Rn 10
Der Anspruch des Gläubigers muss zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens "begründet" sein. Die Begründetheit zum Zeitpunkt der Eröffnung ist das wesentliche Tatbestandsmerkmal für das Vorliegen einer Insolvenzforderung und ein primäres Differenzierungskriterium zwischen Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit.
Rn 11
Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Zeit der Eröffnung ("… zur Zeit der Eröffnung…"). Der Anspruch muss bis einschließlich dem Eröffnungszeitpunkt begründet sein. Verbindlichkeiten aus dem Zeitraum nach der Eröffnung können tatbestandlich jedenfalls keine Insolvenzforderungen mehr sein. Die genaue Differenzierung ist häufig unerheblich, da die Eröffnungsentscheidungen in der Regel die genaue Uhrzeit des Eröffnungsbeschlusses enthalten, so dass eine Differenzierung praktisch zumeist ohne Schwierigkeiten möglich ist.
Rn 12
Ein Anspruch ist begründet im Sinne der Vorschrift, wenn er tatbestandlich bereits so weit verwirklicht ist, dass der Gläubiger eine gesicherte Anwartschaft an der Forderung hat, der Gläubiger ihr Entstehen also nicht mehr einseitig verhindern kann. Der anspruchsbegründende Tatbestand muss abgeschlossen sein. Unproblematisch sind dabei die Fälle, in denen der Anspruch zwar entstanden, aber die Forderung noch nicht fällig ist. Auch bei befristeten Forderungen ist im Hinblick auf die Regelung des § 42 eine hinreichend sichere Anwartschaft des Gläubigers entstanden.
4.1 Dauerschuldverhältnisse
Rn 13
Bei Dauerschuldverhältnissen ist zu differenzieren, ob der die Verbindlichkeit des Schuldners begründende Tatbestand vor Eröffnung des Verfahrens vollständig abgeschlossen ist oder der Tatbestand zwar auf einem einheitlichen Dauerschuldverhältnis basiert, die einzelnen Leistungen und Gegenleistungen jedoch jeweils zeitlich abgrenzbar sind.
Bei Rentenverbindlichkeiten ist der Rentenanspruch vor Eröffnung des Verfahrens vollständig entstanden, nur die einzelnen Rentenzahlungen sind nach Eröffnung des Verfahrens ohne weitere Gegenleistung des Gläubigers fällig. Daher handelt es sich bei den Rentenverbindlichkeiten insgesamt um Insolvenzforderungen.
Bei Dauerschuldverhältnissen mit wiederkehrenden Leistungen und Gegenleistungen wie beispielsweise Mietverträgen gilt grundsätzlich die allgemeine Differenzierung. Soweit die gegenseitigen Leistungs- und Gegenleistungspflichten erlöschen – beispielsweise durch Ausübung des Wahlrechts nach § 103 oder kraft Gesetzes (§§ 115 ff.) – endet der Tatbestand des Dauerschuldverhältnisses bereits mit Eröffnung des Verfahrens, so dass Abgrenzungsfragen sich insoweit nicht stellen.
Sofern der Insolvenzverwalter allerdings nach Ausübung seines Wahlrechtes nach § 103 oder kraft Gesetzes (§§ 108 ff.) weiter zur Leistung bzw. Gegenleistung verpflichtet ist, wird zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten analog zu dem Zeitpunkt des "Begründetseins" i. S. d. § 38 differenziert. In § 108 Abs. 3 heißt es: "Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nur als Insolvenzgläubiger geltend machen". § 108 Abs. 3 ist insoweit tatbestandlich spezieller, geht inhaltlich jedoch nicht wesentlich über die in § 38 normierte Differenzierung hinaus.
4.1.1 Miete von Geschäfts- oder Wohnräumen
Rn 14
Die Qualität der Ansprüche des Vermieters von Geschäfts- oder Wohnräumen auf Mietzahlung richtet sich nach den obigen Grundsätzen (§ 108 Abs. 3).
Rn 15
Der Anspruch des Vermieters auf Mietzahlung entsteht nach § 163 BGB in der Regel am Monatsanfang. Daraus wird zum Teil gefolgert, dass die Miete für den Monat, in den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt, insgesamt Insolvenzforderung ist. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Der Wortlaut des § 108 Abs. 3 spricht eindeutig davon, dass nach dem konkreten Zeitablauf zu differenzieren ist ("Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung").
Rn 16
Aus dem Mietverhältnis resultieren neben dem Anspruch auf Zahlung der Miete auch Räumungs- und Herausgabeansprüche nach § 546 BGB oder die vertragliche Pflicht zur Erbringung von Schönheitsreparaturen.
Die Einordnung dieser Verpflichtungen als Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten richtet sich sowohl nach § 38 wie auch nach § 53. So ist eine Rückbauverpflichtung nur dann Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, wenn der Zustand durch den Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens verursacht wurde.
Gleichzeitig ist die Forderung nur dann eine Insolvenzforderung, wenn der rückbaupflichtige Zustand bereits vor Eröffnung des Verfahrens hergestellt w...