Leitsatz (amtlich)
Der Beitragsberechnung bei Bezug von Übergangsgeld ist auch dann das Arbeitsentgelt zugrundezulegen, wenn das Übergangsgeld nur in Höhe des Arbeitslosengeldes zu zahlen ist.
Normenkette
RVO § 385 Abs. 3a S. 1 Fassung: 1974-08-07, § 1385 Abs. 3 S. 1 Buchst. f Nr. 2 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darum, ob die in der Zeit des medizinischen Rehabilitationsverfahrens zu entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge und Rentenversicherungsbeiträge nach dem unmittelbar vorher bezogenen Arbeitslosengeld (Alg) oder nach dem früher bezogenen Arbeitsentgelt zu berechnen sind.
Der Beigeladene zu 2. - Versicherter - erlitt im Januar 1974 einen Arbeitsunfall, der einen Oberschenkelbruch zur Folge hatte. Nach stationärer und ambulanter Heilbehandlung durch die klagende Berufsgenossenschaft (BG) war er von April 1974 an wieder arbeitsfähig. Vom 20. November 1975 an bezog er Alg. Vom 17. Februar 1976 an wurde er abermals stationär auf Kosten der Klägerin behandelt, weil ein 1974 verwendeter Knochennagel entfernt werden mußte. Hierbei traten Komplikationen auf, so daß der Versicherte erst am 12. März 1976 in ambulante Behandlung entlassen werden konnte und bis einschließlich 5. September 1976 arbeitsunfähig war.
In der Zeit vom 17. Februar bis 5. September 1976 bezog er Übergangsgeld. Die Beklagte berechnete als Einzugsstelle die Beiträge nach einem am früheren Arbeitsentgelt bemessenen Regellohn. Das frühere Arbeitsentgelt lag der Berechnung des Alg und damit des Übergangsgeldes zugrunde. Die Klägerin meint indessen, der Beitragsberechnung sei nur das Alg zugrunde zu legen. Sie fordert die ihrer Ansicht nach zuviel bezahlten Beiträge von der Beklagten zurück.
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat der Klage stattgegeben und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 23. Januar 1979).
Die Beklagte hat mit Zustimmung der Klägerin Sprungrevision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 385 Abs 3a Satz 1 und 1385 Abs 3 Buchst f Nr 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Sie beantragt, das Urteil des SG Hamburg vom 23. Januar 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die beigeladene Landesversicherungsanstalt (LVA) beantragt dasselbe.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der beigeladene Versicherte hat sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.
Die Beklagte hat ihrer Beitragsberechnung für die Krankenversicherung und Rentenversicherung zutreffend das Arbeitsentgelt und nicht das hieraus berechnete Alg zugrunde gelegt, so daß der Klägerin gegen die Beklagte kein Erstattungsanspruch zusteht.
Nach § 385 Abs 3a Satz 1 RVO (iVm § 381 Abs 3a Nr 2 RVO) sind die Krankenversicherungsbeiträge nach dem Entgelt zu bemessen, das der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde liegt. Entgelt im Sinne dieser Vorschrift ist das Arbeitsentgelt des Versicherten und nicht das Alg. Das folgt aus § 160 Abs 1 RVO (aufgehoben mit Wirkung vom 1. Juli 1977 durch Art II § 1 Nr 1 Buchst a des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften - vom 23. Dezember 1976, BGBl I 3845 -SGB 4- und ersetzt durch § 14 SGB 4). Hier ist festgelegt, was zum Entgelt im Sinne der RVO gehört. In erster Linie gehört der Lohn dazu, nicht aber die Sozialleistungen - hier das Alg -, die anstelle des Lohnes gezahlt werden.
