Beteiligte
Kassenzahnärztliche Vereinigung Hamburg |
Tenor
Die Revisionen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Februar 1998 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte bei der Neubescheidung die Rechtsauffassung des Senat zu beachten hat.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Gründe
I
Der seit dem 1. Oktober 1993 in Hamburg als Vertragszahnarzt zugelassene Kläger wendet sich gegen die in den Quartalen II/1997 bis IV/1997 von der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) im Rahmen der Honorarverteilung praktizierte Begrenzung der für vertragszahnärztliche Sachleistungen abrechenbaren Punktzahlmenge.
Mit dem vom 1. April 1997 an geltenden Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten hatte der einzelne Vertragszahnarzt in den Leistungsbereichen konservierend-chirurgische Behandlungen (ohne Individualprophylaxe) einschließlich der Begleitleistungen für Prothetik und Kieferorthopädie, Parodontosebehandlungen und Kieferbruchbehandlungen Vergütungsansprüche in Höhe des vollen Punktwertes nur bis zu einer individuellen Bemessungsgrenze, die sich grundsätzlich aus dem Mittelwert der in den Quartalen I/1994 bis IV/1995 vom einzelnen Zahnarzt abgerechneten Bema-Punkte und für in den letzten drei Jahren vor dem Vergütungszeitraum neu zugelassene Zahnärzte aus der im Bereich der Beklagten durchschnittlich abgerechneten Punktzahl errechnete.
Mit Bescheid vom 24. April 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, seine individuelle Bemessungsgrenze für die Quartale II/1997 bis IV/1997 betrage 66.308 Punkte. Sie errechne sich aus den vom Kläger im Bemessungszeitraum abgerechneten und um 15 % gekürzten Summen der aus den Bereichen konsvervierend-chirurgische Behandlungen, Parodontosebehandlungen und Kieferbruchbehandlungen abgerechneten Punkte, hochgerechnet auf die Quartale II/1997 bis IV/1997. Da der so ermittelte Wert 60.975 Punkte betrage und damit unter dem Landesdurchschnitt von 87.420 Punkten liege, hob die Beklagte die Bemessungsgrenze um einen im HVM näher beschriebenen Zuschlag auf 66.308 Punkte an.
Der Kläger, der in den Quartalen II/1997 bis IV/1997 in den kontingentierten Leistungsbereichen 112.867 Punkte abgerechnet hatte, verwies mit seinem Widerspruch auf seine anfangsbedingt geringe Fallzahl im Bemessungszeitraum, die sich im Abrechnungszeitraum überdurchschnittlich entwickelt habe. Wäre er nicht im vierten Quartal 1993, sondern im ersten Quartal 1994 zugelassen worden, hätte er zumindest von der Anfängerregelung profitiert. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 2. September 1997).
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, daß sich seine Fallzahl vom Quartal IV/1993 bis zum Quartal II/1997 von 181 auf 467 gesteigert habe, wobei seine durchschnittlichen Fallwerte stets niedrig gewesen seien.
Durch Urteil vom 18. Februar 1998 hat das Sozialgericht (SG) Hamburg den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts und im Zuge einer noch zu erfolgenden Änderung des HVM neu zu bescheiden. Der HVM sei formell rechtmäßig. In materieller Hinsicht sei nicht zu beanstanden, daß die Beklagte die Form eines individuellen HVM gewählt habe. Allein die für die sog Anfängerpraxen getroffene Regelung sei rechtswidrig. Der Umstand, daß die Anfangsumsätze der Praxen, die in den unmittelbar vor Beginn des Bemessungszeitraums liegenden Jahren neu gegründet worden seien, ganz oder teilweise der Festlegung der Honorarbemessungsgrenze zugrunde gelegt würden, führe zu einer systematischen Benachteiligung einer ganzen Gruppe von Zahnärzten. Entgegen der Auffassung der Beklagten enthalte die Anlage zum HVM keinen ausreichenden Schutz sog Anfängerpraxen. In sachgerechter Weise könne der Begriff der Anfängerpraxis nur auf den Bemessungs-, nicht aber auf den Vergütungszeitraum bezogen werden. Wenn einer neu gegründeten Praxis aber eine dreijährige Anlaufphase zugestanden werde, müsse diese zeitlich vor dem Bemessungszeitraum, nicht jedoch vor dem Vergütungszeitraum liegen.
Gegen dieses Urteil richten sich die vom SG zugelassenen Sprungrevisionen des Klägers und der Beklagten.
