Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Streitig sind berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation.
Der Kläger beantragte sie im Februar 1975 bei der Beklagten (Bundesversicherungsanstalt Ar Angestellte - BfA Diese lehnte jedoch, obgleich die Beigeladene ( Bundesanstalt für Arbeit - BA -) eine Umschulung zum Bürokaufmann vorschlug, den Antrag ab, da der Kläger seine Tätigkeit als Tankstelleninstrukteur weiter ausüben könne (Bescheid vom 1. Dezember 1975, Widerspruchsbescheid vom 29. März 1976).
Inzwischen hatte der Kläger im Januar 1976 auch bei der Beigeladenen einen Förderungsantrag gestellt. Mit ihrer Zustimmung nahm er von Januar 1976 bis Juni 1977 an einer Ausbildung zum Kaufmannsgehilfen (Vorbereitungslehrgang für die Prüfung) teil und erhielt hierfür von ihr Leistungen nach §§ 44, 45 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung (Bescheid vom 5. Februar 1976),
Dessenungeachtet erhob der Kläger Klage gegen die Beklagte mit dem Antrag, sie zur Gewährung berufsfördernder Leistungen zu verurteilen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Beigeladene in Vorleistung getreten sei (Urteil vom 20. Februar 1978). Mit seiner Berufungsschrift beanspruchte der Kläger, daß ihm die Beklagte den Unterschied zwischen dem Übergangsgeld und dem Unterhaltsgeld für die Lehrgangsdauer zahle. Das Landessozialgericht (LSG) hat die angefochtenen Vorentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen (Urteil vom 14. Dezember 1978). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch des Klägers scheitere nicht daran, daß die Umschulung inzwischen durchgeführt und von der Beigeladenen gefördert worden sei. Denn die Beigeladene habe lediglich Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung erbracht, nicht aber berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation nach den §§ 56ff. AFG. Die Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung fielen anders als die Rehabilitationsleistungen nicht unter § 6 Abs. 2 des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAng1G) und ließen deswegen den Rehabilitationsanspruch gegen die Beklagte nicht erlöschen. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen der Ermessensleistung nicht vorlägen und deswegen eine Ermessensausübung nicht in Betracht komme. Der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen zu Arbeiten im Außendienst nicht mehr in der Lage. Die im Bescheid der Beklagten genannten Tätigkeiten eines Tankstelleninstrukteurs und eines Tankstellenbezirksleiters seien in erheblichem Maße mit Arbeiten im Außendienst verbunden. Es sei zu erwarten, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Umschulung zum Bürokaufmann gebessert oder wiederhergestellt werden könne.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzung des § 6 RehaAnglG sowie des § 17 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Der § 6 sei auch dann anwendbar, wenn die Eingliederung im Sinne des § 13 AVG mit einer individuellen Förderung der beruflichen Bildung erzielt werde. Darüber hinaus sei die Klage jedenfalls deswegen unbegründet" weil nach Durchführung der Umschulung keine berufsfördernde Hauptleistung mehr in Betracht komme und deswegen keine Grundlage für ein Übergangsgeld als ergänzende Leistung bestehe. Darüber hinaus stehe dem Klageanspruch das Aufstockungsverbot entgegen. Auch sei zu berücksichtigen, daß die Beklagte auf die Durchführung der Maßnahme keinen Einfluß gehabt habe.
Die Beklagte beantragt,
Wer Aufhebung den angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger und die Beigeladene beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der Kläger beschränkt - wie er nochmals in der Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat - sein ursprünglich auf berufsfördernde Maßnahmen schlechthin gerichtetes Begehren auf die Zahlung, des Unterschiedsbetrages zwischen dem von der Beigeladenen für die Zeit von Januar 1976 bis Juni 1977 gewährten Unterhaltsgeld nach § 44 AFG und dem Übergangsgeld, das ihm nach seiner Ansicht in dieser Zeit die Beklagte nach §§ 17ff. AVG hätte zahlen müssen. Insoweit hat das LSG zu Recht die berufsfördernde Maßnahmen ablehnenden Bescheide der Beklagten aufgehoben und sie verpflichtet, dem Kläger einen neuen Bescheid zu erteilen.
Das Begehren des Klägers ist noch nach dem im Januar 1976 bei Beginn der Umschulung geltenden Recht zu beurteilen, also nach den §§ 13ff. AVG i.d.F. des RehaAnglG (BSG SozR 2200 § 1236 Nr. 16); die Neufassung durch das 20. Rentenanpassungsgesetz vom 27. Juni 1977 bleibt demnach außer Betracht (Urteil des Senats vom 14. September 1978 - 11 RA 70/77 -; vgl. auch SozR 2200 § 1236 Nr. 16). Danach hat aber der Kläger die in § 13 AVG geforderten Voraussetzungen für berufsfördernde. Maßnahmen der durchgeführten Art erfüllt. Dies bestreitet die Beklagte auch nicht mehr. Sie hat die Feststellungen des LSG über die versicherungsrechtlichen, gesundheitlichen und sonstigen Voraussetzungen für die vom Kläger beantragte Rehabilitation nicht mit Verfahrensrügen angegriffen; sie sind damit für den Senat bindend. Die Beklagte hat deshalb in ihren Bescheiden nicht eine Rehabilitation wegen dafür fehlender Voraussetzungen nach § 13 Abs. 1 AVG ablehnen dürfen.
