Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer vertraglichen Vereinbarung über die sachliche Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers
Leitsatz (amtlich)
Träger der Unfallversicherung für Versicherte im Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ist die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung; bei dem Blutspendedienst handelt es sich um ein den Bereitschaften des DRK verwandtes Tätigkeitsgebiet iS des RVO § 653 Abs 1 Nr 4.
Orientierungssatz
Die Bestimmung des zuständigen Versicherungsträgers in RVO § 653 Abs 1 Nr 4 ist eine zwingende Norm der Rechtsordnung, die einer vertraglichen Gestaltungsfreiheit entgegensteht. Die sachliche Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften nach Art und Gegenstand der Unternehmen abzugrenzen, ist nach RVO § 646 Abs 2 einer Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vorbehalten.
Normenkette
RVO § 653 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1963-04-30, § 664 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 667 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 646 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. August 1977 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß zuständiger Unfallversicherungsträger für den Blutspendedienst des Klägers die Beigeladene ist und nicht deren Ausführungsbehörde.
Beklagte und Beigeladene haben dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) oder die beigeladene Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung - BAfU -) zuständiger Unfallversicherungsträger für den Blutspendedienst des Klägers ist.
Der Kläger (Landesverband Rheinland-Pfalz des Deutschen Roten Kreuzes - DRK -) ist ein eingetragener Verein und unterhält einen Blutspendedienst ohne eigene Rechtspersönlichkeit mit der Zentrale in Bad K. Er ist nach seiner Satzung Bestandteil der nationalen Rotkreuz-Gesellschaft und Mitglied im DRK eV, einem Dachverband auf Bundesebene. Zu seinen Aufgaben gehört insbesondere die Durchführung des Blutspendedienstes sowie die Einrichtung und Unterhaltung einer Blutspendezentrale. Die Einrichtung und Unterhaltung der Blutspendedienste der einzelnen Landesverbände des DRK entspricht den Resolutionen des Gouverneursrats der Liga der Rotkreuz-Gesellschaften und ist von 1952 bis 1974 aus öffentlichen Mitteln mit etwa 10 Millionen DM subventioniert worden, zum Teil unter der Auflage, die Blutdepots möglichst außerhalb katastrophengefährdeter Ballungsräume anzulegen. Im Blutspendedienst des Klägers wirken die ehrenamtlichen auf Kreisebene organisierten DRK-Bereitschaften an örtlichen Terminen für freiwillige und unentgeltliche Blutspenden mit. In der Zentrale, die mit einem Laboratorium ausgerüstet ist, verarbeiten hauptberuflich tätige Fachkräfte das Blut zu Frischblutkonserven (Vollblut) und länger haltbaren Blutbestandteil-Präparaten.
Von den im eigenen Depot gelagerten Beständen wird knapp die Hälfte für Katastrophenfälle bereitgehalten, der ständige Frischblutvorrat, der nur etwa 3 Wochen verwendbar ist, entspricht dem regelmäßigen Bedarf für ca. 2 Wochen. Etwa ein Drittel davon würde genügen, um nur die Arztpraxen und Krankenhäuser zu beliefern. Gegen Entgelt, aber nur kostendeckend, gibt der Kläger Blut und Blutbestandteile an Krankenhäuser und Ärzte ab; davon werden etwa 15 vH in der Unfallchirurgie verbraucht. Nicht rechtzeitig verbrauchte Vollblutkonserven geben die Abnehmer an die Zentrale zurück, wo sie zusammen mit Depotbeständen vor Verfallsdatum zu längerlebigen Blutbestandteil-Präparaten aufbereitet werden. Hierauf liegt mittlerweile der Arbeitsschwerpunkt der Zentrale.