Der Kläger trägt vor, das SG habe eine Nachbesserung des HVM lediglich für Vertragszahnärzte verlangt, die ihre Praxen in den Jahren 1991 bis 1993 neu gegründet hätten. Hinsichtlich des Inhalts der geforderten Neuregelung habe das SG der Beklagten keine Vorgaben gemacht, jedoch den Hinweis erteilt, daß die vorhandene, für Praxisneugründungen in den Jahren ab 1994 geltende Ausnahmeregelung ansonsten nicht zu beanstanden sein dürfte. Die Schaffung einer solchen individuellen Bemessungsgrenze verstoße jedoch generell gegen den Maßstab der Honorarverteilungsgerechtigkeit, sofern sie die Vergütung bei einer Steigerung des Punktzahlvolumens auch dann beschränke, wenn diese ausschließlich auf einer Zunahme der Fallzahlen beruhe. Würde die Beklagte die Anlage zum HVM nach den Vorgaben des erstinstanzlichen Urteils ändern und ihm – dem Kläger – den Landesdurchschnitt als Bemessungsgrenze gewähren, überschreite er diese Grenze immer noch um 25.447 Punkte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Februar 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats und im Wege einer noch zu schaffenden verfassungskonformen HVM-Regelung neu zu bescheiden, sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Februar 1998 abzuändern und die Klage abzuweisen sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Ihr HVM sei rechtmäßig. Die vom SG verlangten Nachbesserungen seien rechtlich nicht geboten, denn die vorgenommene Festsetzung einer individuellen Honorarbemessungsgrenze auch im Bereich der sog Anfängerpraxen entspreche den Erfordernissen des § 85 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und der Art 12 Abs 1 sowie 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Entgegen der Auffassung des SG handele es sich bei den Anfängerpraxen nicht um eine klar abgrenzbare Gruppe. Im Rahmen der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei ein Zahnarzt, der seine Tätigkeit ein Quartal vor dem Bemessungszeitraum aufgenommen habe, anders zu beurteilen, als ein Anfänger, dessen Tätigkeitsbeginn bereits acht Quartale vor dem Bemessungszeitraum liege. Ebenso seien Praxisanfänger, die im Vergütungszeitraum weit über dem Landesdurchschnitt abgerechnet hätten, von denen abzugrenzen, die diesen Durchschnitt nur erreicht oder sogar unterschritten hätten. Daher habe sie die Fälle der Anfängerpraxen zu Recht einer Einzelfallbetrachtung unterzogen, die ihren Ausdruck in der Härtefallregelung der Ziff 3.3 der Anlage zum HVM finde. Im Quartal IV/1993 hätten neben dem Kläger zwölf weitere Zahnärzte ihre Tätigkeit aufgenommen. Diese Gruppe mache gerade ein Prozent der in ihrem – der Beklagten – Bezirk zugelassenen Zahnärzte aus, so daß diese Einzelfälle sachgerecht über die Härtefallregelung beurteilt werden könnten. Die vom SG geforderte einheitliche Sonderregelung für Anfängerpraxen im HVM sei daher nicht erforderlich. Gegenüber der Revisionsbegründung des Klägers schließt sich die Beklagte dem angefochtenen Urteil an.
Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte dem Kläger den „HVM-Widerspruchsbescheid” vom 30. Juli 1998 erteilt. Darin wird der Bescheid vom 24. April 1997 abgeändert und die individuelle Bemessungsgrenze für die Quartale II/1997 bis IV/1997 auf 87.420 Punkte (Landesdurchschnitt) festgesetzt. Im Falle des Klägers liege eine besondere Härte vor, da er nur ein Quartal vor Beginn des Bemessungszeitraums seine zahnärztliche Tätigkeit aufgenommen habe. Demgemäß sei auf ihn die Anfängerregelung sinngemäß anzuwenden.
II
Die Revisionen beider Beteiligten sind zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger ist durch das Urteil des SG beschwert, obwohl dieses seinem Klageantrag entsprochen hat. Das SG hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte auf der Grundlage des § 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verpflichtet, bei der Neubescheidung die Rechtsauffassung des Gerichts zugrunde zu legen. Bei einem solchen Bescheidungsurteil kann sich die Beschwer des Klägers daraus ergeben, daß die von der Behörde zu beachtende Rechtsauffassung nicht der von ihm vertretenen entspricht (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, Vorbemerkung § 143 RdNr 5a). Dies ist hier der Fall, weil sich die unterschiedlichen Rechtsauffassungen des SG einerseits und des Klägers andererseits bei der Neubescheidung seitens der Beklagten erheblich auswirken. Nach Ansicht des Klägers ist der HVM der Beklagten, soweit durch ihn Zahnarztpraxen, die unterdurchschnittlich abrechnen, an diesen Abrechnungswerten festgehalten werden, wegen Verstoßes gegen § 85 Abs 4 SGB V unwirksam und deshalb der Neubescheidung nicht zugrunde zu legen. Das SG ist demgegenüber der Auffassung, der HVM sei nur insoweit zu beanstanden, als er den Begriff der Anfängerpraxis unzutreffend festlege. Die Beklagte entspräche damit der Verpflichtung zur Neubescheidung im Sinne des sozialgerichtlichen Urteils, wenn sie etwa auf der Grundlage des unveränderten HVM den Anfängerpraxen als Bemessungsgrundlage jeweils die im Landesdurchschnitt abgerechnete Punktzahl zugestehen würde. Die so beschriebene Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung bleibt hinter dem Begehren des Klägers zurück, der die Vergütung aller von ihm in den Quartalen II/1997 bis IV/1997 abgerechneten Punkte und nicht nur die Vergütung der Punktzahl in Höhe des Landesdurchschnitts beansprucht.
