Das AG Baden-Baden hatte über den Antrag einer geschiedenen Ehefrau gegen ihren Ehemann auf Zahlung der mit der Eheschließung vereinbarten Morgengabe zu entscheiden. Die Parteien hatten im Jahre 2007 im Iran die Ehe geschlossen. In der Heiratsurkunde hatte der Ehemann sich gegenüber der Ehefrau zur Übergabe von 100 Goldmünzen verpflichtet. Diese Verpflichtung hatte er bis zur Scheidung der Ehe im Jahre 2013 in Deutschland nicht erfüllt.
Verstößt die Morgengabe gegen die guten Sitten?
Nach Auffassung des AG ist die Verpflichtung zur Zahlung einer Morgengabe gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldsumme für den Vollzug der Ehe entspreche nicht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und verstoße damit gegen die guten Sitten.
Mit grundlegenden Verfassungswerten nicht vereinbar
Das AG begründete seine Entscheidung mit dem Schutz der Ehe und Familie nach Art. 6 Absatz 1 GG. Hieraus sei der Grundsatz der Freiheit der Eheschließung abzuleiten.
Durch die Verpflichtung zur Zahlung einer Morgengabe würden sowohl die Freiheit der Eheschließung als auch die Freiheit des Vollzugs der Ehe in unangemessener Weise eingeschränkt.
Damit widerspreche die Morgengabe der Werteordnung des Grundgesetzes und sei mit wesentlichen Wertentscheidungen des deutschen Rechts (ordre public) nicht vereinbar. Dieser Schluss folge auch daraus, dass eine Geldforderung immer als geringerwertig einzustufen sei als die Freiheit zur Eheschließung und die Freiheit der Gestaltung des ehelichen Zusammenlebens. Eine Geldforderung zur Durchsetzung eines Rechts auf Eheschließung sei daher mit deutschem recht nicht kompatibel (AG Baden-Baden, Beschluss v. 11.9.2015, 2 F 118/13).
Morgengabe hat güterrechtliche und unterhaltsrechtliche Bedeutung
Das AG Brühl hatte in einem ähnlich gelagerten Fall die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Zahlung einer - nach seiner Auffassung - sehr hohen Morgengabe verweigert.
Das AG Brühl stellte in seiner Entscheidung allerdings klar, dass die Vereinbarung einer Morgengabe grundsätzlich mit deutschem Recht vereinbar sei. Das AG stützte sich dabei auf ein Urteil des BGH, wonach eine Morgengabe je nach Fallgestaltung Schnittmengen mit dem deutschen ehelichen Güterrecht und dem Unterhaltsrecht aufweisen könne (BGH, Urteil v. 9.12.2009, XII ZR 107/08).
Keine Verfahrenskostenhilfe bei unangemessen hoher Morgengabe
Das AG verweigerte die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe im entschiedenen Fall mit der Begründung, die vereinbarte Morgengabe sei dermaßen unangemessen hoch, dass der Ehemann diese aus finanziellen Gründen schlechterdings in absehbarer Zeit nicht würde erfüllen können. Die Einleitung eines Verfahrens, das zwar rechtlich aber nicht wirtschaftlich Aussicht auf Erfolg biete, sei mutwillig und daher nicht geeignet, einen Anspruch auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe auszulösen (AG Brühl, Beschluss v. 12.10.2010, 32 F 353/10).
Die Morgengabe ist Teil der allgemeinen Wirkungen der Ehe
In einem ähnlichen Fall beurteilte das OLG Köln die entscheidenden Rechtsfragen nochmals abweichend. In dem vom OLG entschiedenen Fall hatten die Eheleute in Teheran die Ehe geschlossen und als Morgengabe die Zahlung von 414 Goldmünzen der Sorte „Bahaar-Azadi“ vereinbart.
Die Eheleute hatten von vornherein die Absicht, nach der Eheschließung in Deutschland zu leben, was sie dann auch taten. Nach der Trennung im Oktober 2013 forderte die Ehefrau von ihrem Ehemann die Aushändigung der Goldmünzen. Unter Berufung auf den BGH beurteilte das OLG Köln die Morgengabe als Teil der allgemeinen Wirkungen der Ehe gemäß Art. 14 EGBGB.
Für die Beurteilung der Morgengabe ist auch die fremde Werteordnung maßgeblich
Das OLG prüfte, ob die Vereinbarung der Morgengabe als Scheidungsfolgenregelung im Zeitpunkt ihres Zustandekommens zu einer einseitigen Lastenverteilung führte, die mit den grundsätzlichen Wertungen des deutschen Rechts nicht vereinbar sei. Allerdings stellte das OLG auch klar, dass bei der Beurteilung die grundlegenden Wertungen des fremden Rechts ebenfalls zu berücksichtigen seien.
Nach geläufigen iranischen Wertvorstellungen entspreche die Vereinbarung einer Morgengabe den dort herrschenden allgemeinen Wertvorstellungen. Sie sei unter anderem ein Ausgleich für eine im Falle einer Scheidung verminderte Wiederverheiratungschance der verstoßenen Frau und solle deren finanzielle Zukunft sichern (OLG Hamm, Beschluss v. 4.7.2012, 8 UF 37/12).
OLG Köln hält hohe Morgengaben für üblich
Das Verdikt der Sittenwidrigkeit kommt nach Auffassung des OLG daher nur im Falle einer krassen Überforderung des Ehemannes durch die Höhe der vereinbarten Morgengabe in Frage. Morgengaben in einer Größenordnung von 400 Bahaar-Azadi-Goldmünzen seien im Iran absolut üblich. Dies entsprach nach der Entscheidung der Vorinstanz einem Wert von 94.338,18 Euro.
Unter Berücksichtigung der iranischen Rechtsvorstellungen ist dies nach Auffassung des OLG nicht unangemessen, so dass kein Grund bestehe, die Vereinbarung als sittenwidrig zu qualifizieren. Das OLG bestätigte daher die dem Antrag der Ehefrau stattgebende Entscheidung der Vorinstanz (OLG Köln, Beschluss vom 5.11.2015, 21 UF 32/15).
Große Rechtsunsicherheit vor deutschen Gerichten
Die unterschiedlichen Entscheidungen zeigen, dass die deutschen Gerichte große Schwierigkeiten haben, die Morgengabe nach iranischem Recht zutreffend einzuordnen. Die stark divergierenden Entscheidungen führen zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit der Betroffenen.
Die Einordnung der Vereinbarung einer Morgengabe als von vornherein sittenwidrig - wie durch das AG Baden-Baden - scheint aber eher die Ausnahme zu sein. Der BGH hat die Frage bisher nicht mit letzter Klarheit beantwortet. Die Tendenz in der Rechtsprechung dürfte dahin gehen, dass das Versprechen einer Morgengabe nur dann sittenwidrig ist, wenn Höhe der Morgengabe den Ehemann nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnisse krass überfordern würde.