Bis zum Jahre 1963 wurden Leistungen an Versicherte in den DRK-Blutspendediensten und den DRK-Krankentransporten - außer in Bayern - von der Beigeladenen erbracht. Nach dem Inkrafttreten des § 653 Abs 1 Nr 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I 241) wurde Ende 1963/Anfang 1964 zwischen der Beigeladenen und der Beklagten auf der Grundlage einer Aufstellung von 31 DRK-Unternehmensarten eine Zuständigkeitsvereinbarung getroffen. In dem Zuständigkeitskatalog der Beklagten sind als bei der Beigeladenen versicherte Einrichtungen ua "Bereitschaften, Krankentransport, Blutspendedienst und Blutspendezentralen (Einrichtungen für den Katastrophenschutz)" bezeichnet. Die Beigeladene stimmte dieser Abgrenzung zu. Die Beklagte unterrichtete hiervon den Generalsekretär des DRK-Dachverbandes mit einem Schreiben vom 21. April 1965. Die Blutspendedienste wurden bei der Beigeladenen weder vor noch nach 1963 in einer besonderen Betriebskartei, sondern in der Kartei des jeweiligen DRK-Kreisverbandes geführt.
Im Jahre 1973 gelangten die Beklagte und die Beigeladene - auf Initiative des Bundesrechnungshofes - zu der Auffassung, nicht die Beigeladene, sondern die Beklagte sei zuständiger Unfallversicherungsträger für den Blutspendedienst des Klägers. Durch Bescheid vom 21. August 1973 ("Mitgliedschein-Aufnahmebescheid") teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei gemäß § 664 RVO mit ihrem Blutspendedienst mit Wirkung vom 1. Januar 1974 in das Unternehmerverzeichnis der Beklagte aufgenommen worden und habe künftig Beiträge zu zahlen; auf den 1. Januar 1974 als maßgebenden Zeitpunkt hätten sich die bisher formal zuständige Beigeladene und die Beklagte in entsprechender Anwendung der §§ 667 f RVO geeinigt. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 27. September 1973) und führte ua aus, der Blutspendedienst betätige sich insbesondere dadurch, daß er den laufenden Bedarf der Krankenhäuser und Arztpraxen an Blutkonserven decke, auf dem normalen Sektor des Gesundheitswesens; hierfür sei die Beklagte zuständiger Unfallversicherungsträger; ein den Bereitschaften verwandtes Tätigkeitsgebiet (§ 653 Abs 1 Nr 4 RVO) könne nicht mehr angenommen werden.
Der Kläger hat Klage erhoben.
Das Sozialgericht (SG) Speyer, Zweigstelle Mainz, hat dem Antrag des Klägers entsprechend den Bescheid und den Widerspruchsbescheid der Beklagten aufgehoben und festgestellt, daß die Beigeladene (im Beiladungsbeschluß vom 18. April 1974 sowie im Rubrum und Tenor des Urteils als Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung bezeichnet) zuständiger Unfallversicherungsträger für den Blutspendedienst des Klägers ist. Es hat angenommen, der Blutspendedienst übe als Einrichtung für den Katastrophenschutz eine den DRK-Bereitschaften verwandte Tätigkeit aus und sei deshalb weiterhin bei der Eigenunfallversicherung des Bundes versichert. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen, die nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils darauf gerichtet sind, unter Änderung des SG-Urteils die Klage gegen die Bescheide der Beklagten abzuweisen, durch Urteil vom 10. August 1977 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Das SG habe zutreffend die Beigeladene als zuständigen Versicherungsträger festgestellt. Der Mitgliedschein - Aufnahmebescheid der Beklagten sei schon aus formalen Gründen rechtswidrig. Die schriftliche Mitteilung der Beklagten vom 21. April 1965 an das Generalsekretariat des DRK über die zwischen den beteiligten Versicherungsträgern Ende 1963/Anfang 1964 getroffene Zuständigkeitsvereinbarung enthalte die Merkmale eines Verwaltungsakts gegenüber dem Kläger. Die Zuständigkeitsvereinbarung habe dem Kläger in Form der hoheitlichen Regelung von Zuständigkeitsfragen, als öffentlich-rechtlicher Vertrag oder als Vergleichsvertrag zweier öffentlich-rechtlicher Körperschaften das Recht auf - beitragsfreie - Versicherung bei der Eigenunfallversicherung des Bundes eingeräumt. Das