Die Revision der Beklagten ist ebenfalls zulässig. Ihr Rechtsschutzbedürfnis für die Revision ist nicht deshalb entfallen, weil sie von sich aus, ohne einen Ausführungsbescheid erlassen zu wollen, den Kläger mit dem Bescheid vom 30. Juli 1998 im Ergebnis so gestellt hat, wie sie ihn nach dem sozialgerichtlichen Urteil stellen muß. Sie wendet sich weiterhin dagegen, daß sie nach der vorinstanzlichen Entscheidung gehalten ist, ihren HVM zu ergänzen, und sie so die besonderen Bedingungen von Anfängerpraxen nicht ausschließlich unter Härtegesichtspunkten berücksichtigen darf.
In der Sache haben die Revisionen beider Beteiligten keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung aller von ihm in den streitbefangenen Quartalen abgerechneten Punkten nach festen Punktwerten. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger auf der Grundlage einer noch zu erlassenden HVM-Regelung erneut zu bescheiden.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Bescheid der Beklagten vom 24. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1997, in dem die Bemessungsgrenze für die Quartale II/1997 bis IV/1997 festgelegt worden ist. Der Bescheid vom 30. Juli 1998 ist nicht auf der Grundlage des § 96 Abs 1 SGG Verfahrensgegenstand geworden, weil die im Revisionsverfahren geltende Sondervorschrift des § 171 Abs 2 SGG dies ausschließt. Obgleich dieser Bescheid den angefochtenen Bescheid vom 24. April 1997 endgültig abändern will und nicht lediglich Bescheid zur Ausführung des von der Beklagten mit der Revision angefochtenen Urteils des SG ist, wird er nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. § 171 Abs 2 SGG bestimmt insoweit, daß der Änderungsbescheid als mit der Klage beim SG angefochten gilt, es sei denn, daß der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt ist. Gerade das ist, wie bereits dargelegt, nicht der Fall.
Die Beklagte hat dem angefochtenen Bemessungsgrundlagenbescheid vom 24. April 1997 die vom 1. April 1997 an geltenden Vorschriften der Anlage ihres HVM (idF des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 9. April 1997) zugrunde gelegt. Danach hat der Vertragszahnarzt für die Leistungsbereiche konservierend-chirurgische Leistungen (ohne individualprophylaktische Leistungen) einschließlich der Begleitleistungen für Prothetik und Kieferorthopädie, Parodontose- und Kieferbruchbehandlungen Vergütungsansprüche aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit bis zu einer individuellen Bemessungsgrenze, vorbehaltlich einer weiteren Vergütung aus dem gegebenenfalls verbleibenden Rest der Gesamtvergütung (Abschnitt II Ziff 1 iVm Abschnitt III der Anlage). Zur Festlegung der individuellen Bemessungsgrenze der Quartale II/1997 bis IV/1997 für jeden an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Zahnarzt wird der Mittelwert der Summe der von ihm abgerechneten Bema-Punkte für diese Leistungsbereiche der Quartale I/1994 bis IV/1995 ermittelt und dieser Wert um 15 % gekürzt. Für Vertragszahnärzte, die ihre Tätigkeit in den letzten drei Jahren vor dem Vergütungsjahr oder später aufgenommen haben, gilt als Bemessungsgrundlage der Mittelwert der Summe der Bema-Punkte von allen Anspruchsberechtigten ohne ausschließlich kieferorthopädisch oder kieferchirurgisch tätige Zahnärzte (Abschnitt II Ziff 4.1 und Ziff 5.3.1 der Anlage). Für Vertragszahnärzte, deren Bemessungsgrundlage unterhalb des KZÄV-Landesdurchschnitts liegt, wird die Bemessungsgrenze in Stufen angehoben (Abschnitt II Ziff 4.1 und Ziff 5.5 der Anlage). Im Einzelfall schließlich, in dem die Festlegung der Bemessungsgrenze nach dieser Anlage zu einer besonders schweren Härte führen würde, kann die Bemessungsgrundlage auf Antrag des betroffenen Zahnarztes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach pflichtgemäßem Ermessen – durch den Vorstand – festgelegt werden (Abschnitt II Ziff 3.3 und Ziff 5.2 der Anlage). Sonderregelungen gelten auf Antrag oder von Amts wegen für weitere Ausnahmetatbestände, etwa die ununterbrochene Nichtausübung der Tätigkeit im Bemessungszeitraum für länger als drei Monate oder die Gründung einer Gemeinschaftspraxis (Abschnitt II Ziff 3.1 und Ziff 4.2 der Anlage). Im Rahmen der individuellen Bemessungsgrenze hat der Vertragszahnarzt gegenüber der Beklagten für erbrachte Sachleistungen aus den genannten Leistungsbereichen Anspruch auf Einzelleistungsvergütung nach dem jeweils geltenden Punktwert. Die Vergütung für Überschreitungspunkte wird vorläufig einbehalten. Für die – hier nicht streitbefangene – Restvergütung der Überschreitungspunkte sind ebenfalls Regelungen getroffen (Abschnitt III der Anlage).
Dieses System der Aufspaltung der Honorarverteilung einerseits in die Vergütung zahnärztlicher Sachleistungen bis zu einer individuellen Bemessungsgrundlage nach festen Punktwerten sowie andererseits in eine abschließende Restvergütung der die Bemessungsgrenze übersteigenden Punkte nach schwankenden Punktwerten ist grundsätzlich zulässig, auch soweit die Bemessungsgrundlage an die Abrechnungsergebnisse des einzelnen Zahnarztes in vergangenen Zeiträumen anknüpft. Die Regelung im HVM ist jedoch mit höherrangigem Recht unvereinbar, soweit sie zur Folge hat, daß Vertragszahnärzte mit unterdurchschnittlicher Fallzahl, typischerweise insbesondere Inhaber neu gegründeter Praxen, ihren Umsatz durch eine Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten nicht zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Zahnarztgruppe steigern können.
