Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 2001 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten, ob der Unfall des Klägers am 2. Februar 1999 ein Arbeitsunfall ist.
Der im Jahre 1949 geborene Kläger ist als selbstständiger Gastwirt und Hotelier bei der Beklagten versichert. Am 2. Februar 1999 begab er sich mit seiner Ehefrau auf die Eisbahn in Geising und stürzte dort mit schwer wiegenden Folgen. Gegenüber der Beklagten machte der Kläger geltend, der Unfall unterliege dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil er sich mit seiner Ehefrau über die Freizeitangebote in der Region praktisch habe informieren wollen, um mit diesen Informationen den Hotelgästen einen „Fitnessurlaub” programmmäßig anbieten zu können. Die Beklagte lehnte dessen Anerkennung als Arbeitsunfall ab, da das Schlittschuhlaufen nicht dem Interesse des Betriebes, sondern den persönlichen Interessen des Klägers zu dienen bestimmt gewesen sei. Für die Erkundung der Freizeitmöglichkeiten sei es nicht notwendig gewesen, diese persönlich auszuprobieren. Allein der Weg zur Eisbahn und wieder zurück habe unter Unfallversicherungsschutz gestanden (Bescheid vom 12. Februar 1999 und Widerspruchsbescheid vom 13. April 1999).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. Februar 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Unfall des Klägers am 2. Februar 1999 einen Arbeitsunfall darstelle (Urteil vom 24. Januar 2001). In Anwendung der Grundsätze über den so genannten inneren Zusammenhang bestehe ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Tätigkeit des Schlittschuhlaufens und der beruflichen Tätigkeit des Klägers. Verwaltung (und auch Gerichte) seien gehalten, auf neue Formen unternehmerischen Handelns, die insbesondere der wirtschaftlichen Erschließung strukturschwacher Regionen dienten, flexibel zu reagieren und die damit verbundenen Risiken als betriebsbedingt zu akzeptieren, wenn sie nicht das Maß des Vernünftigen übersteigend provoziert würden.
Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar habe das LSG den subjektiven Standpunkt des Klägers hinreichend ermittelt und nachvollzogen. Es habe aber allein auf Grund der Feststellung der Handlungstendenz des Klägers den Unfall als Arbeitsunfall gewertet und dabei übersehen, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen Beschäftigten, sondern um einen Unternehmer handele. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme es bei Tätigkeiten als Unternehmer für die Frage, ob der Versicherte zur Unfallzeit eine versicherte Tätigkeit ausgeübt habe, nicht entscheidend auf das Abgrenzungskriterium der Handlungstendenz an. Vielmehr sei entscheidend, ob sich die Tätigkeit noch im Bereich des eigenen Unternehmens halte. Es komme darauf an, dass die zum Unfall führende Tätigkeit als solche im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liege. Diese objektive Feststellung habe das LSG nicht vorgenommen. Bei Anlegung dieser objektiven Kriterien sei das Schlittschuhlaufen selbst nicht mehr vom Unternehmen des Klägers umfasst gewesen. Die künftigen Gäste des Klägers seien nicht daran interessiert, ob die Eisqualität am Unfalltag gut oder schlecht gewesen sei. Diese könne bei dem Besuch durch die Gäste des Klägers bereits wieder ganz anders sein. Sehe man hingegen das Schlittschuhlaufen tatsächlich als noch von der Tätigkeit eines Gastwirts umfasst an, so hätte sie – die Beklagte – als Unfallversicherungsträger aller deutscher Gaststätten zukünftig das Unfallrisiko sämtlicher Sportausübungen zu tragen, die ein Gastwirt vornehme. Dass die sportliche