Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 27.1.2017 hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz wegen eines mutmaßlichen Alkoholkonsums seiner Mutter während der Schwangerschaft verneint, weil nicht nachgewiesen sei, dass die Mutter des Klägers während der Schwangerschaft Alkohol konsumiert habe. Selbst bei Unterstellung eines Alkoholkonsums der Mutter während der Schwangerschaft mit dem Kläger liege kein vorsätzlich, rechtswidriger tätlicher Angriff iS von § 1 OEG vor, weil eine strafbare Körperverletzung der Mutter gegenüber dem ungeborenen Kind grundsätzlich ausscheide und auch ein versuchter Schwangerschaftsabbruch nicht nachgewiesen sei. Selbst wenn im Rahmen des OEG ein auf die unmittelbare Einwirkung auf den Körper des Opfers, nicht aber auf den entstandenen Körperschaden gerichteter Vorsatz ausreichend sei, so sei auch ein solcher nicht bewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und diese mit dem Bestehen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sowie mit dem Vorliegen eines Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) begründet.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1.) eine bestimmte Rechtsfrage, (2.) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3.) ihre (konkrete) KIärungsfähigkeit sowie (4.) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält es sinngemäß für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob der Anspruch aus § 1 OEG für die durch Alkohol schwerstgeschädigten Kinder auch erfüllt ist, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die Kindesmutter durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft die Schäden des Kindes mit feindseliger Willensrichtung billigend in Kauf genommen hat. Ob der Kläger damit eine Rechtsfrage hinreichend bezeichnet hat, die auf die Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals abzielt (vgl hierzu Becker, SGb 2007, 261, 265 zu Fußnote 42 mwN), kann hier dahinstehen. Er hat bereits die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit dieser von ihm aufgestellten Frage nicht dargetan. Es fehlt insbesondere neben der Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Bestimmung des § 1 OEG die erforderliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG hierzu, um zu begründen, dass sich daraus nicht bereits hinreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage ergäben (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2).
Unabhängig davon hat der Kläger auch die Entscheidungserheblichkeit seiner vermeintlichen Rechtsfrage nicht dargelegt, da das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung neben der Frage, ob die Mutter während der Schwangerschaft in feindseliger Willensrichtung evtl Alkohol getrunken haben könnte, bereits den Alkoholkonsum der Mutter des Klägers während der Schwangerschaft nicht als nachgewiesen festgestellt hat. Tatsächlich kritisiert der Kläger die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG), womit er nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzureichende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
2. Der Kläger legt auch die für eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich das Recht fehlerhaft angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).
Die Erfüllung dieser Voraussetzungen hat die Beschwerde nicht dargelegt. Zwar kritisiert sie, dass das angefochtene Urteil sich nicht mit dem Inhalt der Entscheidung des BSG vom 16.4.2002 (B 9 VG 1/01 R, in BSGE 89, 199 = SozR 3-3800 § 1 Nr 21 = NJW 2002, 3123) auseinandersetze. Die Beschwerde legt aber bereits keinen konkreten Rechtssatz aus der Entscheidung des Berufungsgerichts dar und stellt diesem auch keinen abweichenden Rechtssatz des BSG gegenüber, von dem das LSG bewusst habe abweichen wollen. Soweit die Beschwerdebegründung also rügt, das LSG habe die vorgenannte Rechtsprechung des BSG nicht berücksichtigt, rügt sie allerdings die unrichtige Anwendung des § 1 OEG. Wie oben ausgeführt, sind die behaupteten Fehler der Rechtsanwendung für sich allein jedoch kein Zulassungsgrund. Tatsächlich hat sich das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung auch auf die Rechtsprechung des BSG gestützt (sS 7 ff des Urteils).
3. Der Kläger bezeichnet auch einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, das also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.
Die Beschwerdebegründung behauptet ausschließlich einen übergangenen Beweisantrag und rügt somit einen vermeintlichen Aufklärungsmangel (§ 103 SGG). Der Kläger habe ausdrücklich auf die Richtigkeit der diagnostischen Feststellungen des Prof. Dr. S. zum FAS-Syndrom hingewiesen und hilfsweise dessen nochmalige Vernehmung beantragt. Dem sei die untere Instanz nicht nachgekommen, sondern habe vielmehr durch rhetorische Kunstgriffe versucht, die entsprechende Tatsachenfeststellung bzw Tatsachenkorrektur zu umgehen. Zudem sei die gesamte Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil fehlerhaft. Die Beschwerde behauptet jedoch nicht einmal, einen Beweisantrag vor dem LSG gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten zu haben. Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren eine Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereiteten Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten - wie dem Kläger - regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN). Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen.
4. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
5. Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10970264 |