Der Senat hat bereits mit Urteil vom 3. Dezember 1997 (BSGE 81, 213 = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 152) entschieden, daß die KZÄVen berechtigt sind, die gesetzliche Budgetierung der Gesamtvergütungen (§ 85 Abs 3a bis c SGB V idF des Art 1 Nr 43 Buchst f GSG vom 21. Dezember 1992 ≪BGBl I 2266≫) im Rahmen der Honorarverteilung an die Vertragszahnärzte weiterzugeben und die in einzelnen Leistungsbereichen abrechnungsfähigen Punkte zu begrenzen. Die damals zu beurteilenden HVM-Regelungen stimmten in der Zielsetzung mit den hier maßgeblichen Vorschriften überein. Beiden Verteilungskonzepten liegt die zutreffende Einschätzung zugrunde, daß die im zahnärztlichen Bereich seit Jahrzehnten praktizierte Einzelleistungsvergütung nach festen, gesamtvertraglich vereinbarten Punktwerten in der Regel ohne mengenbegrenzende Komponente nach Einführung der gesetzlichen Begrenzung des Anstiegs der Gesamtvergütungen (auch) für die vertragszahnärztlichen Leistungen nicht unverändert fortgeführt werden konnte. Entweder mußte die Zahl der mit einem garantierten Punktwert abrechenbaren Einzelleistungen begrenzt oder auf feste Punktwerte ganz verzichtet und so ein Punktwertverfall in Kauf genommen werden. Der Senat hat es in seinem Urteil vom 3. Dezember 1997 (aaO) für mit dem aus § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V abzuleitenden Gebot der leistungsproportionalen Verteilung vereinbar gehalten, eine Modifikation beider Elemente der Honorarverteilung vorzunehmen und der Garantie eines festen Punktwertes für ein bestimmtes Kontingent konservierend-chirurgischer Einzelleistungen pro Praxis den Vorrang vor einer Honorierung aller abgerechneter Punkte mit einem schwankenden Punktwert zu geben. Für das strukturell ähnlich angelegte Verteilungskonzept im HVM der Beklagten gilt im Ausgangspunkt dieselbe rechtliche Beurteilung.
Der entscheidende Unterschied der von der Beklagten eingeführten individuellen Bemessungsgrundlage gegenüber der vom Senat bereits für zulässig erachteten Kontingentgrenze besteht darin, daß hier die Grenze der mit festen Punktwerten zu vergütenden Punkte auf der Basis der individuellen Abrechnungswerte des einzelnen Zahnarztes aus dem Bemessungszeitraum (1994 und 1995) ermittelt wird. Der maßgebliche Bezugspunkt für die praxisbezogene Punktzahlgrenze ist nicht der durchschnittliche Punktzahlaufwand pro Fall aller Zahnärzte in vergangenen Abrechnungszeiträumen, sondern der eigene Praxisumsatz des Zahnarztes in der Vergangenheit. Der Zahnarzt, der im Bemessungszeitraum als Folge hoher Fallzahlen und/oder höherer Fallwerte einen hohen Umsatz erreicht hat, erhält diesen Umsatz – um 15 % gekürzt – als Bemessungsgrundlage und kann in den Quartalen II/1997 bis IV/1997 Leistungen bis zu dieser Grenze zum festen Punktwert abrechnen. Derjenige, der im Bemessungszeitraum einen geringen Praxisumsatz erarbeitet hat, wird daran – abgesehen von der allen Zahnärzten offenstehenden Restvergütung – grundsätzlich festgehalten. Die unterschiedlichen Auswirkungen dieser Form der praxisindividuellen Honorarbegrenzung sind gegenüber derjenigen, die in der Entscheidung vom 3. Dezember 1997 (aaO) zu beurteilen waren, nicht von solchem Gewicht, daß die Anknüpfung an den praxisindividuellen Umsatz in der Vergangenheit mit dem Gebot der leistungsproportionalen Verteilung (§ 85 Abs 4 Satz 3 SGB V) unvereinbar wäre.
Die im HVM angelegte Differenzierung zwischen Punktmengen unterhalb und oberhalb der individuellen Bemessungsgrenze soll dazu beitragen, dem einzelnen Zahnarzt durch Zuweisung eines bestimmten Umsatzkontingentes eine gewisse Planungs- und Kalkulationssicherheit zu verschaffen. Der Zahnarzt hat die Gewißheit, im laufenden Jahr den – um 15 % reduzierten – durchschnittlichen Honorarumsatz der vergangenen zwei Jahre – 1994 und 1995 – für vertragszahnärztliche Leistungen erzielen zu können, soweit er selbst zumindest in vergleichbarem Umfang wie in der Vergangenheit vertragszahnärztliche Leistungen erbringt bzw erbringen kann. Bis zu dieser Umsatzgrenze ist der Zahnarzt bei allenfalls geringfügig schwankendem Behandlungsumfang gegen den Punktwertverfall als Folge einer generellen Mengenausweitung geschützt. Diese relative Kalkulationssicherheit reduziert wiederum Anreize, auf eine begrenzte Gesamtvergütung mit einer medizinisch nicht indizierten Leistungsmengenausweitung zu reagieren. Der einzelne Zahnarzt weiß, daß die von ihm oberhalb des bisherigen Umsatzniveaus seiner Praxis erbrachten Leistungen nur im Rahmen der Restvergütung und damit in der Regel allenfalls nur zu einem Bruchteil des ansonsten geltenden Punktwertes vergütet werden können.
