Leitsatz

Die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) sind bei der im Aussetzungsverfahren gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung verfassungskonform dahin auszulegen, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann. Hierfür ist regelmäßig der Nachweis erforderlich, dass der Wert der wirtschaftlichen Einheit den festgestellten Grundsteuerwert derart unterschreitet, dass sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist.

 

Normenkette

§§ 218 ff., §§ 252 ff., § 266 Abs. 1 BewG, § 36 Abs. 1 GrStG, § 181 Abs. 1 Satz 1, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO,§ 33 Abs. 1 Nr. 1, § 69 Abs. 2 und 3 FGO

 

Sachverhalt

Die Antragsteller waren jeweils zur Hälfte Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten 1053 qm großen Grundstücks. Der Bodenrichtwert betrug zum 1.1.2022 300 EUR pro qm.

In ihrer Erklärung zur Feststellung des GrStWerts gaben sie als Art des Grundstücks "Einfamilienhaus" an, das erstmals 1977 bezugsfertig gewesen sei und über eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 178 qm verfüge.

Das FA stellte den GrSt-Wert der wirtschaftlichen Einheit zum 1.1.2022 auf 318.800 EUR fest. Diesen Betrag ermittelte es gemäß § 250 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 252 Satz 1, § 230 BewG aus der Summe des kapitalisierten Reinertrags des Grundstücks und des abgezinsten Bodenwerts.

Bei der Bestimmung des kapitalisierten Reinertrags des Grundstücks nach § 253 Abs. 1 BewG setzte es als monatliche Nettokaltmiete gemäß Anlage 39 zum BewG den für Einfamilienhäuser mit Baujahr zwischen 1949 und 1978 und einer Wohnfläche von 100 qm und mehr geltenden Wert von 6,05 EUR pro qm an und nahm hiervon gemäß § 254 BewG i. V. m. Anlage 39 zum BewG einen Abschlag i. H. v. 10 % aufgrund der Mietniveaustufe 2 vor. Die Restnutzungsdauer des im Jahr 1977 errichteten Gebäudes ermittelte das FA gemäß § 253 Abs. 2 Satz 3 BewG i. V. m. Anlage 38 zum BewG mit 35 Jahren. Hieraus ergab sich ein Reinertrag des Grundstücks gemäß §§ 253, 254 BewG i. V. m. Anlage 39 zum BewG i. H. v. 8.998,38 EUR (= 5,44 EUR pro qm x 178 qm x 12 zuzüglich der jährlichen Garagenmiete von 378 EUR und abzüglich Bewirtschaftungskosten in Höhe von 25 %) und ein kapitalisierter Reinertrag des Grundstücks gemäß § 253 BewG i. V. m. Anlage 37 zum BewG i. H. v. 208.312,50 EUR (= 8.998,38 EUR x 23,15).

Bei der Bestimmung des Bodenwerts legte das FA gemäß § 257 Abs. 1 Satz 1, § 247 BewG den erklärten Bodenrichtwert sowie gemäß § 257 Abs. 1 Satz 2 BewG i. V. m. Anlage 36 zum BewG einen Umrechnungskoeffizienten i. H. v. 0,83 für Grundstücke mit einer Größe von größer gleich 1050 qm zugrunde. Ausgehend von einem Liegenschaftszins von 2,5 % für Einfamilienhäuser gemäß § 256 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG ermittelte es den abgezinsten Bodenwert mit 110.489,82 EUR, indem es gemäß § 257 Abs. 2 BewG den Bodenwert i. H. v. 262.197 EUR (= 1053 qm x 300 EUR pro qm x 0,83) mit dem Abzinsungsfaktor gemäß Anlage 41 zum BewG i. H. v. 0,4214 multiplizierte.

Gegen den Bescheid legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten die AdV. Den Antrag auf AdV und den hiergegen erhobenen Einspruch lehnte das FA ab.

Die Antragsteller stellten daraufhin einen Antrag auf AdV beim FG, den sie unter anderem damit begründeten, dass sich ihr Grundstück aufgrund der Bebauung in zweiter Reihe und der Erschließung durch einen Privatweg sowie der Hanglage nur eingeschränkt für eine Bebauung nutzen lasse. Dem festgestellten GrSt-Wert liege daher ein zu hoher Bodenrichtwert zugrunde. Das FG hat die Vollziehung des GrSt-Wertbescheids ausgesetzt und die Beschwerde zugelassen (FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23.11.2023, 4 V 1429/23, Haufe-Index 16096193).

 

Entscheidung

Der BFH hat die hiergegen erhobene Beschwerde des FA als unbegründet zurückgewiesen. Nach seiner Auffassung hat das FG zu Recht den angefochtenen Feststellungsbescheid über den GrSt-Wert von der Vollziehung ausgesetzt. Er hatte jedoch lediglich einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids. Die Frage der Verfassungswidrigkeit der Regelung hat der Senat ausdrücklich offengelassen.

 

Hinweis

1. Auch in diesem Verfahren hat der BFH die Beschwerde des FA aus einfachrechtlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des GrSt-Wertbescheids abgewiesen. Die Frage, ob das Bundesmodell verfassungswidrig ist, hat es wiederum offengelassen. Der Senat sah es aufgrund der Besonderheiten des Falles nicht als ausgeschlossen an, dass den Steuerpflichtigen möglich ist, nachzuweisen, dass der gemeine Wert 40 % des Grundstücks unter dem vom FA festgestellten Grundstückswert liegt. Dem Steuerpflichtigen muss nach Auffassung des BFH bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften über die Bewertung des Grundstücks nach dem BewG die Möglichkeit eingeräumt werden, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.

2. Zu den weiteren Au...

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