Betätigung immer auch dazu diene, den Restaurant- oder Hotelgästen nachfolgend davon berichten und ihnen Informationen liefern zu können, dürfte bei jeder Freizeitgestaltung als Motiv vorgegeben werden können. Die Einbeziehung dieser Freizeitbetätigungen in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung widerspreche zudem eindeutig dem ursprünglichen Ziel und Zweck der sozialen Sicherung, die in § 1 SGB VII auf die Entschädigung von Arbeitsunfällen ausgelegt und auch begrenzt sei. Zwar bräuchten sich diese nicht zwangsläufig auf dem Betriebsgelände zu ereignen (§ 8 Abs 2 SGB VII). Indes würde eine weitere ausufernde Ausweitung des Versicherungsschutzes auch auf Freizeitaktivitäten und sportliche Betätigungen, wie sie das angefochtene Urteil vorgenommen habe, den vom Gesetzgeber gezogenen Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung deutlich verlassen und letztlich der Solidargemeinschaft der Beitragszahler die Finanzierung von Unfallfolgen auferlegen, die vom eigentlichen Risikobereich ihrer Tätigkeit gar nicht mehr erfasst seien. Als zusätzlicher Nachweis für das Herausfallen des Schlittschuhlaufens aus dem Rahmen der versicherten unternehmerischen Tätigkeit diene auch ein Blick auf § 1 Nr 1 SGB VII, wonach es die absolut vorrangige Aufgabe der Unfallversicherung sei, mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten. Dieser gesetzgeberische Präventionsauftrag mache die Systemwidrigkeit einer Einbeziehung des Schlittschuhlaufens in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung deutlich. Auf die Unfallrisiken bei derartigen Freizeitaktivitäten könne nämlich die Berufsgenossenschaft keinerlei Einfluss nehmen. Weil das Schlittschuhlaufen allein den privatwirtschaftlichen Interessen des Klägers gedient habe, erübrigten sich Stellungnahmen zum Vorliegen einer gemischten Tätigkeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 24. Januar 2001 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. Februar 2000 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückzuweisen, weil der Kläger durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten nicht iS des § 54 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert ist. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass der Unfall, den der Kläger am 2. Februar 1999 beim Schlittschuhlaufen erlitten hat, kein Arbeitsunfall ist.
Gemäß § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeit). § 8 Abs 1 SGB VII definiert als Arbeitsunfall in Anlehnung an das bisher geltende Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO), wobei das Wort „infolge” in Satz 1 aaO lediglich deutlicher als das Wort „bei” in § 548 Abs 1 Satz 1 RVO zum Ausdruck bringen soll, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall erforderlich ist (vgl Brackmann/Krasney, SGB VII, 12. Aufl, § 8 RdNr 26); Satz 2 aaO übernimmt den von der Rechtsprechung und Literatur (stellvertretend BSG SozR 2200 § 548 Nr 56 und Brackmann/Krasney, aaO, § 8 RdNr 7 ff) entwickelten Unfallbegriff (s Begründung zum Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, BT-Drucks 13/2204, S 77). Die zur RVO ergangene Rechtsprechung und dazu erschienene Literatur kann daher für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeits- und auch Wegeunfällen nach den Vorschriften des SGB VII weiter herangezogen werden, soweit nicht die wenigen – hier nicht relevanten – Änderungen des materiellen Rechts hinsichtlich des Unfallversicherungsschutzes bei einzelnen Verrichtungen (ua § 8 Abs 2 Nr 2 bis 5 SGB VII) entgegenstehen (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 2).