Eine Verteilungsregelung, die dem einzelnen Zahnarzt die Abrechnung eines bestimmten Punktzahlvolumens zu festen Punktwerten ermöglichen will, hat zur notwendigen Konsequenz, auch Umsatzsteigerungen durch eine Erhöhung der Zahl der in der einzelnen Praxis behandelten Patienten zu begrenzen. Das System der individuellen Bemessungsgrenze wirkt nicht nur medizinisch möglicherweise nicht indizierten Ausweitungen des Behandlungsumfangs je Fall, also Fallwerterhöhungen, entgegen, sondern schränkt – anders als die dem Urteil vom 3. Dezember 1997 (aaO) zugrundeliegende Regelung – auch die Umsatzsteigerung durch eine Erhöhung der Fallzahlen ein. Diese Wirkung ist erwünscht, soweit Fallzahlsteigerungen nicht auf dem tatsächlichen Gewinn neuer, bisher gar nicht oder von anderen Zahnärzten behandelter Patienten beruhen, sondern vom einzelnen Zahnarzt beeinflußt worden sind, etwa durch Verlängerung von Behandlungen über die Quartalsgrenzen hinweg oder durch medizinisch nicht veranlaßte Wiedereinbestellung von Patienten im neuen Quartal. Von der individuellen Bemessungsgrenze gehen jedoch auch Einschränkungen der Chancen des einzelnen Zahnarztes aus, durch seinen Erfolg, die Attraktivität seiner Behandlung aus der Perspektive der Patienten oder die Organisation seiner Praxis, neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb der Berufskollegen zu verbessern. Diese Anreizverminderung im zahnärztlichen Wettbewerb, der im Idealfall zu einer qualitativen Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung insgesamt führen kann, darf die KZÄV jedoch zur Erreichung der oben beschriebenen Ziele der individuellen Bemessungsgrenze im Rahmen der ihr beim Erlaß des HVM zustehenden Gestaltungsfreiheit grundsätzlich in Kauf nehmen.
Insoweit ist zunächst von Bedeutung, daß sich nach der vertretbaren Einschätzung der Beklagten größere Schwankungen im Leistungsverhalten bei langjährig betriebenen und etablierten Praxen in der Regel nicht ergeben. Patientenzahl und Behandlungsumfang sowie Behandlungsweise des Praxisinhabers bleiben nach Abschluß der Aufbauphase einer Praxis offenbar über einen längeren Zeitraum relativ konstant. Mit der Beklagten ist davon auszugehen, daß deutliche Verschiebungen bei der Zahl der behandelten Patienten eine eher seltene Ausnahme sind und einer kurzfristigen massiven Umsatzsteigerung vielfach schon die räumliche und personelle Ausstattung der Praxis entgegensteht. Insofern spiegelt der nach Ablauf der Gründungsphase erreichte Umsatz einer Praxis relativ zuverlässig den Umfang wider, in dem der einzelne Zahnarzt die vertragszahnärztliche Versorgung mit sichergestellt hat und in der Zukunft sicherstellen wird. Es ist deshalb gerechtfertigt, den einzelnen Zahnarzt jedenfalls für eine gewisse Zeit und unter den von der KZÄV nicht zu beeinflussenden Vorgaben einer strikt begrenzten Gesamtvergütung an dem selbst gesetzten Umsatzvolumen festzuhalten und Umsatzerhöhungen nur im Rahmen der möglicherweise wirtschaftlich wenig attraktiven Restvergütung zu honorieren. Zudem hat sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung für das Honorarverteilungssystem der individuellen Bemessungsgrundlage auch von der Erwägung leiten lassen dürfen, daß Praxen mit zumindest durchschnittlichem Umsatz – jeweils bezogen auf einen einzelnen Vertragszahnarzt – die Belastungen, die sich aus der Begrenzung des Vergütungsanspruchs auf das in der Vergangenheit erarbeitete Umsatzvolumen ergeben können, zu verkraften imstande sind. Im Rahmen einer dem Normgeber erlaubten typisierenden Betrachtungsweise ist der erreichte Praxisumsatz ein entscheidendes Indiz für den Umfang, in dem der einzelne Vertragszahnarzt nach seiner persönlichen Entscheidung und/oder den von ihm vorgefundenen und nicht beeinflußbaren äußeren Bedingungen seiner Tätigkeit – zB der Lage seiner Praxis in einem nicht mehr wachsenden Wohngebiet mit alternder Bevölkerung – tätig sein will bzw tätig sein muß und in der Vergangenheit ohne Gefährdung der Existenz seiner Praxis auch tatsächlich tätig geworden ist.