Das Arbeitsentgelt liegt auch, wie dies § 385 Abs 3a Satz 1 RVO voraussetzt, "der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde". Zwar braucht in den Fällen der vorliegenden Art bei der Berechnung des Übergangsgeldes tatsächlich nicht auf das Arbeitsentgelt zurückgegriffen zu werden. Denn nach § 561 Abs 2 RVO iVm § 158 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) muß bei Beginn der medizinischen Rehabilitation während der Arbeitslosigkeit lediglich der Betrag des Alg als Übergangsgeld weitergezahlt werden. Diese vereinfachte Methode, die Höhe des Übergangsgeldes festzulegen, rechtfertigt aber nicht die Meinung, der Berechnung des Übergangsgeldes liege das Arbeitsentgelt nicht zugrunde. Denn der Berechnung des Alg, das als Übergangsgeld weiter zu zahlen ist, liegt das Arbeitsentgelt unmittelbar (§ 112 AFG), der Berechnung des Übergangsgeldes jedoch immerhin mittelbar zugrunde. Damit erfüllt das Arbeitsentgelt die Erfordernisse des § 385 Abs 3a Satz 1 RVO. Daß dem Rehabilitationsträger die selbständige Berechnung des Übergangsgeldes erspart wird, weil sie ein anderer Leistungsträger für das Alg bereits vorgenommen hat, rechtfertigt es nicht, auch bei der Beitragsberechnung die eigentliche Berechnungsgrundlage der Leistung außer Betracht zu lassen.
Auch die Berechnungsvorschrift für die Beiträge zur Rentenversicherung gibt keinen Anlaß, anstelle des Arbeitsentgelts von dem Alg auszugehen. In § 1385 Abs 3 Buchst f Nr 2 RVO ist zwar im Unterschied zu § 385 Abs 3a RVO darauf hingewiesen, daß anstelle des Arbeitsentgelts "die Beträge, welche dem Übergangsgeld zugrunde liegen", für die Berechnung der Beiträge maßgebend sein können. Es besteht aber kein überzeugender Grund, das Alg als einen "Betrag" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Einen anderen Betrag als das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, ist nur dann gerechtfertigt, wenn für die Berechnung des Übergangsgeldes auch nicht mittelbar das Arbeitsentgelt maßgebend sein kann. Das ist so in den Fällen des § 1241 Abs 2 RVO und § 561 Abs 3 RVO, in denen Übergangsgeld für nicht abhängig Beschäftigte, die also kein Arbeitsentgelt beziehen, zu berechnen ist.
Schließlich spricht auch der Sinn der Rehabilitation dafür, daß das Arbeitsentgelt und nicht das Alg der Beitragsberechnung zugrunde zu legen ist. Die Rehabilitation hat das Ziel, den Behinderten möglichst auf Dauer in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern (§ 1 Abs 1 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation -RehaAnglG). Diesem Ziel würde es zuwiderlaufen, für den Versicherten in der Zeit der Rehabilitation weniger an sozialen Vorsorgeaufwendungen zu leisten als in der Zeit des Bezugs von Alg. Das würde sich für den Versicherten nachteilig vor allem in der Rentenversicherung (vgl § 1255 Abs 1 RVO - individuelle Rentenbemessungsgrundlage -), aber auch in der Krankenversicherung (vgl §§ 201, 180 RVO -Grundlohn-) auswirken. Für den Bezieher von Alg (Arbeitslosenhilfe -Alhi- und Unterhaltsgeld) sind die Rentenversicherungsbeiträge nach dem dieser Leistung zugrunde liegenden Bruttoarbeitsentgelt zu leisten (vgl § 1385 Abs 3 Buchst h RVO iVm § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 10 eingefügt durch Gesetz vom 27. Juni 1977 - BGBl I 1040-). Die Krankenversicherungsbeiträge für die Bezieher von Alg (Alhi und Unterhaltsgeld) werden zwar pauschal auf der Grundlage dieser Sozialleistung berechnet (§ 157 Abs 2 Satz 1 AFG). Sie werden aber den Beiträgen angenähert, die für das Arbeitsentgelt zu zahlen wären (§ 157 Abs 3 AFG).
Es kann offen bleiben, ob die Einzugsstelle genau von dem Arbeitsentgelt auszugehen hat, das für die Berechnung des Alg tatsächlich maßgebend war (§ 112 ff AFG) oder ob sie mit Hilfe der Verhältniszahl nach § 157 Abs 3 AFG das Arbeitsentgelt selbständig ermitteln durfte. Da die Beteiligten hierüber nicht streiten, hat es das SG auch ohne Rechtsverstoß unterlassen, zu prüfen, ob sich aus der unterschiedlichen Ermittlung des Arbeitsentgelts unterschiedliche Beitragshöhen ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1654300 |
Breith. 1981, 289 |