durch langjährige Verwaltungsübung bzw aufgrund der Zuständigkeitsvereinbarung in Verbindung mit der schriftlichen Mitteilung begründete Versicherungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen habe zumindest als formales Versicherungsverhältnis schutzwürdige Rechtswirkungen auch für die Zukunft. Eine Überweisung des Blutspendedienstes vom Beigeladenen an den Beklagten in entsprechender Anwendung des § 667 Abs 1 RVO hätte zur Voraussetzung, daß erst nach der Begründung eines formalen Versicherungsverhältnisses eine wesentliche Änderung in den für die Zuständigkeit maßgebenden Verhältnisse eingetreten wäre. Daran fehle es hier jedoch. Wenn auch in neuerer Zeit recht umfangreiche kommerzielle Betätigungen im Blutprodukt-Verkaufssektor vorkommen mögen, liege darin doch keine substantielle Veränderung der Betriebsstruktur des Blutspendedienstes. Diese Entwicklung erkläre sich vielmehr aus der sachgemäßen Anpassung an den Erkenntnisfortschritt und an moderne Anforderungen. Aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 664 Abs 3 RVO wäre der Aufnahmebescheid nur rechtmäßig, wenn die weitere Belassung des Blutspendedienstes bei der zumindest formal zuständigen Beigeladenen eindeutig der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zuwiderlaufen würde oder wenn schwerwiegende Unzuträglichkeiten nachweisbar wären, die eine Nichtänderung als unbillige Härte erscheinen ließen. Auch diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor, da die Zuständigkeit der Beigeladenen für den Blutspendedienst nach dessen tatsächlicher Ausgestaltung mit guten Gründen angenommen werden könne. Darüber hinaus handele es sich, wie das SG zutreffend angenommen habe, bei dem Blutspende-Unternehmen des Klägers um ein den DRK-Bereitschaften verwandtes Tätigkeitsgebiet, für das die Beigeladene nach der gesetzlichen Regelung des § 653 Abs 1 Nr 4 RVO zuständig sei.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Beigeladene die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie tragen ua vor: In formaler Hinsicht sei zu beanstanden, daß das LSG zwar zutreffend im Rubrum die Bundesrepublik Deutschland als Beigeladene anführe, aber gleichwohl das Urteil des SG als richtig bestätigt habe, obwohl in diesem Urteil die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, eine Behörde der Beigeladenen, als zuständiger Versicherungsträger bezeichnet worden sei. In der Sache habe das LSG zu Unrecht eine Formalversicherung angenommen; es fehle sowohl an einer Beitragserhebung als auch an einer Eintragung des Klägers in ein Unternehmerverzeichnis und der Erteilung eines Mitgliedscheins durch die Beigeladene. Die Mitteilung vom 21. April 1965 an das Generalsekretariat über die interne Zuständigkeitsabrede enthalte schon deshalb keinen formal verbindlichen Aufnahmeakt in die Eigenunfallversicherung der Beigeladenen, weil die Mitteilung nicht von der Beigeladenen, sondern von der Beklagten ausgegangen sei. Die Zuständigkeitsvereinbarung sei insoweit inhaltlich unrichtig und damit rechtlich nicht wirksam gewesen, als der Blutspendedienst nicht zu den in § 653 Abs 1 Nr 4 RVO angeführten, den DRK-Bereitschaften verwandten Tätigkeitsgebieten gehört habe. Daß entgegen der Rechtslage bis 1973 die Unfallversicherung beitragsfrei von der Beigeladenen durchgeführt worden sei, habe keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand für den Kläger auf weiterhin beitragsfreie Versicherung bei der Beigeladenen bewirkt. Der Aufnahmebescheid der Beklagten stütze sich auf eine entsprechende Anwendung des § 664 Abs 1 und Abs 3 RVO, da die Annahme der Zuständigkeit der Beigeladenen von Anfang an unrichtig gewesen sei. Der Bescheid sei aber auch gemäß § 667 Abs 1 RVO gerechtfertigt, weil sich die Verhältnisse nachträglich insofern geändert hätten, als die kommerzielle Betätigung des Blutspendedienstes in den letzten Jahren immer stärker zugenommen und inzwischen einen erheblichen Umfang angenommen habe. Das LSG dürfe dies wohl zu sehr unterschätzt haben, zumal da ua auch in dem vom LSG angeführten, im Auftrag des DRK-Generalsekretariats von den Professoren W. und H. B. erstatteten Gutachten von Januar 1975 Hinweise auf den Umfang der kommerziellen Betätigung enthalten seien.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile nach den Anträgen in der Berufungsinstanz, insbesondere auf Klageabweisung zu erkennen,