Eine andere Beurteilung ist jedoch geboten, soweit zahnärztliche Praxen betroffen sind, die im Bemessungszeitraum wegen einer unterdurchschnittlichen Fallzahl den durchschnittlichen Umsatz der maßgeblichen Zahnarztgruppe nicht erreicht haben. Es ist mit dem aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (vgl dazu BSGE 73, 131, 138 = SozR 3-2500 § 85 Nr 4 S 26; BSGE 75, 187, 191 = SozR 3-2500 § 72 Nr 5 S 9; BSGE 77, 288, 294 = SozR 3-2500 § 85 Nr 11 S 69; Urteil vom 9. September 1998 - B 6 KA 55/97 R -) unvereinbar, wenn die mit der individuellen Bemessungsgrenze beabsichtigte Vergütungsbegrenzung solche Praxen faktisch daran hindert, ihren Umsatz durch einen Zugewinn von Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Zahnarztgruppe zu steigern.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten bzw Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, daß eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG enthält jedoch nicht nur das Verbot sachwidriger Differenzierungen, sondern genauso das Gebot sachgerechter Differenzierung bei Vorliegen wesentlicher Unterschiede. Zwei Gruppen, die sich in verschiedener Lage befinden, dürfen nur bei Vorliegen zureichender Gründe gleich behandelt werden (BVerfGE 17, 337, 354), und es ist mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar, Ungleiches gegen ein zwingendes Gebot gleich zu behandeln (BVerfGE 13, 46, 53; BVerfGE 84, 133, 158).
Das dem Gleichheitssatz innewohnende Differenzierungsgebot, das auch Bestandteil des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist, wird verletzt, wenn ein HVM bei der Begrenzung von Vergütungsansprüchen auf das in der Vergangenheit erreichte Punktzahlvolumen Praxen mit unterdurchschnittlicher Fallzahl genauso wie durchschnittliche bzw überdurchschnittlich große Praxen behandelt. Zwischen kleinen Praxen insbesondere in der Gründungsphase und seit längerem bestehenden etablierten Praxen finden sich hinsichtlich der Bedeutung des in einem bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erreichten Umsatzes Unterschiede von solchem Ausmaß und solchem Gewicht, daß sie einer schematischen Gleichbehandlung entgegenstehen. Während bei etablierten Praxen das über lange Jahre hinweg relativ konstante Umsatzniveau einen zuverlässigen Indikator des von dem einzelnen Vertragszahnarzt gewünschten oder maximal erreichbaren Ausmaßes seiner Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung darstellt, ist dieser Schluß bei kleinen Praxen jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zulässig. Er berücksichtigt insbesondere nicht hinreichend, daß zumindest in neu gegründeten Praxen in aller Regel zunächst relativ wenige Patienten behandelt werden und typischerweise erst nach einer längeren Aufbauphase ein durchschnittlicher und ggf auch überdurchschnittlicher Umsatz erreichbar ist. Gerade bei Praxen in der Gründungsphase ist der im Bemessungszeitraum erreichte Umsatz vielfach keineswegs das Ergebnis einer bewußten Entscheidung des Praxisinhabers für einen bestimmten – von ihm angestrebten oder als unabänderlich hingenommenen – Umsatz seiner Praxis, sondern unvermeidliches Durchgangsstadium auf dem Weg zu einer gewünschten größeren Patientenzahl.
Das hat die Vertreterversammlung der Beklagten im Ausgangspunkt offenbar nicht anders beurteilt; denn der HVM bestimmt, daß Praxen in den ersten drei Jahren der Niederlassung das durchschnittliche Punktzahlvolumen aller allgemein-zahnärztlich tätigen Mitglieder der Beklagten als Bemessungsgrundlage zugebilligt wird. Dabei hat die Beklagte indessen außer acht gelassen, daß eine neu gegründete Praxis am Ende des mit drei Jahren veranschlagten Gründungsstadiums zwar möglicherweise eine durchschnittliche Fallzahl erreicht hat, durch die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an das in den ersten drei Praxisjahren abgerechnete Punktzahlvolumen jedoch – ohne Berücksichtigung der Restvergütung – auf einem Umsatzniveau festgehalten wird, das wesentlich noch von der Aufbauzeit geprägt wird. Dieser systematische Fehler wird auch im Falle des Klägers deutlich, der wegen seiner schon am 1. Oktober 1993 erfolgten Zulassung noch nicht einmal der – strukturell unzureichenden – Anfängerregelung des HVM unterfiel. Der Kläger hatte im Bemessungszeitraum 1994 und 1995 noch nicht die landesdurchschnittliche Punktmenge erreicht, was bei unauffälligen Fallwerten allein an seiner unterdurchschnittlichen Fallzahl lag. Die erhebliche Umsatzsteigerung auf 112.867 Punkte im Abrechnungszeitraum beruhte allein auf der Steigerung der Fallzahlen. Die für die Quartale II/1997 bis IV/1997 festgelegte Bemessungsgrundlage begrenzt die Abrechnungsmöglichkeiten des Klägers trotz des vorgenommenen Zuschlages auf einen Wert weit unterhalb des schon gekürzten Landesdurchschnitts. Diese Auswirkung läßt erkennen, daß die Regelungen über die individuelle Bemessungsgrenze kleinere Praxen insbesondere im Aufbaustadium besonders hart treffen und nicht nur in Extremfällen dazu führen können, daß die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit solcher Praxen gefährdet ist.