Zu Unrecht nimmt sie jedoch an, daß sich das gegen sie gerichtete Begehren des Klägers durch die inzwischen tatsächlich durchgeführte und von der Beigeladenen nach Maßgabe der §§ 44ff. AFG geförderte Umschulung erledigt habe und der Kläger somit nicht mehr beschwert sei.
Daß eine selbst begonnene Rehabilitation den Rehabilitationsantrag nicht erledigt, hat der Senat schon mehrfach entschieden. Nach seiner Auffassung sind zwar die final bestimmten Rehabilitationsleistungen im Grundsatz nur für zukünftige Maßnahmen gedacht; jedoch kam ein Behinderter sein Begehren auf geldliche Förderung einer beruflichen Rehabilitation grundsätzlich auch dann weiterverfolgen, wenn er seine Rehabilitation nach der Antragstellung vorerst ohne Zutun des Versicherungsträgers selbst betrieben hat (SozR2200 § 1236 Nr. 14 und Urteil vom 15. März 1979 - 11 RA 38/78 -). In einem solchen Falle hat der Versicherungsträger über den Rehabilitationsantrag so zu entscheiden, als ob die Maßnahme noch nicht durchgeführt worden wäre. Die Selbsthilfe des Behinderten darf diesem damit weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen.
Auch § 6 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbs. RehaAnglG hat dem Begehren des Klägers nicht die Grundlage entzogen. Denn durch die von der Beigeladenen bewilligten Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung gilt dessen Begehren nicht als erfüllt. Die genannte Vorschrift knüpft an den vorangehenden Halbsatz an; dieser bestimmt, daß bei Unklarheit über den zuständigen Rehabilitationsträger oder bei sonst gefährdeter unverzüglicher Einleitung der erforderlichen Maßnahmen - nach Nr. 2: - in Fällen berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation die BA vorläufig Leistungen zu erbringen hat. Ist dies geschehen, so gilt nach dem folgenden 2. Halbsatz der Anspruch des Behinderten gegen den zuständigen Träger als erfüllt. Diese - wohl auch für Ermessensleistungen geltende (vgl. § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil) - Erfüllungsfiktion beschränkt sich wie die vorläufige Leistungspflicht auf die im RehaAnglG geregelten Ansprüche. Sie betrifft, wie ihr Wortlaut deutlich ergibt, nur Rehabilitationsleistungen und Rehabilitationsansprüche. Damit ist sie bei Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung nicht anwendbar. Im Übrigen kann die Erfüllungsfiktion in § 6 RehaAnglG auch nur "insoweit" Platz greifen, als die BA vorläufig Rehabilitationsleistungen erbracht hat; ein weitergehendes Recht gegen den zuständigen Rehabilitationsträger wird damit dem Behinderten nicht genommen. Hier geht es dem Kläger aber gerade um einen von der BA nicht erbrachten Leistungsteil.
Schon im Hinblick hierauf scheidet ebenfalls ein Übergang des noch streitigen "Anspruchs" auf die BA nach § 38 An 2 Satz 2 AFG aus, weil auch nach dieser Vorschrift ein Anspruch nur "insoweit" Übergehen kam, als der BA durch die Gewährung von Leistungen nach §§ 40ff. AFG Aufwendungen erwachsen.
Dem weiterverfolgten Begehren des Klägers stehen schließlich nicht die übrigen von der Beklagten geltend gemachten Gründe entgegen. Der Senat braucht sich nicht näher damit zu befassen, ob es einem Rehabilitationsträger grundsätzlich verboten ist, Leistungen anderer Rehabilitations- oder Versicherungsträger aufzustocken oder zu fremden Rehabilitationsmaßnahmen lediglich ergänzende Leistungen zu gewähren. Die Beklagte übersieht, daß sie in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Voraussetzungen für eigene erschöpfende Rehabilitationsmaßnahmen verneint hat. Wem bei einer solchen Sachlage der Kläger selbst oder andere Versicherungsträger die von der Beklagten versagten Maßnahmen einleiten, dann darf das, wie bereits, hervorgehoben, dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Ein solcher Nachteil würde jedoch ihm gerade entstehen, wenn die Beklagte nachträglich weiterhin Leistungen deshalb ablehnen dürfte, weil diese nun lediglich Ergänzungs- oder Aufstockungscharakter hätten.
Die Beklagte muß dem Kläger deshalb einen neuen Bescheid erteilen, der sich mit dem vom Kläger gewünschten Differenzbetrag zwischen dem Übergangsgeld und dem Unterhaltsgeld zu befassen hat. Dabei verbleibt der Beklagten die Möglichkeit der Ermessensprüfung insoweit, als sie zu beurteilen hat, ob sie im Jahre 1976 dem Kläger bei pflichtgemäßer Ermessensausübung berufsfördernde Maßnahmen zur Umschulung auf den Beruf den Bürokaufmanns hätte gewähren sollen. Bejaht sie das, dann muß sie, weil dem Kläger dann Anspruch auf Übergangsgeld zugestanden hätte, ihm den Unterschiedsbetrag zwischen diesem Übergangsgeld und dem erhaltenen Unterhaltsgeld auszahlen.
Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Z11 RA 26/79
Bundessozialgericht
Verkündet am 31. Januar 1980
Fundstellen