hilfsweise,
die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ua aus: Ihren Hauptzweck, die Katastrophenvorsorge, erreiche die Blutspendezentrale nur durch den regelmäßigen Austausch der verschieden lange haltbaren Blutkonserven mit Bedarfsträgern im allgemeinen Gesundheitswesen. Andernfalls müßten die Konserven nach Verfallsdatum jeweils vernichtet werden; dies wäre jedoch gegenüber den Spendern nicht zu verantworten und darüber hinaus finanziell nicht zu vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen, mit denen die Abweisung der Klage in vollem Umfang erstrebt wird, sind zulässig. Das Urteil des SG ist nicht teilweise - hinsichtlich der Feststellung des zuständigen Versicherungsträgers - rechtskräftig geworden. Der vom LSG in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung protokollierte Berufungsantrag der Beklagten und der nach dem Tatbestand des Urteils damit übereinstimmende Antrag der Beigeladenen, die Klage "gegen den Bescheid (der Beklagten) vom 21. August 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1973 abzuweisen", ist auch im angefochtenen Urteil nicht als eine Beschränkung der Berufungen auf Abweisung lediglich der Anfechtungsklage gewertet worden. Das LSG hat sich in den Entscheidungsgründen vielmehr dem Berufungsvorbringen entsprechend mit der unter den Beteiligten umstrittenen Frage, welcher Versicherungsträger für den Blutspendedienst des Klägers zuständig ist, ebenfalls auseinandergesetzt.
Die Revisionen sind jedoch nicht begründet.
Das LSG hat durch die Zurückweisung der Berufungen im Ergebnis zutreffend entschieden, die Beigeladene sei zuständiger Unfallversicherungsträger für den Blutspendedienst des Klägers. Wegen offenbarer Unrichtigkeit des Tenors hat der Senat die Zurückweisung der Revisionen allerdings mit der Maßgabe ausgesprochen, daß die Bundesrepublik Deutschland und nicht deren Ausführungsbehörde, wie im Tenor des vom LSG bestätigten Urteils des SG angeführt, der zuständige Versicherungsträger ist (§ 138 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -; s BSGE 15, 127, 129; 46, 34, 40). Träger der Versicherung ua für die in § 653 Abs 1 Nr 4 RVO bezeichneten Versicherten ist der Bund. Die BAfU nimmt zwar gemäß § 766 Abs 1 Satz 1 RVO dessen Aufgaben als Träger der Eigenunfallversicherung wahr (s auch § 2 Abs 1 der Verordnung zur Überführung der Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in der britischen Zone vom 14. März 1951 - BGBl I S 190), ist aber nicht selbst Versicherungsträger (s Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-9. Aufl S 526 b, 527 a; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, Anm 4 a zu § 766; BSGE 36, 111, 112 f für den Bereich der Deutschen Bundespost) und darüber hinaus als Bundesbehörde nicht fähig, als Partei am Verfahren beteiligt zu sein (§ 70 Abs 1 Nr 3 SGG; s BSGE 15, 127, 129). Den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils ist aber eindeutig zu entnehmen, daß das SG den Bund als Eigenunfallversicherungsträger hat beiladen wollen und für zuständig gehalten hat. Dem hat auch schon das LSG durch die richtige Bezeichnung der Beigeladenen im Urteilskopf und in den Entscheidungsgründen Rechnung getragen, allerdings nicht ausdrücklich auch im Tenor seines Urteils. Die fehlerhafte Bezeichnung der BAfU als Beigeladene im Beschluß des SG hat keine verfahrensrechtlichen Wirkungen, weil die BAfU die im vorliegenden Rechtsstreit zur Vertretung des Bundes berufene Behörde ist (Brackmann aaO S 527; Lauterbach aaO Anm 4a zu § 766; BSGE 36, 111, 113; 15, 127, 129).