Zahnärzten, die sich für die vertragszahnärztliche Tätigkeit entscheiden und eine neue Praxis gründen, ist regelmäßig bewußt, daß in der Anfangszeit das Honorar für vertragszahnärztliche Leistungen vielleicht nur die Praxiskosten und möglicherweise nicht einmal diese in vollem Umfang decken kann. Sie nehmen dies typischerweise in der Erwartung in Kauf, mit dem Wachstum der Praxis Überschüsse aus ihrer Tätigkeit erzielen zu können, die die Anfangsverluste wieder ausgleichen und Gewinne ermöglichen. Diese – unternehmerische Tätigkeit kennzeichnende – Kalkulation wird nachhaltig in Frage gestellt, wenn die Möglichkeit, den Umsatz auch nur auf ein durchschnittliches Niveau zu steigern, normativ begrenzt und die Praxis auf einer Umsatzhöhe festgeschrieben wird, die der Praxisinhaber als auf Dauer wirtschaftlich nicht verkraftbar eingeschätzt hat. Vergütungsbeschränkungen, die an Abrechnungsergebnisse der Vergangenheit anknüpfen, müssen diesem Umstand Rechnung tragen und insbesondere Praxisneugründern ermöglichen, durch echte – nicht künstlich manipulierte – Fallzahlsteigerungen zumindest ein durchschnittliches Umsatzniveau zu erreichen, auf dem sie dann wie alle anderen Vertragszahnärzte im Hinblick auf nicht oder kaum mehr steigende Gesamtvergütungen zeitlich begrenzt festgehalten werden dürfen.
Die schematische Gleichbehandlung aller Vertragszahnärzte trotz der dargestellten Unterschiede im Hinblick auf die Patientenzahl belastet die kleinen Praxen besonders stark. Sie werden an einer Umsatzsteigerung auf das von ihnen angestrebte bzw zumindest auf das durchschnittliche Umsatzniveau gehindert und auf diese Weise in einer betriebswirtschaftlich ungünstigen Umsatz- und Erlössituation festgehalten. Es ist nämlich empirisch nachweisbar, daß bei steigenden Umsätzen der Vertragszahnärzte der Einnahmeüberschuß in Prozent der Gesamteinnahmen steigt (vgl KZBV, Jahrbuch 1996 – Statistische Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung –, Tabellen 5.18 und 5.19). Nach diesen Daten verblieb der Gruppe der Vertragszahnärzte im Jahre 1995 in den alten Bundesländern, die zB Gesamteinnahmen zwischen 500.000 DM und 600.000 DM (durchschnittlich ca 553.000 DM) aufwiesen, ein durchschnittlicher Einnahmeüberschuß von ca 131.000 DM (= 23,8 %). Bei der Gruppe der Zahnärzte mit Gesamteinnahmen von über 1.000.000 DM ergab sich ein durchschnittlicher Einnahmeüberschuß von 365.000 DM (= 28,8 %). Gerade auch im Hinblick darauf hat der Senat den Gesetzgeber für berechtigt gehalten, den Punktwert bei Überschreiten der Punktmengengrenzen des § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V in der zwischen dem 1. Januar 1993 und dem 30. Juni 1997 geltenden Fassung des GSG abzusenken (vgl BSGE 80, 223 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 22). Der Umstand einer dauerhaften Festschreibung einer besonders ungünstigen Erlössituation als Folge unterdurchschnittlicher Umsätze muß für alle kleinen Praxen, nicht nur für neu gegründete, berücksichtigt werden. Damit wird auch der Forderung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entsprochen, wonach der Gesetzgeber Vorkehrungen zu treffen hat, daß nicht durch Satzungsregelungen im Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit zum Nachteil von Berufsanfängern und Außenseitern ein Übergewicht von Verbandsorganen oder ein verengtes Standesdenken begünstigt werden (BVerfGE 33, 125, 159, 160). Die Beklagte ist deshalb gehalten, ihren HVM so auszugestalten, daß auch solche Vertragszahnärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl, die nicht mehr als Praxisneugründer angesehen werden können, nicht gehindert werden, durch Erhöhung der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen.
