Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 10
Der nach § 84 Abs. 1 Satz 1 ermittelte Anteil des Insolvenzschuldners (s. o. Rn. 9) – und nur dieser Anteil – bildet den Gegenstand des in § 84 Abs. 1 Satz 2 genannten Absonderungsrechts. Dieses Vorrecht soll die Ansprüche der übrigen Gemeinschaftsangehörigen oder der Mitgesellschafter aus dem gemeinschaftlichen Rechtsverhältnis gegen die Konkurrenz von Insolvenzforderungen der Privatgläubiger des insolventen Gemeinschafters oder Gesellschafters schützen. Das hat seinen guten Grund. Zum einen erstreckt diese Regelung bei einem gemeinschaftlichen Vermögen die quasi-dingliche Rechtsstellung, die einem Anteilseigner an diesem Vermögen kraft seines Anteils zukommt, auch auf die auf dem Rechtsverhältnis beruhenden Ansprüche. Zum anderen haben solche Ansprüche nicht selten ihren Grund in Aufwendungen eines Anteilseigners, die dem gemeinschaftlichen Vermögen insgesamt und damit auch dem Anteil des (späteren) Insolvenzschuldners zugute kommen (Paradigma: über das Maß des § 748 BGB hinausgehende Tragung von Lasten oder Erhaltungskosten für den gemeinschaftlichen Gegenstand durch einen der Teilhaber). Es wäre nicht gerechtfertigt, wenn die Insolvenzgläubiger des insolventen Teilhabers von der durch solche Aufwendungen verursachten Wertsteigerung oder Werterhaltung des Anteils des insolventen Teilhabers auf Kosten des Ersatzanspruchs des aufwendenden Teilhabers profitieren sollten.
Verschiedentlich wird behauptet, § 84 Abs. 1 Satz 2 habe keinen eigenen Regelungsgehalt, weil sich die Privilegierung der dort genannten Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis schon aus den für alle Gemeinschaften und Gesellschaften geltenden Auseinandersetzungsvorschriften (§§ 731 ff., 752 ff., 2042 Abs. 2, 2046 f. BGB, 105 Abs. 3, 145 ff., 161 Abs. 2 HGB) ergebe. Indessen regeln die – überdies dispositiven (vgl. nur § 731 Satz 1 BGB) – Auseinandersetzungsvorschriften nur das Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern, nicht das Rechtsverhältnis zu Dritten: Sowenig sich aus dem Gebot, zunächst die gemeinschaftlichen Schulden zu berichtigen (§ 733 Abs. 1 BGB), ein Recht der beteiligten Gläubiger auf eine Berichtigung ihrer Forderungen vor einer Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter ergibt, sowenig lässt sich aus dem Recht eines Teilhabers, die Berichtigung einer gegen einen anderen Teilhaber bestehenden Forderung aus dessen Auseinandersetzungsanteil zu verlangen (§ 756 Abs. 1, ggf. i. V. mit § 731 Satz 2 oder mit § 2042 Abs. 2 BGB), zwingend eine Zurücksetzung anderer Gläubiger des Schuldner-Teilhabers in dessen Insolvenzverfahren ableiten. Die tatsächliche Berücksichtigung einer solchen Forderung aus dem Gemeinschaftsverhältnis in der Auseinandersetzungsbilanz mindert zwar das Auseinandersetzungsguthaben oder den Abfindungsanspruch des insolventen Gesellschafters und erreicht somit zulasten der sonstigen Gläubiger dieses Gesellschafters den gleichen Effekt wie die abgesonderte Befriedigung aus dem Anteil des Schuldners, von der § 84 Abs. 1 Satz 2 spricht. Dass dieser Effekt aber auch mit Blick auf die Stellung der sonstigen Gläubiger des Gesellschafters im Falle von dessen Insolvenz gebilligt wird, ergibt sich – jedenfalls hinreichend deutlich – erst aus § 84 Abs. 1 Satz 2. Außerdem: Ist der Anspruch eines Mitgesellschafters bei Vollzug der (nach Insolvenzeröffnung erfolgten) Auseinandersetzung oder bei Berechnung und Zahlung des Abfindungsguthabens an die Masse des insolventen Gesellschafters – aus welchen Gründen auch immer – unberücksichtigt geblieben, so kann dies durch "abgesonderte Befriedigung aus dem" so "ermittelten Anteil des Schuldners" korrigiert werden. Erst recht erlangt § 84 Abs. 1 Satz 2 praktische Bedeutung, wenn es zu einer Auseinandersetzungsrechnung i. S. der §§ 731 ff., 752 ff. BGB nicht kommt, weil der Insolvenzverwalter den Anteil des Insolvenzschuldners veräußert hat, was etwa in den Fällen der §§ 747 Satz 1 und 2033 Abs. 1 BGB, mit Zustimmung der Mitgesellschafter aber auch bei Gesellschaftsanteilen möglich ist.
Rn 11
§ 84 Abs. 1 Satz 2 setzt die Existenz eines gemeinschaftlichen Vermögens oder gemeinschaftlichen Gegenstands voraus. Kein Absonderungsrecht steht daher dem stillen Gesellschafter in der Insolvenz des Geschäftsinhabers wegen seiner Forderung auf Rückerstattung der Einlage (§ 236 Abs. 1 HGB) oder dem Mitgesellschafter einer sonstigen Innengesellschaft zu. Die Vermögensgemeinschaft muss – sei es auch als Vermögen einer bereits aufgelösten, aber noch nicht liquidierten Gesellschaft – noch im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestanden haben. War die Auseinandersetzung vor Verfahrenseröffnung schon beendet, ohne dass die übrigen Gemeinschaftsmitglieder dabei Vorwegbefriedigung erhalten haben, können sie mit ihren Forderungen am Insolvenzverfahren nur noch als Insolvenzgläubiger gemäß § 38 teilnehmen.
Rn 12
Das Absonderungsrecht aus § 84 Abs. 1 Satz 2 besteht für Ansprüche der übrigen Teilhaber oder der Mitgesellschafter aus dem gemeinschaftlichen Rechtsve...