Die Klage ist zulässig auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens (§ 55 Abs 1 Nr 1 oder 2 SGG; s BSGE 15, 52, 55; Brackmann aaO S 240m II; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, § 55 RdNr 12: § 55 Abs 1 Nr 2, einerseits - und BSG SozR Nr 26 zu § 55 SGG; Dapprich, Das sozialgerichtliche Verfahren, 1959, S 117, 118: § 55 Abs 1 Nr 1 - andererseits -). Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen positiven Feststellung, daß die Beigeladene zuständiger Versicherungsträger ist, da die Beigeladene ihre Zuständigkeit bestreitet und durch die vom Kläger erstrebte Aufhebung des Aufnahmebescheides der Beklagten allein nicht gerichtlich geklärt wäre, wer anstelle der Beklagten für den Blutspendedienst Träger der Unfallversicherung ist.
Die Anfechtungs- und Feststellungsklage ist allerdings nicht schon deshalb begründet, weil die beklagte BG am 21. April 1965 dem Generalsekretariat des DRK in Bonn ua mitgeteilt hat, sie und die beigeladene Bundesrepublik Deutschland hätten sich über den Begriff der "verwandten Tätigkeitsgebiete" des DRK im Sinne des § 653 Abs 1 Nr 4 RVO abgestimmt, und die Beigeladene habe ihre Zuständigkeit ua für "Blutspendedienst und -zentralen (Einrichtungen für den Katastropheneinsatz für Bereitschaften)" anerkannt. Entgegen der Auffassung des LSG enthält das Schreiben der Beklagten auch in Verbindung mit der Zuständigkeitsabrede von Ende 1963/Anfang 1964 nicht die Merkmale eines Verwaltungsakts zugunsten des Klägers mit Bindungswirkung gegenüber der Beigeladenen. Es handelte sich nicht um eine gegenüber dem Kläger ergangene (hoheitliche) Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles mit Wirkung gegen die Beigeladene, sondern lediglich um die an einen Dritten - den Dachverband des DRK - gerichtete Information der BG ua darüber, welche Vereinbarung (bereits vor mehr als einem Jahr) zwischen den in Betracht kommenden Unfallversicherungsträgern zur Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten für die verschiedenen Tätigkeitsbereiche des DRK getroffen worden war. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung, wie das LSG ua in Erwägung gezogen hat, eine Regelung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag enthielt. Ihrem Inhalt nach wäre die Regelung jedenfalls unwirksam. Denn die Bestimmung des zuständigen Versicherungsträgers in § 653 Abs 1 Nr 4 RVO ist eine zwingende Norm der Rechtsordnung, die einer vertraglichen Gestaltungsfreiheit entgegensteht, und die sachliche Zuständigkeit der BG'en nach Art und Gegenstand der Unternehmen abzugrenzen, ist nach § 646 Abs 2 RVO einer Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vorbehalten.
Es bedarf aus Anlaß dieses Falles auch keiner Entscheidung, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen zwischen einem Unternehmen (hier: dem Blutspendedienst des Klägers) und einem staatlichen Eigenunfallversicherungsträger (hier: der beigeladenen Bundesrepublik Deutschland) ein der formalen Mitgliedschaft eines Unternehmers bei einer gewerblichen BG entsprechendes Rechtsverhältnis begründet werden könnte (vgl zur formalen Mitgliedschaft ua Brackmann aaO S 512, 512a mit Nachweisen). Die Zuständigkeit der Beigeladenen ergibt sich vielmehr unmittelbar aus § 653 Abs 1 Nr 4 RVO, wie das LSG in seiner alternativen Begründung - insoweit übereinstimmend mit dem SG - zutreffend angenommen hat.
