1 Leitsatz
Wenn der Anfechtende bei teilbarem Beschlussinhalt mit der Anfechtungsklage den Beschluss "vollumfänglich" anficht, ist der Streitwert auf der Basis des wirtschaftlichen Gesamtwerts zu berechnen, auch wenn die spätere Klagebegründung sich nur mit einem Teilaspekt beschäftigt.
2 Normenkette
§ 49a GKG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K greift den Beschluss an, mit dem die Wohnungseigentümer einem Vergleich zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und der A-GmbH zugestimmt haben. Mit diesem Vergleich haben die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und die A-GmbH für ein selbstständiges Beweisverfahren vereinbart, dass die Gerichtskosten geteilt, die außergerichtlichen Kosten gegeneinander aufgehoben werden und vorgerichtliche Gutachterkosten jede Partei selbst trägt. Ferner, dass die Miteigentumsanteile geändert werden, dass noch offene Kaufpreise an den Bauträger gezahlt werden, und dass die Grenze der Sondernutzungsrechte zwischen den Wohnungen des K und eines weiteren Wohnungseigentümers neu eingetragen werden sollen, was zu einer Verringerung des Gartens des Klägers um 6 m2 führt. Schließlich enthält der Vergleich eine Generalquittung hinsichtlich sämtlicher wechselseitiger Ansprüche im Zusammenhang mit der Errichtung der Wohnungseigentumsanlage.
4 Die Entscheidung
Das LG meint, der Streitwert sei auf 10.000 EUR festzusetzen. K habe die "Aufhebung" des Beschlusses insgesamt angestrebt und nicht etwa auf die mit dem Vergleich einhergehende Änderung seiner Gartenfläche begrenzt. Dementsprechend sei für den Streitwert jedenfalls 50 % des wirtschaftlichen Gesamtwerts der Beschlussfassung maßgeblich. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Klageantrags. K habe den Gegenstand des Vergleichs mit 20.000 EUR beziffert, sein Interesse hingegen mit 3.142 EUR. Dies ergebe nach § 49a GKG 10.000 EUR.
Hinweis
Spannend ist vor allem, worüber sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und der Bauträger geeinigt haben sollen. In Bezug auf die Kosten des Rechtsstreits zuckt man nicht. Anders ist es mit der Größe der Miteigentumsanteile. Diese kann der Bauträger nicht (mehr) ändern. Außerdem kann der Bauträger nicht auf Sondernutzungsrechte einwirken. Fraglich ist auch, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sich zu den Erwerbsverträgen der Wohnungseigentümer als Erwerber vergleichen und eine Quittung erteilen kann.
Ausblick auf die WEG-Reform
Die WEG-Reform hat an der Frage, wie der Streitwert zu errechnen ist, nichts geändert. Mit § 49 GKG n. F. gibt es aber für Beschlussklagen eine neue Sondervorschrift.
5 Entscheidung
LG Lüneburg, Beschluss v. 23.12.2019, 3 T 92/19