewirkt wird (vgl. Ulmer in Großkomm. z. HGB, 3. Aufl., § 135 Rdnr. 11; H. Westermann, Personengesellschaftsrecht, 3. Aufl., I 329). Die sich aus § 124 HGB ergebende größere Selbständigkeit der Personenhandelsgesellschaft ist, entgegen der Ansicht der Revision kein solcher Grund; denn auch bei ihr unterscheidet man zwischen Maßnahmen der Geschäftsführung und sogenannten Grundlagengeschäften. Ulmer (a.a.O.) sieht den Grund in dem andersartigen Pfändungsgegenstand des § 135 HGB, der von der Pfändung des Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben spricht. Entscheidend ist dagegen, daß erst die Pfändung dieses Anspruchs dem Gläubiger das Kündigungsrecht gibt und ihm dadurch – wie im Falle der Anteilspfändung nach § 725 BGB – den Eingriff in das Gesellschaftsgefüge ermöglicht. Aus diesem Grunde ist die Gleichbehandlung beider Gesellschaftsformen geboten.
Nach alledem hat der Kläger den Anteil der Streithelferin am Vermögen der Warenhausvermietungsgesellschaft durch die Zustellung der entsprechenden Beschlüsse an die K… KG wirksam gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen.
II. Aufgrund der bis zum 25. Oktober 1983 allen Gesellschaftern zugegangenen Kündigung der Gesellschaft durch den Kläger gemäß § 725 BGB, deren Wirksamkeit auch die Revision nicht in Zweifel zieht, steht dem Kläger ein Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben zu, das sich zugunsten der Streithelferin ergibt. Entgegen der Ansicht der Revision ist der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe eines Teilbetrages von 6.000,– DM auch fällig.
Unter Hinweis auf § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages, wonach das Auseinandersetzungsguthaben in fünf gleichen Jahresraten zu zahlen ist, ist die Revision der Auffassung, daß die vorgezogene Auszahlung des Betrages von 105.813,83 DM an den Gläubiger auf die ersten Raten mit der Folge anzurechnen sei, daß die mit der Klage geltend gemachte Forderung des Klägers noch nicht fällig sei. Diese Ansicht der Revision widerspricht jedoch der Auslegung des zwischen den verbliebenen Gesellschaftern und der Streithelferin geschlossenen notariellen Vertrages vom 14. Dezember 1984 durch das Berufungsgericht. In dieser Vereinbarung heißt es, daß der nach Auszahlung des Betrages von 105.813,83 an den Gläubiger K… noch verbleibende Restbetrag des Auseinandersetzungsguthabens von 128.014,90 DM an die Gläubiger der Streithelferin gemäß § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages in den dort angegebenen Zeitabständen und Raten stattfinden soll. Diese Bestimmung hat das Berufungsgericht dahin ausgelegt, daß die Gesellschafter sich zur Auszahlung des Betrages von 128.014,90 DM in fünf gleichen Jahresraten, beginnend sechs Monate nach dem Ausscheiden der Streithelferin unabhängig von der bereits erfolgten Zahlung an den Gläubiger K… verpflichtet haben. Da die Auslegung von Willenserklärungen dem Tatrichter obliegt, ist sie in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Die hier vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung läßt keine Rechtsfehler erkennen. Auch die Revision behauptet solche nicht. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Zahlung an den Gläubiger K… unberücksichtigt gelassen hat und dadurch entsprechend der Regelung in § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages zur Annahme der Fälligkeit des mit der Klage geltend gemachten Teilbetrages gelangt ist.
Da die Vorinstanzen nach alledem der Klage gegen die Beklagten zu 1, 3 und 4 zu Recht stattgegeben haben, ist die Revision der Streithelferin zurückzuweisen.
Fundstellen
BGHZ, 392 |
ZIP 1986, 776 |
JZ 1986, 1069 |