Nach § 653 Abs 1 Nr 4 RVO ist der Bund Träger der Versicherung für Versicherte in den Bereitschaften und verwandten Tätigkeitsgebieten des DRK einschließlich der Vorstände der Verbände des DRK und ihrer Verwaltungsorgane unbeschadet der Dauer ihrer Tätigkeit. Bei dem Blutspendedienst des Klägers handelt es sich um ein Unternehmen auf einem mit den Bereitschaften verwandten Tätigkeitsgebiet im Sinne dieser Vorschrift, und zwar nicht nur, soweit die Bereitschaften bei dessen Aufgaben zB bei den Blutspendeterminen unterstützend mitwirken. Der Begriff der verwandten Tätigkeitsgebiete (des DRK) ist nach Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Sinn der Vorschrift weit auszulegen (vgl hierzu Brackmann aaO S 523; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl Anm 17 zu § 653; s auch Vollmar, ZfS 1978, 156, 159). So waren vor dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963 (BGBl I 241) in der Vorschrift über die Zuständigkeit des damaligen Reiches (und - jedenfalls seit 1951 - des Bundes, vgl Urteil des erkennenden Senats vom 31. Januar 1969, 2 RU 13/65) aus dem Bereich des DRK nur die Versicherten in den Bereitschaften angeführt; außerdem war das damalige Reich (später der Bund) - subsidiär - nur zuständig, sofern die Tätigkeit nicht Bestandteil eines zu einem anderen Versicherungsträger gehörenden Unternehmens war (§ 624 Abs 1 Buchst c RVO in der Fassung des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung - 6. ÄndG - vom 9. März 1942 - RGBl I 107 - iVm der 1. Durchführungs- und Ergänzungsverordnung zum 6. ÄndG vom 20. August 1942). In der Begründung des Entwurfs des UVNG ist aufgrund eines Vorschlages des Bundesrates (BT-Drucks III/758, S 86, Nr 49) die Neufassung des Gesetzes ua wie folgt motiviert worden (vgl BT-Drucks IV/120 S 64): "Das auf Bundesebene zusammengeschlossene Deutsche Rote Kreuz eV führt nationale Aufgaben durch. Es ist durch Schreiben des Bundeskanzlers vom 26. Februar 1951 als Träger aller Aufgaben anerkannt worden, die von den nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes gemäß den auf den internationalen Rotkreuz-Konferenzen festgelegten Grundsätzen wahrgenommen werden ... Es ist daher notwendig und zweckmäßig, daß der Bund ... den Versicherungsschutz für das Deutsche Rote Kreuz übernimmt". Sowohl dieser Zuordnungsgrund als auch der umfassende Ausdruck "verwandte Tätigkeitsgebiete" rechtfertigen die Annahme der Bundeszuständigkeit jedenfalls für solche DRK-Unternehmen, die der Hilfe bei Unglücksfällen dienen und den Bereitschaften des DRK insofern wesensverwandt sind. Die DRK-Bereitschaften sind - ua - Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen (s BSG Urteil vom 31. Januar 1969 aaO; Vollmar aaO S 157). Der Blutspendedienst des Klägers leistet ebenfalls Unglückshilfe. Dies geschieht, wie das LSG in tatsächlicher Hinsicht für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat (§§ 163, 170 Abs 3 Satz 1 SGG), sowohl durch die Versorgung von Arztpraxen und Krankenhäusern mit Blut, soweit dieses unmittelbar in der Unfallchirurgie benötigt und verwendet wird - etwa 15 vH der abgegebenen Menge -, als auch durch die erhebliche Vorratshaltung von Blut und Blutbestandteil-Präparaten in der Größenordnung von knapp der Hälfte aller Depotbestände als Reserve für Notstände aller Art, insbesondere auch für