Die Regelungen über die Bemessungsgrundlage für solche Vertragszahnärzte, die wegen unterdurchschnittlicher Fallzahlen im Bemessungszeitraum das durchschnittliche Punktzahlvolumen der Zahnärzte ihrer Gruppe (noch) nicht erreicht haben, müssen im HVM selbst normiert werden. Es ist nicht ausreichend, der Situation dieser Zahnarztgruppe allein durch Entscheidungen des Vorstands auf der Grundlage der für besonders gelagerte Ausnahmefälle geschaffenen Härteregelung im HVM Rechnung zu tragen. Die Verteilung der Gesamtvergütung unter die Vertrags(zahn)ärzte iS des § 85 Abs 4 Satz 1 SGB V muß auf der Grundlage des von der K(Z)ÄV im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstabs (§ 85 Abs 4 Satz 2 SGB V) erfolgen. Dem als Satzung von der Vertreterversammlung zu beschließenden HVM müssen die wesentlichen Elemente der Honorarverteilung einschließlich der im Hinblick auf besondere Zahnarztgruppen gebotenen Differenzierungen zu entnehmen sein. Wenn wichtige Elemente der Honorarverteilung, wie die Gleich- oder Ungleichbehandlung von Anfängerpraxen und etablierten Praxen bzw von Praxen mit geringer Fallzahl und umsatzstarken Praxen, nicht im HVM selbst zumindest in den Grundzügen geregelt sind, führt das zu einer dem Gesetz widersprechenden Verlagerung der Kompetenz für die Honorarverteilung von der Vertreterversammlung auf den Vorstand, dem die Einzelfallentscheidungen obliegen. Zudem wird die Einbeziehung der Krankenkassenverbände in die Honorarverteilung, der das Erfordernis der Benehmensherstellung gemäß § 85 Abs 4 Satz 2 SGB V Rechnung trägt (vgl dazu BSGE 75, 37, 40 = SozR 3-2500 § 85 Nr 7 S 40), auf diese Weise zum Teil unterlaufen. An Einzelfallentscheidungen auf der Grundlage einer generellen Ausnahme- bzw Härteregelung im HVM sind die Krankenkassenverbände nicht beteiligt.
Angesichts der Vielfalt der im Rahmen der Festsetzung praxisindividueller Bemessungsgrenzen denkbaren Konstellationen kann allerdings auf eine mehr oder weniger allgemein gehaltene General- bzw Härteregelung nicht verzichtet werden. Dem Satzungsgeber ist es kraft Natur der Sache unmöglich, bei Erlaß des HVM alle möglichen besonderen Situationen vorherzusehen und entsprechend zu normieren. Deshalb ist es sachgerecht, daß der HVM ausdrücklich vorsieht, daß in Ausnahmefällen, insbesondere wenn die Festlegung der Bemessungsgrenze nach den allgemeinen Kriterien im Einzelfall zu einer besonders schweren Härte führen würde, die Ermittlung der Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen hat. Diese Generalklausel kann zB zur Anwendung kommen, wenn sich überraschend Änderungen der Versorgungsstruktur in einer bestimmten Region ergeben, etwa einer von wenigen Vertragszahnärzten in einer Stadt kurzfristig aus der vertragszahnärztlichen Versorgung ausscheidet. Die von diesem Zahnarzt bisher behandelten Patienten müssen dann innerhalb kurzer Zeit auf andere Zahnarztpraxen ausweichen, was zwangsläufig zu einer von diesen Praxen nur eingeschränkt steuerbaren Erhöhung der Zahl der dort behandelten Patienten führen wird (vgl Senatsurteile B 6 KA 65/97 R und B 6 KA 66/97 R vom heutigen Tag). Vergleichbares gilt für die Änderung der Behandlungsausrichtung einer zahnärztlichen Praxis im Vergleich zum Bemessungszeitraum, etwa wenn sich ein bisher allgemein zahnärztlich tätiger Vertragszahnarzt auf oral-chirurgische Behandlungen konzentriert und deshalb höhere Fallwerte erreicht. Indessen rechnet der Umstand, daß Zahnarztpraxen insbesondere in der Gründungsphase regelmäßig unterdurchschnittlich viele Patienten behandeln und den landesdurchschnittlichen Umsatz aus vertragszahnärztlicher Tätigkeit erst nach einem von Praxis zu Praxis verschieden langen Zeitraum des Aufbaus erreichen, zu den allgemein bekannten und typischen Gegebenheiten der vertragszahnärztlichen Versorgung. Die in diesem Fall sachgerechte Berechnung der Bemessungsgrenze muß deshalb ihrer Grundstruktur nach im HVM selbst vorgeschrieben werden. Das sieht die Beklagte im Ausgangspunkt nicht anders, wie sich aus der Tatsache ergibt, daß sie die Berechnung der individuellen Bemessungsgrundlage für solche Vertragszahnärzte, die in den letzten drei Jahren vor dem Vergütungszeitraum oder später ihre Tätigkeit erst aufgenommen haben, im HVM selbst geregelt hat. Für diejenigen Zahnärzte, die zwar im Bemessungszeitraum in allen Quartalen Leistungen gegenüber der Beklagten abgerechnet haben, aufgrund ihrer Fallzahlen den landesdurchschnittlichen Umsatz aber (noch) nicht erreicht haben, hat die Beklagte ihren HVM um eine entsprechende Regelung zu ergänzen und auf dieser Grundlage über die Höhe der Bemessungsgrundlage des Klägers in den Quartalen II/1997 bis IV/1997 neu zu entscheiden.
Der weitergehenden Rechtsauffassung des Klägers, wonach generell das System der Beschränkung vertragszahnärztlicher Vergütungsansprüche durch Einführung individueller Bemessungsgrenzen mit § 85 Abs 4 SGB V in Widerspruch stehe, sofern dabei auch an die Fallzahl und nicht nur an die Fallwertentwicklung angeknüpft werde, kann nach allem nicht gefolgt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG. Im Hinblick darauf, daß der Kläger in der Grundsatzfrage obsiegt hat, hat der Senat von einer Kostenteilung abgesehen.
Fundstellen
SGb 1999, 22 |
ZAuR 1999, 181 |