Psychische Gesundheit in der Anwaltskanzlei

Juristinnen und Juristen arbeiten überwiegend am Schreibtisch. Was das für ihre körperliche Fitness bedeutet, haben wir bereits beleuchtet. Aber auch die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz wird immer wichtiger.

Psychische Leiden sind verbreitete Arbeitsbeeinträchtigungen

Psychische Gesundheit ist ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Allein die Zahl der reinen Burn-out-Erkrankungen ist enorm gestiegen, ganz zu schweigen von den versteckten psychosomatischen Leiden wie Rücken- und Kopfschmerzen. Allein im Bereich Burn-out zählten die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) in einem einzigen Erhebungsjahr (aktuell 2022) 6,8 Fälle pro 1000 Mitglieder. Wie kann man verhindern, dass es im eigenen Arbeitsumfeld so weit kommt?

Keine Garantie – viele Hilfen

Eines vorweg: Es gibt keine Garantie für den Erhalt der psychischen Gesundheit. Nach dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell der klinischen Psychologie sind wir alle unter schwierigen Bedingungen anfällig für psychische Erkrankungen. Es gibt nur ein „mehr oder weniger“ - je nach genetischer, epigenetischer und sozial erworbener Disposition. Gleichzeitig gibt es aber eine ganze Reihe von Maßnahmen, um Druck-, Angst- und andere Leidensgefühle abzufangen oder zu reduzieren.

Sinnvolles Stressmanagement

Neben einem positiven, wertschätzenden und unterstützenden Arbeitsumfeld, der viel diskutierten Work-Life-Balance und möglicher Home Office-Arbeit (die sich aber durchaus als soziale Falle erweisen kann) wird ein sinnvolles Stressmanagement als zentraler sozialer Faktor gesehen. Hier ist unbedingt auf eine Art erweiterten „Tone from the Top“ zu achten: Es geht nicht nur um Lob, sondern auch darum, einer dauerhaft (zu) hohen Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen entgegenzuwirken. Dazu gehören aus eigener Erfahrung vor allem Maßnahmen wie realistische Terminvorgaben auch im internen Kanzleibetrieb. Vorhandene Ressourcen müssen angemessen verteilt werden, auch wenn es menschlich angenehmer ist, den einen um Unterstützung zu bitten als den anderen.

Unterstützungsangebote

Wenn Ihnen selbst die Zeit, die Kraft und/oder die Einsicht fehlt, nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch – nichts anderes tun Ihre Mandanten in Rechtsfragen. Jeder zertifizierte (!) Business-Coach sollte Stressmanagement-Programme beherrschen. Nutzen Sie diese individuell und gönnen Sie auch Ihrem Team entsprechende Empowerment-Maßnahmen in Einzelstunden und/oder Workshops. Dort lernen Sie anerkannte Techniken kennen, um mit Arbeitsbelastungen besser umgehen zu können. Zudem erkennen Sie nach einer entsprechenden Schulung Frühwarnzeichen leichter und können entsprechend besser gegensteuern.

Vorbildfunktion

Last but not least: Seien Sie als Führungskraft ein Vorbild für Ihr Umfeld! Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der Arbeitsatmosphäre in der Kanzlei. Das beginnt mit einer offenen und transparenten Feedbackkultur. Je aufmerksamer und empathischer Sie reagieren, desto eher wird sich Ihr Arbeitsumfeld Ihnen öffnen.

Vorbild sein heißt aber auch, selbst nicht regelmäßig Überstunden zu machen. Wer abends am längsten das Licht brennen lässt, ist vielleicht der Fleißigste. Ob das aber auch einen entsprechenden Nutzen für das Unternehmen hat, ist fraglich. Auch Pausen sollten wertgeschätzt werden. Schließlich wird es Ihnen Ihre Gesundheit danken, wenn Sie Ihren Urlaub nicht mehr verfallen lassen. Alles in allem signalisieren Sie durch Ihr persönliches Verhalten auf anerkennende Weise, dass es wichtig und akzeptabel ist, auf die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden zu achten.

Oder was meinen Sie? Wie immer freuen wir uns auf Ihre Rückmeldungen!

Weitere Beiträge zum Kanzleimanagement:

Was Sie im Anwaltsalltag für Ihre körperliche Gesundheit tun können

Tipps: Selbstständigkeit in Anwaltskanzleien

Recht auf Entwicklung: die Kunst des internen Feedbacks in Anwaltskanzleien

Wie Sie mit Mentoringprogrammen guten Kanzleinachwuchs heranziehen