Katastrophenfälle. Bei der Vorratshaltung handelt es sich, wie das LSG ebenfalls bindend festgestellt hat, entgegen dem Vorbringen der Revision nicht nur um eine theoretische Bereitschaft zur Blutversorgung, sondern um eine tatsächliche Reserve für Katastrophenfälle. Es wäre jedenfalls wirtschaftlich nicht sinnvoll, die zeitlich nur begrenzt haltbaren Blutpräparate aufzubewahren und nach dem Verfalldatum zu vernichten. Deshalb werden die Präparate fortwährend durch neue ersetzt und der Vorrat ua an Arztpraxen und Krankenhäuser gegen Entgelt, nach den Feststellungen des LSG jedoch nur kostendeckend, abgegeben. Die wirtschaftliche Betätigung des Blutspendedienstes dient somit letztlich nur der Finanzierung der darüber hinausreichenden Bereitschaft zur Unglückshilfe. Die in unglücksarmen Zeiten augenfälliger wirkende Blutversorgung von Arztpraxen und Krankenhäusern und die damit auf dem Gebiet des allgemeinen Gesundheitsdienstes ausgeübte Aktivität der Blutspendezentrale haben nach den Feststellungen des LSG bisher jedenfalls nicht ein Ausmaß erreicht, durch das die Funktion des Blutspendedienstes als Unglückshilfe-Unternehmen in Frage gestellt wäre; die Bereitschaft des Blutspendedienstes, in Unglücks-, Not- und Katastrophenfällen Blutvorräte zur Verfügung zu stellen, ist für seine Betätigung nach wie vor das wesentliche Ziel, dessen Erreichen durch den Verkauf von Blut an Arztpraxen und Krankenhäuser lediglich gefördert, zT auch erst ermöglicht wird. Hierauf hat es das LSG mit Recht abgestellt.
Zutreffend haben die Vorinstanzen den Mitgliedschaft-Aufnahmebescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids für rechtswidrig erachtet und deshalb aufgehoben. Die Beklagte hat ihren Bescheid auf § 664 RVO und §§ 667 f RVO gestützt. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften im Verhältnis zwischen der beklagten BG und dem Bund als Versicherungsträger trotz § 767 Abs 2 RVO, nach dem die Vorschriften über die Verfassung der BGen (§§ 658 bis 673) nicht gelten, entsprechend anwendbar sind. Selbst wenn dies zuträfe, könnte die von der Beklagten durch den Bescheid beabsichtigte Korrektur in der Zuständigkeit des Versicherungsträgers eine Rechtsgrundlage jedenfalls nicht allein in § 664 Abs 1 RVO finden, der erstmalige Aufnahmeakte und Mitgliedscheine betrifft; denn hier hatte die Beigeladene schon längere Zeit ihre Zuständigkeit für den Blutspendedienst des Klägers als gegeben angesehen und aufgrund dessen Verwaltungsakte erlassen. Eine entsprechende Anwendung des § 664 Abs 3 RVO, nach dem eine unrichtige Eintragung in das Unternehmerverzeichnis zu berichtigen ist, würde voraussetzen, daß es sich um eine - hier nicht gegebene - offenbare Unrichtigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl die Nachweise bei Brackmann, aaO S 513) gehandelt hätte. § 667 RVO würde, wäre er hier entsprechend anwendbar, nur bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse Rechtsgrundlage für den Mitgliedschein-Aufnahmebescheid sein. Eine wesentliche Änderung liegt nach der Rechtsprechung des Senats nur bei einer grundlegenden Umgestaltung des Unternehmens vor (vgl Brackmann, aaO S 515 mN); dies ist nach dem festgestellten Sachverhalt jedoch nicht der Fall.
Die Revisionen waren zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1658878 |
BSGE, 222 |
Breith. 1981, 214 |