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR 2200 § 548 Nr 82 und 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19 und 26). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 4 und 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr 90). Für die Verrichtungen eines Unternehmers ist darüber hinaus entscheidend, ob sich die jeweilige Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens hält (BSGE 87, 224, 225 = SozR 3-2200 § 548 Nr 41; Krasney, NZS 2000, 373, 374). Weil der Unternehmer häufig nicht für sein eigenes Unternehmen, sondern auch handeln will, um Auftraggeber oder Kunden zufrieden zu stellen, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob die – zum Unfall führende – Tätigkeit in den Bereich des eigenen Unternehmens fällt. Maßgebend ist, dass die zum Unfall führende Verrichtung als solche im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liegt (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 30; BSGE 87, 224, 225 = SozR 3-2200 § 548 Nr 41; Krasney, aaO, S 374, 379; Krasney in Schulin, HS-UV, § 8 RdNr 48). Das war hier nicht der Fall.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen und daher für den Senat bindend (§ 163 SGG) sind, ist der bei der Beklagten als Unternehmer (selbstständiger Betreiber eines Hotels und einer Gaststätte) versicherte Kläger am Abend des 2. Februar 1999 beim Schlittschuhlaufen gestürzt. Diese Tätigkeit hatte der Kläger nach den bindenden Feststellungen des LSG ausgeübt, weil er die Freizeitmöglichkeiten in der Region erkunden wollte, um seinen Hotelgästen hierüber Auskunft geben zu können. Zwar mag die unfallbringende Verrichtung nach den Vorstellungen des Klägers seiner versicherten Tätigkeit als Gastwirt und Hotelier zu dienen bestimmt gewesen sein (Handlungstendenz). Indessen hat sich die Tätigkeit bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise nicht mehr im Rahmen dieses Unternehmens gehalten. Sie fiel nicht mehr in den Bereich seiner unternehmerischen Tätigkeit.
Obgleich zu der eigentlichen Tätigkeit als Gastwirt und Hotelier auch die mit diesem Unternehmen zusammenhängenden verwaltenden und werbenden Tätigkeiten zu zählen sind (vgl BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 30 mwN), also alle Verrichtungen, die dem kaufmännischen und verwaltenden Teil des Unternehmens zu dienen bestimmt sind, lässt sich das Schlittschuhlaufen auch diesem Bereich nicht zurechnen. Für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einem Unternehmen ist entscheidend nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Unternehmers abzustellen, weil anderenfalls eine nicht mehr abgrenzbare Ausuferung des Versicherungsschutzes von versicherten Unternehmern einsetzen würde. Maßgeblich ist vielmehr eine objektive Betrachtungsweise dahin, ob ein anhand objektiver Kriterien nachvollziehbarer Zusammenhang mit dem Unternehmen anzunehmen ist. Diese Betrachtung hat sich vorliegend an dem vom Kläger selbst als verfolgt angegebenen Zweck seines Handelns zu orientieren. Insoweit kann es durchaus als im Rahmen des Hotelbetriebes liegend angesehen werden, wenn der Kläger als Service für seine Gäste Informationen über die Freizeit- und Sportmöglichkeiten in der Region anbieten wollte oder gar als unternehmerische Leistung einen „Fitnessurlaub”. Um diesen Service anbieten zu können, musste sich der Kläger durchaus über die bestehenden Freizeit- und Sportmöglichkeiten informieren. In welchem Umfang dabei Versicherungsschutz angenommen werden kann, muss hier nicht abschließend entschieden werden. Insbesondere kann offen bleiben, ob – wie die Beklagte angenommen hatte – es für die eigene Information notwendig gewesen wäre, die Eisbahn persönlich zu besichtigen. Denn das vorliegend zu beurteilende Verhalten des Klägers liegt jedenfalls außerhalb des Rahmens des Unternehmens als Hotelier und Gastwirt. Es überschreitet den inneren Zusammenhang mit dem Gaststätten- und Hotelunternehmen des Klägers, wenn er sämtliche Freizeit- und Sportmöglichkeiten durch eigene Praxis (hier: Schlittschuhlaufen) erkunden wollte.
Schließlich kommt ein Versicherungsschutz auf Grund einer so genannten gemischten Tätigkeit nicht in Betracht. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, die sowohl privaten unversicherten als auch betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt sind, was eintreten kann, wenn sich eine Tätigkeit nicht aufteilen lässt (vgl BSG Urteil vom 22. August 2000 – B 2 U 18/99 R – = HVBG-Info 2000, 2611). Auf Grund des vom LSG festgestellten Sachverhalts ergibt sich bereits, dass das Schlittschuhlaufen für den Kläger eine eigenwirtschaftliche und damit unversicherte Tätigkeit war. Die Frage der Abgrenzung zu einer zugleich ausgeführten betriebsdienlichen Tätigkeit kann sich daher nicht stellen.
Nach alledem ist auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BuW 2003, 698 |
NZA 2002, 1274 |
SozVers 2003, 114 |